DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT6/2017 - page 81

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WEG §§ 8, 10, 13; BGB §§ 133, 157, 242, 864 Abs. 2
Reichweite eines Sondernutzungsrechts;
Auslegung der Teilungserklärung
1. Befindet sich in den Grundakten kein Plan, der durch Markierung
die Reichweite eines Sondernutzungsrechts darstellt, ist für die
Reichweite des Sondernutzungsrechtes die Auslegung der Teilungs­
erklärung maßgeblich.
2. Bei der Auslegung ist vorrangig auf den Wortlaut und den Sinn
der Eintragung sowie der in Bezug genommenen Eintragungsbewil­
ligung abzustellen, wie sie sich für einen unbefangenen Betrachter
als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergeben. Um­
stände außerhalb der Urkunde dürfen zur Ermittlung von Inhalt und
Umfang eines Grundstücksrechts nur insoweit mit herangezogen
werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls
für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind.
3. Für die Frage der Reichweite des Sondernutzungsrechts kommt
es nicht auf den Willen desjenigen an, der das Sondernutzungsrecht
begründet hat. Maßgeblich ist vielmehr, inwieweit dieser auch tat­
sächlich in der Teilungserklärung seinen Niederschlag gefunden hat.
4. Gehört die Grünanlage nicht zum Sondernutzungsrecht des Teilei­
gentums „Laden“, kann die Wohnungseigentümergemeinschaft
beschließen, diese Grünanlage mit einem Zaun zu umgeben, um zu
verhindern, dass Jogger, Fahrradfahrer, Reiter etc. sie als Abkürzung
benutzen, auch wenn hierdurch die Kunden des Ladens ebenfalls
diese Abkürzung nicht mehr nützen können und um die Grünanlage
herumlaufen müssen bzw. sogar den Laden gar nicht mehr besu­
chen.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.3.2017, 6 U 172/14
Bedeutung für die Praxis
Schlechte – weil nicht präzise gefasste/formulierte – notarielle Teilungs-
erklärungen müssen nach Grundbuchgrundsätzen, d. h. objektiv-normativ
und nicht subjektiv nach den (unmaßgeblichen) Vorstellungen von Notar
oder Bauträger ausgelegt werden.
Nicht maßstabsgetreue Pläne oder Zeichnungen können zum Bestandteil
der Teilungserklärung erklärt werden und sollten wenigsten an fixe Punk-
te im Gelände anknüpfen. Bei bereits errichtetem Gebäude (nachträgliche
Teilung) kann auch an die Hausaußenwand angeknüpft werden.
Nur soweit das Sondernutzungsrecht nachweislich reicht, kann der
Berechtigte bauliche Maßnahmen der Eigentümer immer abwehren, die
seine Alleinnutzung beeinträchtigen.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 5 Abs. 2, 10 Abs. 2 Satz 3; BGB § 242
Zustimmungsanspruch auf Einräumung
eines Sondernutzungsrechts
Wenn ein Spitzboden unterhalb des Daches gemeinschaftliches Ei­
gentum war, obwohl er nur über ein – darunter gelegenes – Sonderei­
gentum zu begehen war, so ändert sich dieser Zustand auch durch den
Ausbau dieses Spitzbodens zu einem Vollgeschoss nicht. Durch einen
Umbau von gemeinschaftlichem Eigentum entsteht wieder gemein­
schaftliches Eigentum.
Ein Anspruch des Umbauenden auf ein Sondernutzungsrecht an den
neu geschaffenen Räumlichkeiten im Dachgeschoss besteht. Ein
Gemeingebrauch gemäß § 13 Abs. 2 WEG würde den Umbauenden
übervorteilen und den Miteigentümern einen unangemessenen Vorteil
verschaffen, der ihnen unter Berücksichtigung der bisherigen einseiti­
gen Investitionen des Umbauenden in den Um- und Ausbau des Dach­
geschosses und unter Berücksichtigung der gegenseitigen Absprachen
und Interessenlage nicht zustehen kann (§ 10 Abs. 2 S. 3 WEG).
OLG Frankfurt, Urteil vom 8.3.2016, 6 U 23/15
Bedeutung für die Praxis
Eine nicht bereits in der Teilungserklärung angelegte Verpflichtung der
Mitwohnungseigentümer zur (unentgeltlichen) Änderung der sachenrecht-
lichen Grundlagen der Gemeinschaft durch Schaffung neuen Sonderei-
gentums wird es trotz des ab 1.7.2007 geltenden § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG
faktisch nahezu nie geben; krasse Ausnahmefälle ausgenommen.
Als „Minus“ kommt ggf. – auch selten – die Begründung von Sondernut-
zungsrechten in Betracht. Auch die Duldung einer Umbaumaßnahme
– insbesondere nach Geldzahlung – begründet keinen außergewöhnlichen
Umstand, der die Miteigentümer verpflichten könnte, das sachenrechtliche
Grundverhältnis (unentgeltlich) zu ändern.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG-RECHT
WEG §§ 16 Abs. 3, 21, 43
Kein Ausscheren aus der gemeinsamen
Müllentsorgung
Besteht in einer Wohnungseigentumsanlage eine gemeinsame
Müllentsorgung, hat ein einzelner Wohnungseigentümer keinen
Anspruch darauf, dass er von der Pflicht zur anteiligen Tragung der
gemeinsamen Müllkosten befreit und ihm das Aufstellen eigener
Sammelgefäße ermöglicht wird.
LG Frankfurt/M., Urteil vom 27.4.2017, 2-13 S 168/16
Bedeutung für die Praxis
Zur Änderung der Kostenverteilung nach § 16 Abs. 3 WEG ist anerkannt,
dass kein Wohnungseigentümer erstmals mit solchen Kosten belastet oder
komplett freigestellt werden darf (vgl. zuletzt AG Leverkusen ZMR 2017,
105 zur erstmaligen Freistellung und BGH, Urteil vom 1.6.2012,
V ZR 225/11 zur erstmaligen Belastung mit Betriebskostenpositionen). Es
besteht auch bei nachgewiesenem Null-Gebrauch in Bezug auf die Müllent-
sorgung kein Freistellungsanspruch. Selbst bei verursachungsabhängiger
Abrechnung kann eine Mindestmüllmenge (vgl. BGH, 06.4.2016, VIII ZR
78/15 zum Mietrecht) dem „Sparfuchs“ belastet werden.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
1...,71,72,73,74,75,76,77,78,79,80 82,83,84
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