DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 3/2016 - page 89

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WEG §§ 23 ff.; 43 Nr. 4
Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines
Negativbeschlusses
a) Wird ein von einem Wohnungseigentümer gegen den Verband
gerichtetes Zahlungsbegehren durch Beschluss abgelehnt, besteht
regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungsklage.
b) Im Rahmen der Begründetheit einer solchen Klage ist ledig-
lich zu prüfen, ob im Zeitpunkt der Beschlussfassung allein die
freiwillige Erfüllung des Anspruchs ordnungsmäßiger Verwal-
tung entsprochen hätte; dies ist nur dann anzunehmen, wenn
der Anspruch offenkundig und ohne jeden vernünftigen Zweifel
begründet war.
BGH, Urteil vom 2.10.2015, V ZR 5/15
Bedeutung für die Praxis
Es besteht weder Beschlusskompetenz durch Beschluss Ansprüche gegen
einzelne Wohnungseigentümer zu begründen, noch deren Ansprüche
zu vernichten. Es geht im erstgenannten Fall immer um die Abgrenzung
zwischen zulässiger Leistungsaufforderung und Verstoß gegen das Belas-
tungsverbot, im zweiten Fall analog um die Frage, ob dem anspruchsstel-
lenden Eigentümer der Anspruch aberkannt oder zulässigerweise nur die
freiwillige (!) Erfüllung verweigert und er auf den Rechtsweg verwiesen
werden soll.
Die Anfechtung des Negativbeschlusses - dem keine Sperrwirkung zu-
kommt - durch den Anspruchsteller macht trotzdem wenig Sinn; er sollte
Leistungsklage erheben.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 13, 14, 15
Hausordnung; Hunde- und
Katzenhaltung
Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Tieren auf
Wohngrundstücken ist aus Gründen des Zusammenlebens häufig
anzutreffen. Selbst wenn es bei Anschaffung der Katze eine
entsprechende Regelung noch nicht gegeben hat, musste der
Tierhalter bei der Anschaffung der Katze damit rechnen, dass
deren freies Herumlaufen durch eine zukünftige Änderung der
Hausordnung untersagt wird.
LG Frankfurt, Urteil vom 14.7.2015, 2-09 S 11/15
Bedeutung für die Praxis
Ob die in einem Mehrheitsbeschluss enthaltene, nicht gegen ein
gesetzliches Verbot verstoßende Regelung (egal, ob Verbot oder
Erlaubnis), Tiere (Hunde, Katzen etc.) auch unangeleint auf einer
Rasenfläche des Gemeinschaftseigentums spielen zu lassen, ord-
nungsmäßigem Gebrauch entspricht, kann nicht generell bejaht oder
verneint werden. Die Eigentümer haben hier ein weites gerichtlich
nicht überprüfbares Ermessen. Das Gericht hat lediglich zu prüfen,
ob die Ermessensgrenzen gesehen und beachtet wurden. Als absolute
Grenze kommt ein vollständiges Tierhaltungsverbot einerseits sowie
eine unbeschränkte Tierhaltungserlaubnis andererseits in Betracht
(vgl. LG Itzehoe ZMR 2014, 912).
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 24 Abs. 4; 43 Nr. 4
Eingeschränktes Anwesenheitsrecht Dritter auf der Eigentümerversammlung
1. Die Nichteinhaltung der Ladungsfrist gemäß § 24 Abs. 4 S. 2 WEG stellt alleine keinen Grund für die Ungültigkeit der auf der Eigentümer-
versammlung gefassten Beschlüsse dar. Der Anfechtende muss darlegen, dass ihm gerade aufgrund dieses Fehlers die Mitwirkung auf der
Eigentümerversammlung versagt war (entgegen LG München I, Urteil v. 6.11.2014, 36 S 25536/13, MietRB 2015, 47).
2. Ist ein Nichteigentümer Mitglied des Verwaltungsbeirates, steht ihm ein Recht zur Anwesenheit auf der Eigentümerversammlung nur
insoweit zu, als sein spezifischer Aufgabenbereich, etwa im Rahmen der Prüfung der Jahresabrechnung, betroffen ist. Verbleibt er auch
bei anderen Tagesordnungspunkten in der Eigentümerversammlung, so sind die in seiner Anwesenheit gefassten Beschlüsse wegen des
Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit anfechtbar.
AG Idstein, Urteil vom 7.9.2015, 32 C 7/15
Bedeutung für die Praxis
Die Kausalitätsvermutung des Ladungsfehlers für den angegriffenen
Beschluss greift nach dieser strengen Auffassung (vgl. dazu auch Kümmel
ZMR 2014, 763 ff.) erst ein, wenn der Anfechtende darlegt, dass er bei
rechtzeitiger Ladung noch hätte erscheinen können. Der (noch) überwie-
genden Meinung (vgl. OLG Hamburg ZMR 2007, 550 Rn. 13 bei Juris),
wonach beim Vorliegen eines formellen Beschlussfehlers davon auszu-
gehen sei, dass dieser sich auf das Beschlussergebnis ausgewirkt habe,
wird widersprochen. Hierbei kommt es nicht einmal darauf an, dass es
sich bei der 2-wöchigen Ladungsfrist nur um eine Sollvorschrift handelt.
Ein Automatismus zwischen einer Verletzung einer formellen zwingen-
den Vorschrift und deren Auswirkung auf die konkrete Beschlussfassung
besteht ebenfalls nicht.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
1...,79,80,81,82,83,84,85,86,87,88 90,91,92
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