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5|2015
MARKT UND MANAGEMENT
Zukunft braucht Veränderung
Die Visionäre der „Instandhaltung 4.0“
Instandhaltungsmanagement benötigt nicht nur ein belastbares wirtschaftliches Fundament – um
künftigen Herausforderungen zu begegnen, braucht es auch Visionäre. Experten fordern, dass endlich
branchenweit agiert werden muss. Angesichts des Zustandes der Wohnungsbestände gibt es genug
zu tun. Eines jedenfalls haben die meisten Akteure schon verstanden: Vorausschauendes, nachhaltiges
Instandhaltungskostenmanagement wird künftig für den Unternehmenserfolg in der Wohnungs-
wirtschaft eine noch größere Rolle spielen als bisher. Eine Reise in die (nahe) Zukunft.
Visionen zu haben, das klingt nach Mystik und
Mittelalter. Heute, zu Beginn des 21. Jahrhun-
derts, sitzen jedoch viele Visionäre und Vorden-
ker in Chefsesseln, auch wenn Altbundeskanzler
Helmut Schmidt einst meinte, wer Visionen habe,
solle zum Arzt gehen.
Nur mit reinem Sachverstand ist es heute nicht
mehr getan. Selbst planvolles Handeln und Ziel-
strebigkeit reichen in unserer sich schnell verän-
dernden Welt nicht mehr aus. Wer die Tatsachen
nur sieht, wie sie sind, dem wird vielleicht Sach-
kenntnis attestiert, doch um ein Unternehmen
nachhaltig in die Zukunft zu führen, braucht es
inzwischen mehr. Kurz gesagt: Wer keine Vision
hat, wird bald von der Realität überholt werden.
Die Wohnungswirtschaft zwischen Vision
und Wirklichkeit
Doch was genau ist eine Vision? Prägend für
die meisten Ideen und Visionen ist eine positive
Grundhaltung. Bei der Darstellung von Visionen
wird die Vorstellung zugrunde gelegt, dass ge-
genwärtige und künftige Probleme lösbar seien.
Zudem fußen Visionen auf der Annahme, dass die
maßgeblichen Akteure Wertvorstellungen und
Verhaltensweisen zeigen, die nicht zu sozialen
Verwerfungen führen. Die Realität dagegen sieht
oft nüchterner aus: Die Wohnungswirtschaft in
Deutschland steht vor großen Herausforderun-
gen. Neben dem demografischen Wandel, der
energetischen Sanierung, veränderten Wohn-
wünschen, explodierenden Baukosten, der zu-
nehmenden Komplexität durch Technisierung und
Digitalisierung fehlt es besonders in Ballungsräu-
men an bezahlbaremWohnraum. Zudem ist auch
ein Großteil des Mietwohnungsbestandes in die
Jahre gekommen. So gibt es gerade bei der In-
standhaltung etliche Baustellen.
Es ist nicht so, dass die Wohnungswirtschaft
insgesamt ihren Anforderungen bei der Instand-
haltung nicht richtig nachkommen wäre. Eine
differenzierte Betrachtung ist jedoch hilfreich:
Ein Gebäude, das nur oberflächlich gewartet und
instandgehalten wurde, kann zwar immer noch
vermietet werden, aber nachhaltig oder gar wert-
erhaltend ist das Verhalten nicht.
Ein Einzelfall ist das nicht. Bei manchen Woh-
nungsunternehmen hat sich im Bereich des In-
standhaltungsmanagements diese jahrelange
Praxis eingeschliffen, da sie vermeintlich er-
folgreich ist und ohne Probleme läuft. „Ein hoch-
gefährlicher Ansatz!“, warnt Prof. Dr. Hansjörg
Bach, ehemaliger Prorektor der Hochschule für
Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen
(HfWU). Schönreden und Weichzeichnen bringe
die Branche jetzt nicht mehr weiter. Nun müsse
die Instandhaltung ein zentraler Punkt der Unter-
nehmensstrategie werden.
Bach sieht die bisherigen Bemühungen der Bran-
che mit einem lachenden und einem weinenden
Auge: Das Ziel, ein Benchmarksystem wie für
die Betriebskosten auch im Bereich Instandhal-
tungskosten zu entwickeln, haben er und seine
Mitstreiter von der Geislinger Konvention noch
nicht ganz erreicht. Aber sie sind dem Ziel schon
ein Stückchen näher gekommen.
Herausforderungen und Chancen eines
lukrativen Zukunftsmarktes
Auchwenn in Zeiten angespannter Budgets Prag-
matismus die Devise vieler Akteure ist, stellten
einige in der Branche bereits die richtigen Fragen:
Was ist das Visionäre bei der Instandhaltung? Wie
steht es um die entsprechenden Visionäre? Wer
kennt sich mit neuen Strategien, Prozessopti-
mierung und Organisation, Changemanagement,
Führung, Schulung und Training aus?
Ein intelligentes, zukunftsgerichtetes Instand-
haltungsmanagement zu implementieren, be-
deutet nicht mehr nur innovative Prozesse,
Technologien und Materialien zu etablieren.
Die größte Herausforderung in Richtung „In-
standhaltung 4.0“ ist nicht etwa nur digitaler,
prozessualer, ökonomischer oder personeller Na-
tur. Die Aufgabe ist vielschichtig und erfordert
Erfahrungen, Einfühlungsvermögen und einen
gesunden Menschenverstand – kurz: Ohne rich-
tige Führung ist die „Instandhaltung 4.0“ zum
Scheitern verurteilt.
Sechs bedeutende Akteure der Wohnungswirt-
schaft kommen daher auf den folgenden Seiten
zu Wort (S. 67 ff.) – und erklären, was aus ihrer
Sicht nachhaltiges Instandhaltungsmanagement
ausmacht, welche innovativen Elemente sie ver-
wenden. (weiter auf S. 70)
Beatrix Boutonnet
Wirtschaftsjournalistin
Rosenheim