86
11|2016
RECHT
BGB § 536
Mietminderung und Darlegungslast
Da die Minderung nach § 536 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes eintritt,
genügt der Mieter seiner Darlegungslast schon mit der Darlegung
eines konkreten Sachmangels, der die Tauglichkeit der Mietsache
zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt.
BGH, Beschluss vom 27.7.2016, XII ZR 59/14
Bedeutung für die Praxis
Das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung (oder einen bestimmten Min-
derungsbetrag) braucht ein Mieter nicht vorzutragen. Von ihm ist auch
nicht zu fordern, dass er über eine hinreichend genaue Beschreibung der
Mangelerscheinungen („Mangelsymptome“) hinaus die ihm häufig nicht
bekannte Ursache dieser Symptome bezeichnet. Den beschriebenen An-
forderungen werden die Mängelrügen der Beklagten hinsichtlich der Hei-
zungsanlage und der Belüftung gerecht. Die Beklagten haben bereits mit
der Klageerwiderung das Fehlen eines erforderlichen Belüftungssystems
gerügt und im Einzelnen ausgeführt, es fehle an einer funktionierenden
warmen Zuluft, da die Klägerin die vorhandene Zuluftöffnung mit einer
Styroporplatte verschlossen habe. Dadurch sei in den Räumlichkeiten nur
Abluft, aber keine Zuluft vorhanden gewesen, wodurch auch ein Unter-
druck zwischen Küche und Restaurant entstanden sei. Sie haben ihre Rüge
dahingehend ergänzt, dass die Abluftmenge in der Küche so hoch gewesen
sei, dass im gesamten Betrieb Unterdruck geherrscht habe. Weitere Ein-
zelheiten sind von den Beklagten nicht zu fordern. Werden wie hier Räume
zur Nutzung als Gastronomiebetrieb vermietet, kann eine unzureichende
Belüftung einen Mangel darstellen. Ebenso hätte das Berufungsgericht
auch über die von den Beklagten behauptete mangelnde Beheizbarkeit
der Räume die angebotenen Beweise erheben müssen. Die Darlegung der
Beklagten ist nicht deswegen unschlüssig, weil sie unvereinbar mit dem
Inhalt eines vorprozessualen Schreibens ist. Die Beklagten können nicht an
ihrer vorgerichtlichen Sachdarstellung festgehalten werden. Die Wider-
sprüche zwischen den verschiedenen Darstellungen, die die Beklagten
während des Prozesses abgegeben haben, sind nicht derart gravierend,
dass deswegen von einem nicht nachvollziehbaren oder unsubstantiier-
ten Vortrag, der der Beweisaufnahme nicht zugänglich ist, ausgegangen
werden könnte. Ein konkreter Sachmangel in Form einer nicht ausreichend
funktionierenden Heizungsanlage ist jedoch dann vorgetragen, wenn der
Mieter angibt, wann keine adäquaten Raumtemperaturen erreicht wurden.
Dies haben die Beklagten getan, indem sie konsistent vortrugen, es seien
in den Gasträumen in den Monaten Oktober 2011 bis Mai 2012 keine
Temperaturen von über 18°C erreichbar gewesen. Ebenso wenig sind die
Beklagten verpflichtet, die Ursachen der niedrigen Temperaturen genauer
zu benennen. Die Beklagten haben angegeben, es seien mit der vorhande-
nen Heizungs- und Lüftungsanlage keine höheren Temperaturen erreich-
bar gewesen. Dies allein ist ausreichend, um bei erfolgreichem Nachweis
von einem Sachmangel auszugehen.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
WEG §§ 23 Abs. 1, 24, BGB §§ 164 ff.
Versammlungsteilnahme
Ein Eigentümer, der sich durch einen Bevollmächtigten vertreten
lässt, darf nicht selbst an der Eigentümerversammlung teilnehmen.
OLG Schleswig, Urteil vom 19.4.2016, 2 Wx 12/16
Bedeutung für die Praxis
Wenn in der Gemeinschaftsordnung keine Regelungen zur Beschränkung
der Vertretung von Mitgliedern in den Eigentümerversammlungen existiert
(sog. Vertreterklauseln), dann darf sich der Eigentümer generell durch
einen oder auch mehrere (!) – diese zu bejahende Frage lässt das Gericht
allerdings offen - Dritte vertreten lassen (§§ 164 ff. BGB). Wenn der Eigen-
tümer allerdings selbst erscheint, muss der Verwalter als Versammlungs-
leiter den oder die Vertreter zum Verlassen der Versammlung bewegen.
Anderenfalls liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit
vor. Dieser dient dem Zweck, die Eigentümerversammlung von fremdem
Einfluss freizuhalten. Die Wohnungseigentümer sollen in ihrer Versamm-
lung auftretende Meinungsverschiedenheiten grundsätzlich allein unter
sich austragen. Würden sowohl der Vertretene als auch dessen Vertreter
(als anderes Ich) zugleich teilnehmen, läge eine Umgehung des Verbots,
Begleiter in die Versammlung mitzunehmen, faktisch vor.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 14 Nr. 1, 15, 21; BGB § 242
Taubenfüttern vom Balkon aus
Verstößt ein Wohnungseigentümer gegen die sich aus der binden-
den Hausordnung ergebenden Pflichten (hier: Verbot, Tauben zu
füttern), so stehen den beeinträchtigten anderen Eigentümern
Unterlassungsansprüche zu. Der Eigentümer verletzt das Rücksicht-
nahmegebot des § 14 WEG durch das Auslegen von Vogelfutter,
das Bereitstellen von Trinkwasserbehältern und das Aufstellen von
Behältern, die sich zum Nisten und Brüten zumindest eignen.
AG München, Urteil vom 23.9.2016, 485 C 5977/15
Bedeutung für die Praxis
Die Hausordnung darf Gebrauchsregelungen enthalten, die Auswirkungen
auf die Nutzung des Sondereigentums und von Sondernutzungsflächen
haben. Eine Vergemeinschaftung der Individualrechte ist durch einfachen
Mehrheitsbeschluss möglich, aber nicht erzwingbar. Die Hausordnung –
Dauerbrenner und kurioserweise immer noch die Nr. 1 in § 21 Abs. 5 WEG
– kann und muss der Verwalter nicht durchsetzen. Insoweit haben die sich
beeinträchtigt fühlenden Eigentümer gegen den Störer Individualansprü-
che, die sie auf eigene Kosten gestützt auf §§ 1004 BGB i. V. m § 14 Nr. 1
WEG auch gerichtlich geltend machen können.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG-RECHT