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9|2017
WEG §§ 10 Abs. 4, 23, 43 Nr. 4
Änderungsbeschluss hinsichtlich
der Kostenverteilung
Beinhaltet die Gemeinschaftsordnung eine sog. Öffnungsklausel und
fasst eine Wohnungseigentümergemeinschaft einen Beschluss über
die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels dahin, dass künftig
die Kostenverteilung nach der tatsächlich genutzten Wohnfläche
erfolgen soll, ist dieser Beschluss im Anfechtungsverfahren für un-
wirksam zu erklären. Ihm fehlt die inhaltliche Bestimmtheit, da nicht
ersichtlich ist, was unter der tatsächlich genutzten Wohnfläche zu
verstehen ist, und ob etwa leerstehende Wohnungen auch darunter
fallen. Eine Beschlussfassung über aufwändigere Sanierungs- oder
Renovierungsmaßnahmen entspricht nur dann ordnungsmäßiger
Verwaltung, wenn die Wohnungseigentümer von der Wirtschaftlich-
keit der beschlossenen Maßnahme ausgehen durften. Hierzu ist es
i. d. R. erforderlich, Alternativ- oder Konkurrenzangebote einzuholen.
LG Frankfurt (Oder), Urteil vom 21.11.2016, 16 S 85/16
WEG §§ 23 ff., 43 Nr. 4; BGB § 556
Bestimmtheitsgrundsatz: bestimmte
Verweisung auf unbestimmtes Dokument
Es wäre bei Belegeinsicht durch die vom vermietenden Wohnungs-
eigentümer bevollmächtigte Sondereigentumsverwalterin ohne
weiteres möglich gewesen, die Wartungsverträge, Dienstleistungs-
verträge etc. zu sichten sowie die vertraglich geschuldeten Honorare
in die Betriebskostenabrechnung einzusetzen. Ob es hierfür bereits
entsprechende Rechnungen gibt oder ob diese bezahlt wurden, wäre
nach dem Leistungsprinzip (wie es im Wohnraummietrecht gilt) ohne
jede Bedeutung.
Die Verweisungstechnik im Beschluss der Wohnungseigentümer,
wonach auf ein präzise in Bezug genommenes Schreiben Bezug
genommen wird, entspricht nur ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn
dieses Schreiben selbst bestimmt genug formuliert ist.
AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 5.7.2017, 539 C 44/16
Bedeutung für die Praxis
Der BGH (Urteil vom 8.4.2016, V ZR 104/15) hat bestätigt, dass im Be-
schluss zur näheren Erläuterung auf bestimmte Urkunden oder Schriftstü-
cke verwiesen werden darf.
Das präzise in Bezug genommene Schreiben muss unabhängig davon, ob
es zum Bestandteil der Versammlungsniederschrift gemacht wurde, selbst
dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen.
Ein solches Schreiben muss etwa klar sagen, welche Forderungen aus
welcher Rechnung (Betrag, Datum) welchen Ausstellers gemeint sind.
Bei objektiv-normativer Auslegung des Beschlusses muss sich erschlie-
ßen, was vom Ermächtigten gegenüber der Ex-Verwalterin zu wessen
Gunsten im eigenen oder fremden Namen geltend gemacht werden sollte.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG-RECHT
WEG §§ 14 Nr. 1, 22 Abs. 1
Aufstellen und Eingraben von
Pflanzkübeln
Das Aufstellen von Pflanzkübeln auf der Terrasse stellt in einer Woh-
nungseigentümergemeinschaft regelmäßig keine bauliche Verände-
rung dar, wenn diese nach ihrer Beschaffenheit beweglich sind.
Auch ein in das Erdreich bis zum oberen Rand eingegrabener Pflanz-
kübel mit einem Apfelbaum im Bereich der Terrasse stellt keinen
Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG dar, wenn konkrete Beeinträch-
tigungen nicht zu befürchten sind und die übrigen Wohnungseigen-
tümer der Erdgeschosswohnungen ihrerseits zahlreiche Gestaltungs-
maßnahmen wie z. B. Heckenanpflanzungen vorgenommen haben.
AG Pinneberg, Urteil vom 6.6.2017, 60 C 2/17
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung ist großzügig in puncto bauliche Veränderung. Der
eingegrabene Pflanzkübel macht den Baum zur „beweglichen Sache“.
Wenn vom „unterirdischen“ Pflanzkübel praktisch nichts mehr zu sehen
ist, hat man es mit einem konfliktträchtigen Kriterium zu tun. Wie soll der
Nachbar – ohne Hausfriedensbruch, Auskunftsanspruch etc. – feststellen,
ob der Baum (noch) in einem (intakten) Kübel wächst? Wird der Baum zur
baulichen Veränderung, sobald der Kübel „gesprengt“ wurde vom Wurzel-
werk oder durch aktives Tun des Sondereigentümers?
Im Ergebnis sollten Nachbarn nicht jede Veränderung im Garten zum
Anlass nehmen, hierin eine bauliche Veränderung zu sehen, die einen
optischen Nachteil darstellt. Das Aufrechterhalten des Status quo ist kein
Selbstzweck.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
Bedeutung für die Praxis
Die Quadratmeterzahl bei der beschlossenen Kostenverteilung nach der
tatsächlich genutzten Wohnfläche ist den Wohnungseigentümern bereits
dann unbekannt, wenn die Vorstellungen hierüber unterschiedlich sind;
vgl. hierzu auch AG Oberhausen, Urteil vom 21.2.2012, 34 C 7/10,
ZMR 2012, 487.
Der Beschluss muss daher Festlegungen dazu enthalten, welche Quad-
ratmeterzahlen als Gesamtfläche und welche Quadratmeterzahlen als
Einzelfläche für jedes einzelne Objekt für jeden Wohnungseigentümer
maßgeblich sind.
Grundsätzlich sind mindestens drei Alternativ- oder Konkurrenzangebote
einzuholen. Entbehrlich ist dieses Prozedere z. B. bei festen Honorarsät-
zen bei Anwälten nach dem RVG. Ebenfalls entbehrlich ist es, wenn die
Wohnungseigentümer aus anderen Gründen – etwa nach der Auseinan-
dersetzung mit einem detaillierten Preisspiegel eines Architekten oder
Ingenieurs – von der Angemessenheit des Vertragsangebots zur beschlos-
senen Maßnahme ausgehen konnten.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg