DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 4/2015 - page 88

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RECHT
Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der
Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete
und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB befriedigt wird
oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet, keine An-
haltspunkte dafür vorliegen, dass es künftig erneut zu weiteren Zahlungs-
rückständen kommen wird und der Mieter sich auch im Übrigen keine
Verletzung von mietvertraglichen Pflichten zu Schulden hat kommen las-
sen, die gegen eine Fortsetzung des Mietverhältnisses sprechen würden.
Das berechtigte Interesse des Vermieters daran, nicht wiederholt in den
Kreislauf Zahlungsrückstand, Kündigung, Zahlung, zwangsweise Vertrags-
fortsetzung zu geraten, dem im Fall der fristlosen außerordentlichen
Kündigung durch § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 BGB Rechnung getragen wird,
wird dadurch berücksichtigt, dass für ein erfolgreiches Berufen auf den
Einwand des Rechtsmissbrauchs durch den Mieter keine Anhaltspunkte
dafür vorliegen dürfen, wonach es auch künftig erneut zu Zahlungsrück-
ständen kommen wird oder dass anderweitige erhebliche Gründe gegen
die Fortsetzung des Mietverhältnisses sprechen. Solche Anhaltspunkte
können sich etwa daraus ergeben, dass es bereits in der Vergangenheit zu
Zahlungsrückständen gekommen ist, die zu einer Kündigung geführt ha-
ben, und der Vertrag dann schließlich im Hinblick auf einen Ausgleich der
offenen Forderungen fortgesetzt worden ist. Die Revision
wurde zugelassen.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB §§ 276, 278, 286 Abs. 4, 535, 543 Abs. 1
Fristlose Kündigung wegen eines
Mietzahlungsverzugs des Mieters
1. Dem für einen Mietzahlungsverzug des Mieters gemäß § 286 Abs.
4 BGB erforderlichen Vertretenmüssen steht nicht entgegen, dass
er, um die Miete entrichten zu können, auf Sozialleistungen einer
öffentlichen Stelle angewiesen ist und diese Leistungen rechtzeitig
beantragt hat.
2. Kündigt der Vermieter in solch einem Fall gemäß § 543 Abs. 2 Satz
1 Nr. 3 BGB aus wichtigem Grund, findet eine Berücksichtigung von
persönlichen Umständen und Zumutbarkeitserwägungen grundsätz-
lich nicht statt.
BGH, Urteil vom 4.2.2015, VIII ZR 175/14
Bedeutung für die Praxis
§ 276 Abs. 1 Satz 1 BGB sieht vor, dass der Schuldner Vorsatz und Fahr-
lässigkeit zu vertreten hat, wenn eine strengere oder mildere Haftung
weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses
zu entnehmen ist. Eine solche strengere Haftung besteht aber nach all-
gemeiner Auffassung bei Geldschulden. Danach befreit eine Leistungsun-
fähigkeit aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten den Schuldner auch
dann nicht von den Folgen des Ausbleibens der (rechtzeitigen) Leistung,
wenn sie auf unverschuldeter Ursache beruht. Vielmehr hat jedermann
nach dem Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung ohne Rücksicht
auf ein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen.
Dieses Verständnis des Vertretenmüssens im Falle mangelnder finanziel-
ler Leistungsfähigkeit gilt auch für Mietzahlungspflichten. Soweit in der
Instanzrechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten oder jedenfalls
erwogen wird, ein Mieter, der Sozialleistungen einer öffentlichen Stelle
beziehe, genüge seinen Pflichten zur Beschaffung der zur Entrichtung der
Miete benötigten Geldmittel bereits dann, wenn er alles ihm Obliegende
und Zumutbare getan habe, um die öffentliche Stelle zur pünktlichen Zah-
lung der für seine Unterkunft geschuldeten Miete zu veranlassen, trifft
dies nicht zu. Zwar braucht sich ein hilfebedürftiger Wohnungsmieter die
Säumnis einer öffentlichen Stelle, die die Kosten seiner Unterkunft zu
übernehmen hat, nicht gemäß § 278 BGB als eigenes Verschulden zurech-
nen zu lassen. Denn eine Behörde, die im Rahmen der Daseinsvorsorge
staatliche Transferleistungen an einen Bürger erbringt, ist hierbei nicht
Erfüllungsgehilfe des Mieters zur Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtun-
gen gegenüber seinem Vermieter. Das ändert aber nichts
daran, dass der Mieter verschuldensunabhängig für seine
finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen hat.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1; GG Art. 2, 14
Attrappe einer
Video-Überwachungskamera
Mieter müssen keine Attrappe einer Video-Überwachungskamera im
Hauseingang und im Treppenhaus akzeptieren.
AG Frankfurt/Main, Urteil vom 29.1.2015, 33 C 3407/14 (n. rkr.)
Bedeutung für die Praxis
Sowohl die Installation von Videokameras als auch die Installation von
Kameraattrappen im Hauseingangsbereich stellen einen Eingriff in
das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mieters dar. Bereits die mit
der Anbringung einer Attrappe verbundene Androhung der ständi-
gen Überwachung der Bewegung des Mieters und seiner Besucher im
Hauseingangsbereich stellt eine Beeinträchtigung seiner allgemeinen
Handlungsfreiheit dar, die nur unter besonderen Umständen zu rechtfer-
tigen ist. Zwar hat die Vermieterin grundsätzlich das ebenfalls durch Art.
14 GG in der Verfassung verankerte Recht, geeignete und erforderliche
Maßnahmen zum Schutz ihres Eigentums zu ergreifen. Vorliegend ist
jedoch nicht dargetan, dass die Installation von Kameras oder Attrappen
tatsächlich geeignet und erforderlich wäre, um eine drohende Beschä-
digung von Eigentum der Vermieterin zu verhindern. Diese hat hierzu
lediglich allgemein vorgetragen, die Kameras dienten zur Abschreckung
vor Vandalismus und Einbruchsdiebstahl und erhöhten die
allgemeine Sicherheit um das Haus.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
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