CONTROLLER Magazin 5/2016 - page 78

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fischen Fachkenntnisse im Controlling und
kann daher als Bewusstseinsinstrument für
alle Mitarbeiter dienen.
Die WBR schafft die Rahmenbedingungen für
eine Führung, die sich an den Bedürfnissen des
Kunden orientiert, indem sie Gestaltungsfrei-
räume aufzeigt und Reflexionsmöglichkeiten
bietet. Damit die WBR ihr Wirkungspotenzial al-
lerdings voll entfalten und sinnvoll wirken kann,
bedarf es einer
entsprechenden Führung
, die
Freiräume und Möglichkeiten, die durch die
WBR aufgezeigt werden, auch zulässt
und von
autoritären Methoden und hierarchischen
Strukturen „loslassen“ kann.
Dann kann die
WBR wiederum eine entsprechende Kultur im
Unternehmen fördern.
Literatur
Chiapello, È.: Die Konstruktion der Wirtschaft
durch das Rechnungswesen, in: Diskurs und
Ökonomie. Diskursanalytische Perspektiven
auf Märkte und Organisationen, S. 49-78,
Springer: Wiesbaden, 2015
Dietz, K.-M. & Kracht, T.: Dialogische Füh-
rung. Grundlagen – Praxis Fallbeispiel: dm-dro-
gerie markt, Campus: Frankfurt/Main, 2007
Rehn, G. E. : Aus Erkenntnis zu einer Haltung
gelangen, in: Haltung zeigen. Gut führen.,
S. 26-29., IfP: Köln, 2014
Sieben, B.: Der linguistic turn in der Manage-
mentforschung, in: Diskurs und Ökonomie. Dis-
kursanalytische Perspektiven auf Märkte und
Organisationen, S. 49-78, Springer: Wiesba-
den, 2015
Vollmer, H.: Folgen und Funktionen organi-
sierten Rechnens, in: Zeitschrift für Soziologie,
2014, S. 450-470.
Fußnote
1
Ein einführender Beitrag dieses Artikels er-
schien unter dem Titel „Buchführung als Spie-
gel der Wirklichkeit“ im Controller Magazin
März/April 2016. Dieser Folgeartikel baut auf
den Erkenntnissen des ersten Beitrages auf, ist
aber auch ohne Kenntnis des Einführungsbei-
trages nachvollziehbar.
Unterstützung durch die Unternehmens-
führung bedarf.
°
Für Führungskräfte beinhaltet der konse-
quente Wandel der Führungskultur große
Herausforderungen, da das Zutrauen in die
Mitarbeiter
eine Abgabe von Verantwor-
tung und das Loslassen von Kontrolle
verlangt.
Stimmen aus der Praxis
Mit der WBR ist es Alnatura und dm – droge-
rie markt gelungen, ein Recheninstrument ein-
zuführen, das die unternehmensweite Zusam-
menarbeit und einen bewussten Umgang mit
Zahlen fördert. Denn „erst wenn der Mitarbei-
ter weiß, welche finanziellen Auswirkungen
sein Handeln hat, kann er das Unternehmen
ganzheitlich begreifen und eigenverantwortlich
im Sinne des Kunden tätig werden“, so Roland
Smigerski, Controller bei Alnatura.
„Aus die-
sem Grund ist die WBR weitaus mehr als
eine normale Ergebnisrechnung: Sie zeigt
Arbeitszusammenhänge auf und ver-
schafft dem Mitarbeiter ein Verständnis
für die Wertschöpfungsprozesse des Un-
ternehmens.“
Die langjährige Erfahrung der beiden Unter-
nehmen mit dem Führungsinstrument zeigt,
dass die WBR als „Wahrnehmungsoberfläche“
das kundenorientierte Denken und Handeln der
Mitarbeiter in hohem Maße unterstützt.
Die
Transparenz des Zahlenwerks und die in-
nerbetriebliche Berechnung von Leistun-
gen führen dazu, dass sich auch eine inter-
ne Kundenorientierung entwickeln kann:
„Durch die WBR sehen mein Team und ich,
welche Leistungen in der Zentrale für unsere
Filiale angefallen sind. Dadurch beginnt man,
die Leistungen seiner Kolleginnen und Kollegen
aus dem südhessischen Bickenbach mehr zu
schätzen und Unternehmensprozesse ganz-
heitlich zu begreifen: Waren müssen einge-
kauft, Sortimente gestaltet, Kassensysteme
gewartet und Mitarbeiterdaten verwaltet wer-
den, damit das Geschäft mit dem Kunden rei-
bungslos verlaufen kann“, so Stefan Baumann,
Marktleiter aus dem Alnatura Super Natur
Markt in Bonn-Beuel. Im Gegensatz zu vielen
komplex aufgebauten Controlling-Instrumen-
ten erfordert die WBR vom Nutzer keine spezi-
kultur, die das Bewusstsein der Mitarbeiter und
ihre Selbstständigkeit unterstützt, durch das
Controlling in allen Unternehmensbereichen zu
fördern und einen bewussten Umgang mit Zah-
len zu ermöglichen. In diesem Kontext vermei-
det sie viele initiativhemmende und bürokra-
tisch kontrollierende Wirkungen der heute gän-
gigen Controlling-Praxis:
°
Statt der Verfolgung von Kosten würdigt die
WBR die erbrachten Leistungen. Damit
wendet sie sich, anders als die Prozesskos-
tenrechnung, dem Kunden und seinen Be-
dürfnissen zu und fördert ein Bewusstsein
dafür, Leistungen immer an den Kunden
auszurichten.
°
Leistungsströme im Unternehmen wer-
den nicht zwischen Kostenstellen ver-
rechnet, sondern in den Leistungskata-
logen transparent und verständlich abge-
bildet. Damit können sie auch bespro-
chen und produktiv verhandelt werden
,
wobei der Fokus auf der Sinnhaftigkeit und
der Qualität der Leistungen liegt. Die kun-
denorientierte Haltung, die auch im Hinblick
auf intern füreinander und miteinander leis-
tende Bereiche entsteht, kann zu der be-
reichsübergreifenden Bemühung führen, die
Leistungen in möglichst hoher Qualität bei
gleichzeitig niedrigen Preisen weitergeben
zu können. Es fördert eine interne und ex-
terne Kunden-Lieferanten-Beziehung, die
sich durch wechselseitige Wertschätzung
und Zutrauen ausdrückt.
°
Die Transparenz und Verständlichkeit der
WBR führt zu einem Bewusstsein für die
wirtschaftlichen Auswirkungen und Einflüs-
se des eigenen Handelns.
Damit dient sie
allen Mitarbeitern als langfristiges Lern-
instrument.
Neben diesen Potenzialen bringt die Arbeit mit
der WBR als Instrument der Zusammenarbeit
einige Herausforderungen mit sich:
°
Die mit dem Instrument verbundene
radi-
kale Dezentralisierung von Entschei-
dungen
kann dazu führen, dass Mitarbei-
ter mit der neu gewonnenen Freiheit, die
auch Verantwortung mit sich bringt, nicht
umzugehen wissen oder umgehen wollen
und nach vorgegebenen Zielen oder Regeln
suchen. Selbst in eine unternehmerische
Haltung zu treten, ist ein schrittweiser
Lernprozess der Mitarbeiter, welcher der
Erkenntnis fördern, Haltung gewinnen
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