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4|2015
WEG §§ 10 Abs. 6 S. 3 Halbs. 2, § 15 Abs. 3; BGB § 1004
Geltendmachung von Unterlassungs
ansprüchen durch den Verband
Zieht die Wohnungseigentümergemeinschaft die Durchsetzung von
Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüchen wegen Störungen
des Gemeinschaftseigentums durch Mehrheitsbeschluss an sich, so
begründet sie damit ihre alleinige Zuständigkeit für die gerichtliche
Geltendmachung.
BGH, Urteil vom 5.12.2014, V ZR 5/14
Bedeutung für die Praxis
Der Reform-Gesetzgeber wollte – anders als jetzt der BGH - neben der
Klage des Verbandes auch Individualklagen zuzulassen.
Klagt etwa allein ein Eigentümer auf Unterlassung, so muss er den
Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären, sobald eine Verge-
meinschaftung per Beschluss erfolgt. Anderenfalls treffen ihn die Kosten
des Verfahrens.
Wenn der Verband nach dem „Ansichziehen“ untätig bleibt, kommen zwei
Szenarien in Betracht:
1. Wurde die Vorschussanforderung des Anwalts nicht bezahlt, kann der
beeinträchtigte Eigentümer den Vorschuss vorfinanzieren.
2. Wenn der Verwalter für den Verband nicht einmal einen Anwalt manda-
tierte, muss - ggf. gerichtlich - durchgesetzt werden, dass der Verband
seinen Beschluss umsetzt.
Diese Vergemeinschaftung mit gleichzeitigem Entzug der Klagebefug-
nis kann für den Einzelnen auch einen Vorteil bedeuten, weil dann der
Verband auf aller (auch des Störers) Kosten den Rechtsstreit
führen wird.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG § 46
Auslegung von Klageanträgen bei der Beschlussanfechtung
Auch bei einer Beschlussanfechtungsklage darf die Auslegung des
Klageantrags - wie allgemein im Prozessrecht - nicht am buchstäb-
lichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern hat den wirklichen Willen
der Partei zu erforschen; nur wenn sich das Rechtsschutzziel des
Klägers auch durch die gebotene Auslegung unter Einbeziehung der
gesamten Klageschrift nicht eindeutig ermitteln lässt, gehen die
verbleibenden Unklarheiten zu seinen Lasten.
BGH, Urteil vom 12.12.2014, V ZR 53/14
Bedeutung für die Praxis
Bereits aus der fristgerecht erhobenen Anfechtungsklage muss sich
ergeben, welche konkreten Beschlüsse angefochten werden sollen. Wenn
im BGH-Fall unter Verwendung des Plurals erklärt wird, dass die „zu TOP
4 und TOP 6 gefassten Beschlüsse“ gemeint seien, ist dies sicher nicht
eindeutig. Es soll dem Kläger zugutekommen, wenn er in der Klageschrift
mitteilt, dass er selbst bei der Versammlung nicht anwesend war; die
Klage sei dahin auszulegen, dass er auch einen ihm gegebenenfalls unbe-
kannten Beschluss anfechten wollte.
Insoweit ist nicht der bloße Wortlaut des Klageantrags, sondern das
erkennbare Rechtsschutzbegehren des Anfechtenden bedeutsam.
In der Regel muss der Anfechtende aber damit rechnen, dass „die verblei-
benden Unklarheiten immer zu seinem Rechtsnachteil“ führen.
Wegen der Beschluss-Sammlung (§ 24 Abs. 7 S. 7 WEG) kann und muss
sich aber – nach der Instanzrechtsprechung - auch der nicht Anwesende
über die gefassten Beschlüsse informieren (vgl. bereits LG München I,
NZM 2008, 410).
Unpräzise Klageanträge sind nicht selten. Wieder einmal soll das Gericht
dem Anfechtenden unter die Arme greifen. Schon bisher hat der BGH auf
dieser Linie judiziert und etwa unzulässig auf Teile einer Jahresabrech-
nung beschränkte Anträge als gegen die gesamte Abrech-
nung gerichtet ausgelegt (vgl. BGH ZMR 2013, 212).
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG § 14 Abs. 4; BGB § 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2
Hauswasseranschluss und Haupt-
wasserzähler im Sondereigentum
Befinden sich Hauswasseranschluss und Hauptwasserzähler in ei-
nem Kellerraum, der zum Sondereigentum eines Wohnungseigentü-
mers gehört, so stellt dies in der Regel keinen Mangel am Gemein-
schaftseigentum dar. Hingegen kann mit dieser baulichen Situation
ein Mangel am Sondereigentum gegeben sein.
OLG Bremen, Urteil vom 12.12.2014, 2 U 54/14
Bedeutung für die Praxis
Hier geht es mal nicht um die sachenrechtliche Abgrenzung von Sonder-
und Gemeinschaftseigentum, sondern um die entsprechende Zuordnung
eines vorhandenen Mangels.
Das Gericht verneint hier einen solchen Mangel für das erstellte Gemein-
schaftseigentum, obwohl der Verband - vertreten durch den Verwalter -
keinen unmittelbaren Besitz an den dem Gemeinschaftseigentum unter-
liegenden für die Verwaltung wichtigen Gegenständen (dem Hauswas-
seranschluss und dem Hauptwasserzähler) hat. Der Hinweis auf das Be-
tretungsrecht (vgl. § 14 Nr.4 WEG) für den Raum des Sondereigentümers
überzeugt nicht. Ginge es etwa um die Heizungsanlage, wäre schnell klar,
dass auch der Gemeinschaft gegenüber der unmittelbare Zugriff auf die
Anlage und nicht nur ein Anspruch auf Betreten des Sondereigentums, in
dem die Anlage steht, die vertraglich geschuldete Leistung
beinhaltet.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG-RECHT