PERSONALquarterly 3/2016 - page 14

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PERSONALquarterly 03/16
SCHWERPUNKT
_ENTGRENZTES ARBEITEN
H
omeoffice-Arbeit ist ein Instrument der Personal-
politik, das den betroffenen Arbeitnehmern die
Freiheit einräumt, ihre Arbeit auch außerhalb des
Betriebs zu erledigen (nämlich zu Hause) sowie
die eigenen Arbeitszeiten flexibel über die Wochentage zu
verteilen. Insofern stellt Homeoffice-Arbeit einerseits ein
Instrument zur Stärkung der Mitarbeiterautonomie dar und
ermöglicht andererseits auch die Koordination beruflicher
Verpflichtungen mit familiären Angelegenheiten (Bailey/Kur-
land, 2002). Die Verbreitung von Homeoffice-Arbeit liegt in
Deutschland allerdings unter dem EU-Durchschnitt und ist
zudem eher rückläufig. Betrachtet man lediglich die nicht-
selbstständig Beschäftigen und schließt Selbstständige, Aus-
zubildende sowie Ein-Euro-Jobber aus, so liegt der Anteil der
Beschäftigten, die zumindest gelegentlich von zu Hause aus
arbeiten, in Deutschland im Jahr 2014 bei etwa 8% und damit
etwa 2% unterhalb des EU-Durchschnitts. Europäische Spit-
zenreiter in Sachen Homeoffice-Arbeit sind Island, Luxem-
burg und Großbritannien sowie die skandinavischen Länder
Schweden, Dänemark und Finnland; allesamt mit jeweils
mindestens 20% Beschäftigtenanteil. In Island arbeiten sogar
deutlich mehr als 30% der Arbeitnehmer von zu Hause aus
(Brenke 2014, 2016).
Offenbar existieren in Deutschland mehr als in anderen Län-
dern gewisse Bedenken gegen die Einrichtung von Homeoffice-
Arbeit. Möglicherweise befürchtet mancher Arbeitgeber, dass
seine Mitarbeiter weniger produktiv arbeiten, wenn die Arbeit
an einem Ort stattfindet, der nicht mehr unter der unmittel-
baren Kontrolle des Arbeitgebers ist. Ein anderes Argument be-
trifft die soziale Isolation, der gerade Arbeitnehmer mit einem
hohen Homeoffice-Arbeitspensum ausgesetzt sein könnten.
In diesem Fall könnte beispielsweise die firmeninterne Kom-
munikation leiden. Beide Argumente jedenfalls wurden als
Begründung für die Rücknahme von Homeoffice-Arbeit beim
Internet-Konzern Yahoo im Jahre 2013 genannt (Miller/Perl-
roth, 2013).
Dagegen steht die Überlegung, dass Homeoffice-Arbeit als
Instrument zur Stärkung der Mitarbeiterautonomie positive
Auswirkungen auf die Motivation der Mitarbeiter hat und da-
mit auch deren Leistungsbereitschaft und Produktivität fördert
Arbeit im Homeoffice: Förderung der Arbeits-
bereitschaft oder Einladung zum Faulenzen?
Von
Kira Rupietta
und
Prof. Dr. Michael Beckmann
(Universität Basel)
(Bélanger, 1999). In diesem Spannungsfeld bewegt sich die em-
pirische Forschung zur Geeignetheit des personalpolitischen
Instruments der Homeoffice-Arbeit.
Pro und Kontra von Homeoffice-Arbeit
Wie eigentlich alle personalpolitischen Instrumente weist
auch die Implementierung von Homeoffice-Arbeit nicht nur
Chancenpotenziale, sondern auch Risiken auf (Mann/Holds-
worth, 2003, S. 197-199; Bloom et al., 2015). Bereits erwähnt
wurde der erwartete Produktivitätsvorteil, der sich durch
die verstärkte Autonomie am Arbeitsplatz und eine daraus
folgende verbesserte intrinsische Motivation der Mitarbei-
ter erklären lässt. Dieses Argument ist sicher von zentraler
Bedeutung und ein wesentlicher Bestandteil diverser theo-
retischer Erklärungsansätze, wie z.B. der Self-Determination
Theory (Deci/Ryan, 1985) oder dem Job-Characteristics Model
(Hackman/Oldham, 1976). Darüber hinaus kann die Arbeit-
nehmerproduktivität imHomeoffice-Fall auch über verringer-
te Unterbrechungen des Arbeitsablaufs, längere Arbeitszeiten
oder eine nach individuellen Bedürfnissen gestaltete Arbeits-
zeiteinteilung gesteigert werden. Homeoffice-Arbeitnehmer
können außerdem von einer verbesserten Work-Life-Balance,
einer flexibleren Arbeitsgestaltung oder auch durch redu-
zierte Zeiten und Kosten beim Arbeitsweg profitieren. Für
den Arbeitgeber können sich neben einer gestiegenen Mit-
arbeiterproduktivität auch Kostenvorteile ergeben. Hier ist
vor allem an Kontrollkosten zu denken, die entfallen, wenn
die Arbeitnehmer außerhalb des Firmengebäudes arbeiten.
Es können aber auch Kosten für Büroflächen oder Heiz- und
Energiekosten eingespart werden. Schließlich könnte ein Un-
ternehmen über das Angebot von Homeoffice-Arbeit auch sei-
ne Attraktivität als Arbeitgeber steigern und neue Mitarbeiter
gewinnen bzw. die Fluktuation von bestehenden Mitarbeitern
einschränken.
Das Hauptargument gegen den Einsatz von Homeoffice-
Arbeit vonseiten der ökonomischen Theorie besteht in dem
Anreiz der betroffenen Arbeitnehmer, ihren gewonnenen
Handlungsspielraum außerhalb der direkten Kontrolle des Ar-
beitgebers zu missbrauchen, indem Leistung zurückgehalten
wird (Aghion et al., 2013, S. i40). Ein weiteres Risiko besteht in
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