DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT6/2017 - page 80

78
6|2017
RECHT
sind. Dazu zählen vor allem die beanstandungsfreie Dauer des bisherigen
Mietverhältnisses, das Gewicht und die nachteiligen Auswirkungen der
Vertragspflichtverletzung, eine mögliche Wiederholungsgefahr und der
dem Mieter zur Last zu legende Grad des Verschuldens. Das Festhalten an
der ordentlichen Kündigung trotz des erfolgten Ausgleichs der Miet-
rückstände ist nicht rechtsmissbräuchlich. Zwar ist ein solches Verhalten
schon generell nicht geeignet, den Vorwurf der Treuwidrigkeit zu begrün-
den. Doch selbst wenn man in einem derartigen Kontext unter Umstän-
den dem Vermieter die Durchsetzung eines Räumungsanspruches unter
Heranziehung der Grundsätze von Treu und Glauben verwehren würde,
vermochte diese Sichtweise ein solches Ergebnis nicht zu begründen.
Denn es kann der nachträgliche Ausgleich bestehender Mietrückstände
nur ganz ausnahmsweise und im Einzelfall als zureichender Gesichts-
punkt angesehen werden, um ein Berufen auf die wirksame ordentliche
Kündigung als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB erscheinen
zu lassen; in diesem Zusammenhang hat der BGH bekräftigt, dass sich die
Beantwortung dieser Frage einer allgemeingültigen Betrachtung entzieht
und stets vom Tatrichter aufgrund der ihm obliegenden Würdigung aller
konkreten Einzelfallumstände vorzunehmen ist.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB §§ 543, 546
Beharrliches Rauchen trotz Rauchverbots
Das beharrliche Rauchen des Heimbewohners trotz Rauchverbots
begründet einen wichtigen Grund nach den Regelungen des Heim­
vertrages, wenn der Nutzer trotz mehrfacher Abmahnung wiederholt
Zigaretten im Papierkorb statt im Wasserglas entsorgte.
LG Münster, Urteil vom 12.12.2016, 2 O 114/16
Bedeutung für die Praxis
Ein wichtiger Grund ist insbesondere gegeben, wenn der Bewohner seine
vertraglichen Pflichten schuldhaft so gröblich verletzt, dass der Einrich-
tung die Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zugemutet werden kann.
Dauernde oder schwere Verstöße gegen die Hausordnung sowie Gefähr-
dungen des Wohnraumes, etwa durch ein beharrliches Missachten eines
Rauchverbots, fallen darunter. Die Einrichtung hat dem Bewohner das
Rauchen wirksam untersagt. Es ist eine Pflicht des Heimbetreibers, die
körperliche Unversehrtheit der Heimbewohner zu schützen. Diese Pflicht
kann die Einrichtung nicht erfüllen, wenn durch das Verhalten des Bewoh-
ners eine Brandgefahr droht, durch die andere Heimbewohner an Leib und
Leben gefährdet sind. Die Pflichtverletzungen sind unstreitig. Die Einrich-
tung hat substantiiert eine Vielzahl von Pflichtverletzungen in Form von
Verstößen gegen das Rauchverbot mit Datum, Uhrzeit und feststellenden
Personen vorgetragen. Der Bewohner handelte auch schuldhaft und vor-
sätzlich. Das Verschulden des Bewohners hat die Einrichtung dargelegt.
Das Gutachten des MDK, welches die Einrichtung vorlegte, hat für den
Bewohner keine psychischen Beeinträchtigungen festgestellt. Der Hinweis
auf eine schlaganfallbedingte Demenz bzw. psychische Erkrankung infol-
ge des Schlaganfalles ist kein hinreichend substantiierter Vortrag. Allein
aus der Bestellung eines Betreuers folgt noch keine Schuldunfähigkeit.
Handelt der Bewohner nicht schuldhaft, weil er sein Verhalten infolge
einer Krankheit nicht steuern kann, so kann trotzdem eine Kündigung
gerechtfertigt sein, wenn aufgrund einer gewissenhaften Abwägung
der Interessen des Unternehmers und der anderen Bewohner mit den
Interessen des sich vertragswidrig verhaltenden Bewohners dem Interesse
des Unternehmers an einer Vertragsbeendigung der Vorrang einzuräumen
ist. Die Interessen der Einrichtung und der anderen Bewohner genießen
hier Vorrang vor den Interessen des Bewohners. Die mit seinem Verhalten
verbundene Brandgefahr bedeutet für die anderen Bewohner eine Gefahr
für Leib und Leben, die nicht hinnehmbar ist. Unter Berücksichtigung der
hohen Risiken, die mit dem Rauchverhalten des Bewohners verbunden
sind, kann der Einrichtung kein Festhalten am Vertrag zugemutet werden.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB §§ 543, 545, 546 Abs. 1, 578
Widerruf einer Empfangsvollmacht
Beim Wohnraummietvertrag kann die Mitteilung des Auszuges
eines Mitmieters und der neuen Adresse vom Vermieter als
Widerruf der Empfangsvollmacht verstanden werden; beim
gewerblichen Mietvertrag dagegen nicht, weil typischerweise
keine Verbindung der Mitmieter durch einen gemeinschaftlichen
Aufenthalt in den angemieteten Räumen besteht.
OLG Dresden, Beschluss vom 13.10.2016, 5 U 993/16
Bedeutung für die Praxis
Beim Wohnraummietvertrag ist es typisch, dass Mitmieter eine Wohn-
gemeinschaft (WG) bilden, weswegen der einzelne Mitmieter darauf
vertrauen kann, über empfangsbedürftige Schreiben des Vermieters
durch die anderen Mitmieter unterrichtet zu werden, solange die WG
besteht. Wird die WG durch den Auszug eines Mitmieters aufgehoben,
ist seine Information über Erklärungen des Vermieters dagegen nicht
mehr in vergleichbarer Weise gesichert, zumal die Mitmieter über die
WG hinaus oft nichts verbindet, so dass der ausziehende Mieter ein
gesteigertes Interesse am unmittelbaren Zugang der Erklärungen des
Vermieters haben kann. Die Mitteilung des Auszuges und der neuen
Adresse kann deshalb vom Vermieter als Widerruf der Empfangsvoll-
macht verstanden werden. Beim gewerblichen Mietvertrag besteht
dagegen von vornherein keine Verbindung der Mitmieter durch einen
gemeinschaftlichen Aufenthalt in den angemieteten Räumen wie bei
der WG. Die Mitmieter sind regelmäßig Geschäftspartner mit eigenen
(Wohn-)Adressen, die zudem keinesfalls am Ort der angemieteten
Räume liegen müssen. Die Kommunikation der Mitmieter untereinan-
der wurzelt nicht vergleichbar der WG im gemeinsamen Aufenthalt in
den gemieteten Räumen, sondern in der bestehenden Geschäftsver-
bindung. Die Änderung der (Wohn-)Anschrift durch einen Mitmieter
hat wegen der fortbestehenden Geschäftsverbindung für dessen
Unterrichtung über Erklärungen des Vermieters zum Mietvertrag
keine (besondere) Bedeutung, so dass sie vom Vermieter i. d. R. nicht
als Widerruf der Empfangsvollmacht verstanden werden kann.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
1...,70,71,72,73,74,75,76,77,78,79 81,82,83,84
Powered by FlippingBook