DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 9/2016 - page 93

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9|2016
WEG §§ 1, 8 Abs. 1, BGB §§ 93, 94
Schwimmende Häuser als Gebäude
1. Ob ein Bauwerk ein Gebäude im Sinne des Wohnungseigentums-
gesetzes ist, welches eine Teilung durch den Grundstückseigentü-
mer nach § 8 Abs. 1 WEG erlaubt, ist sachenrechtlich im Hinblick
auf die Eigentumsverhältnisse an Grundstück und Anlage nach
§§ 93 ff. BGB zu beurteilen.
2. Ein Gebäude im Sinne des WEG kann auch eine Anlage aus
„schwimmenden Häusern“ sein, wenn diese nach Maßgabe der
§§ 93, 94 BGB fest mit dem Grund und Boden des Eigentümers
verbunden ist.
OLG Schleswig, Urteil vom 19.4.2016, 2 Wx 12/16
Bedeutung für die Praxis
Ein Hausboot, ein Museumsschiff und andere schwimmende Behausungen
können i. d. R. nicht Bauwerk im Sinne des WEG sein. Anders sah das OLG
Schleswig dies bei einer – mit Sicherheit seeuntauglichen – Anlage (Länge
ca. 110 m, Breite ca. 29 m), die aus fünf Kombiplattformen mit jeweils
drei Häusern und anteiligem Gehweg besteht, wobei jede Kombiplattform
mit einem Gewicht von ca. 315 t (ohne Aufbauten) vor Ort aus jeweils drei
schwimmenden Fundamenten erstellt wird, die nach dem Transport im
Wasser durch Betonieren zu den Kombiplattformen als starren Einheiten
zusammengefügt werden. Positivkriterium war hier die unlösbare Veran-
kerung mit den rund um die Anlage fest in den Boden gerammten Dalben
sowie der Steg zum Uferflurstück, der landseitig gelenkig und seeseitig auf
Rollen gelagert ist, umWasserstandsschwankungen ausgleichen zu können.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3, 22 Abs.1; BGB § 1004
Eigenmächtiger Einbau von Fenstern;
Beseitigungsanspruch
1. Eine Vorbefassung und Beschlussfassung der Eigentümerver-
sammlung ist nur dann entbehrlich, wenn sie dem Eigentümer
ausnahmsweise unzumutbar ist, weil etwa im Einzelfall eindeutig
und ohne weitere Prüfung feststeht, dass keinerlei Nachteile im
Sinne des § 14 Nr. 1 WEG ausgelöst werden, wie dies zum Beispiel
bei einem Nagel oder Dübel in der Außenmauer des Hauses der Fall
sein kann.
2. Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des Gemeinschafts-
eigentums sind im Interesse einer geordneten Verwaltung des Ge-
meinschaftseigentums einheitlich geltend zu machen; es besteht
- anders als bei Ansprüchen gemäß § 1004 BGB - eine geborene
Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft.
AG München, Urteil vom 7.11.2014, 481 C 12979/14
Bedeutung für die Praxis
1. Selbst die Nachgenehmigung (zur Beschlussnotwendigkeit vgl. LG
München I, ZMR 2016, 61) einer für einen Eigentümer nachteiligen bauli-
chen Veränderung entspricht nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung,
wenn es sich um eine Notmaßnahme handelte oder der Mehrheitseigentü-
mer einen Anspruch auf Gestattung hatte.
2. Der einzelne Wohnungseigentümer kann nicht gestützt auf § 1004 BGB
allein den Rückbau eines neu geschaffenen Zustands geltend machen; ihm
fehlt insoweit die Ausübungsbefugnis; diese steht wie in anderen Fällen
der Wahl zwischen Naturalrestitution und Geldersatz dem Verband zu
(vgl. BGH ZMR 2014, 554; BGH ZMR 2016, 215).
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 14 Nr. 1, 22 Abs. 1 S. 1
Anspruch auf Beseitigung einer baulichen Veränderung bei formlos
erklärter Zustimmung
WEG-RECHT
1. Die Zustimmung nach §§ 22 Abs. 1 Satz 1, 14 Nr. 1 WEG muss im
Rahmen eines Beschlussverfahrens der Eigentümergemeinschaft
durch positive Stimmabgabe zu dem beantragten Beschluss
abgegeben werden; die isolierte Zustimmung beeinträchtigter
Wohnungseigentümer außerhalb eines Beschlussverfahrens ist
grundsätzlich bedeutungslos und legitimiert Maßnahmen nach
§ 22 Abs. 1 Satz 1 WEG nicht.
2. Eine isoliert außerhalb eines Beschlussverfahrens formlos erklärte
Zustimmung zu einer zustimmungsbedürftigen Maßnahme nach
§§ 22 Abs. 1 Satz 1, 14 Nr. 1 WEG löst den Missbrauchseinwand
nach § 242 BGB gegen ein Beseitigungsverlangen nicht aus, solan-
ge keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen.
LG München I, Urteil vom 6.7.2015, 1 S 22070/14
Bedeutung für die Praxis
Die Genehmigung einer baulichen Veränderung, auch durch im Sinne
von § 14 Nr. 1 WEG beeinträchtigte Eigentümer, kann – nach einer am
Gesetzeswortlaut orientierten Meinung (vgl. bereits LG Hamburg ZMR
2013, 373) – nur in Gestalt einer förmlichen Beschlussfassung erfolgen.
Die bloße Zustimmung aller (beeinträchtigten) Miteigentümer reicht nicht
aus. Allerdings wird von einer starken Gegenansicht vertreten, dass die
„Zustimmung“ auch anstatt bzw. außerhalb einer Beschlussfassung in der
Eigentümerversammlung erklärt werden kann (vgl. etwa Armbrüster, ZWE
2008, 61, 64 f.). Der BGH (ZMR 2014, 554) hat die Frage bisher offen
lassen können. Sieht die Teilungserklärung obendrein eine Verwalterzu-
stimmung vor, so ist diese meist ein zusätzliches Erfordernis.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
1...,83,84,85,86,87,88,89,90,91,92 94,95,96
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