wirtschaft und weiterbildung 10/2015 - page 14

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wirtschaft + weiterbildung
10_2015
INTERVIEW.
Organisationen sollten sich rasch ändern,
sodass die Arbeitnehmer vernetzter miteinander arbeiten
können, fordert Dr. Wolfgang Fassnacht, Personalleiter
beim Walldorfer Softwarehersteller SAP für die Region
Deutschland, Österreich und Schweiz. Der Personalexperte
wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass Komplexität und
Agilität derzeit die größten Herausforderungen in unserer
Arbeitswelt sind.
Der 46-jährige Wolfgang Fassnacht, SAP-Personalleiter für
Deutschland, Österreich und Schweiz, ist für rund 18.000 Mit-
arbeiter verantwortlich. Er kam bereits 2001 als Schulungsre-
ferent zu SAP und übernahm im Laufe der Zeit verschiedene
globale Funktionen im Produktmanagement, bis er 2008 als
Global HR Business Partner zu HR wechselte. Zuletzt hat er als
Leiter des HR-Teams für Products & Solutions in Deutschland
maßgeblich zum Erfolg der Personalarbeit bei SAP beigetragen.
Wolfgang Fassnacht hat an der Universität Freiburg im Fach
Wirtschaftsgeschichte promoviert und ist zertifizierter Coach.
Manager klagen über steigende Komplexität. Lässt sich
Komplexität reduzieren?
Wolfgang Fassnacht:
Mehr als die Komplexität zu reduzieren,
kann man durch eine größere Vernetzung der einzelnen Mit-
arbeiter einen anderen Umgang mit Komplexität etablieren.
Dazu müssen wir Strukturen schaffen, in denen Menschen
mehr Freiräume haben. Mit einem weniger hierarchischen
Führungsstil erübrigen sich viele Prozesse, die auf Kontrolle
ausgerichtet sind oder Statusreports erfordern. Da fällt richtig
etwas weg, wenn man die Entscheidungsprozesse vereinfacht.
Im Zusammenhang mit der „Industrie 4.0“ müssen wir wieder
dahin kommen, dass die einzelnen Mitarbeiter in hoch quali-
fizierten Jobs die gesamte Wertschöpfungskette verstehen und
verantworten, während die Arbeit früher durch Arbeitsteilung
geprägt war.
Foto: SAP AG/Wolfgang Scheible
Lernen, mit der
Komplexität anders
umzugehen
SAP-Headquarter.
In der Zentrale der
SAP mit Sitz im baden-
württembergischen Walldorf ist
bereits die Eingangsarchitektur
kommunikationsfördernd.
Welche Beispiele können Sie uns aus dem Bereich der SAP
geben?
Fassnacht:
Wir haben zum Beispiel die Softwareentwicklung
komplett umgestellt. Früher hatten wir die Wasserfallmethode:
„Chief Architects“ haben sich ein neues Produkt ausgedacht
und ein paar Monate am Design gewerkelt und dann eine grö-
ßere Entwicklungsmannschaft angeleitet. Sie haben Arbeitspa-
kete in einzelne Teams gegeben, die diese abgearbeitet haben.
Am Ende wurde die Software aus vielen Einzelpaketen zusam-
mengesetzt. Mit diesem Vorgehen haben wir etwa 18 Monate
für ein neues Release gebraucht. Heute arbeiten wir mit Scrum
beziehungsweise mit agiler Softwareentwicklung. Wir haben
„Teams of ten“ gebildet, die so viel Wissen im Team haben,
dass sie selbst größere Teile eines Produkts komplett bauen
können. Im „Team of ten“ sitzen sieben Entwickler, ein Quality
Ingenieur, einer, der die Dokumentation dafür schreibt und
eine Person, die sich um das so genannte User Interface (UI)
kümmert, der UI-Designer. Diese Teams haben die einzige Vor-
gabe, innerhalb von vier Wochen ein Stück brauchbare Soft-
ware zu liefern. Wie sie das schaffen, bleibt ihnen überlassen.
Aus diesen Teamleistungen bauen wir die Produkte zusam-
men. Damit haben wir die Laufzeit von 18 Monaten auf drei
bis vier Monate reduziert. Unsere Erfahrung damit ist, dass die
Mitarbeiter zufriedener sind, weil sie wissen, woran sie arbei-
ten, weil sie verstehen, wie ihr Teilprodukt funktioniert und
wie es beim Kunden ankommt.
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