DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 6/2015 - page 69

67
6|2015
Herr Kaiser, welche Zukunftsthemen, die die
Bestandsentwicklung des SWW betreffen,
bewegen Sie derzeit und was erhoffen Sie
sich davon, diese Themen anzugehen?
Ganz wichtige sind für uns die Quartiersentwick-
lung verbunden mit barrierearmen Zugängen
sowie eine schnelle Internetanbindung, die bei
uns im Oberallgäu leider noch „stiefmütterlich“
ist. Wir erhoffen uns von dem epiqr-Modell, das
wir seit 2012 intensiv nutzen, gute strategische
Entscheidungshilfen zu bekommen. Insbesondere
die Kriterien, die wir für die Standortqualität ent-
wickelt haben, sind hierbei hilfreich.
Warum sind zukunftsorientierte
Entscheidungen wichtig für den Bestand?
Sie sollen schlicht und einfach die Existenz des Un-
ternehmens nachhaltig sichern. Was würde es uns
helfen, wennwir ohne Kenntnisse der Bedürfnisse
unserer Kunden Entscheidungen treffen würden?
Die größte Anzahl der Gebäude wurde zwischen
1950 und 1965 errichtet: Grundrisse, Barriere-
freiheit, Höhen, energetische Bilanz oder mediale
Versorgungwaren damals völlig anders bewertet.
Die Entwicklung von Normstrategien für mögliche
Investitionsentscheidungen unterstützt uns bei ei-
ner nachhaltigen Entwicklung des Bestandes sehr.
Wie genau und wie umfassend müssen
die Ergebnisse sein? Reicht eine erste
Grobeinschätzung?
Wir arbeiten mit einer rollierenden Planung, die
mit dem Aufsichtsrat abgestimmt ist. Die kurz-
fristige Planung ist sehr genau und wird mittels
Quartalsberichten gegenüber den Aufsichtsgre-
mien kommuniziert. Die mittel- und langfristige
Planungwirdmit Grobeinschätzungen vorgenom-
men und einmal im Jahr angepasst. Für die stra-
tegischen Entscheidungen sind Grobeinschätzun-
gen ausreichend, wenn sie immer wieder mit den
aktuellen Daten abgeglichen und entsprechend
angepasst werden.
Woran messen Sie Ihren Erfolg?
Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir mit
unserem Portfolio fast über ein Alleinstellungs-
merkmal im südlichen Oberallgäu verfügen. Wir
vergleichen uns mit anderen wohnungswirt-
schaftlichen Unternehmen über die zur Verfügung
gestellten wohnwirtschaftlichen Benchmarks des
VdW Bayern. Aber wichtiger als das Messen des
Erfolgs gegenüber anderen ist unsere Herausfor-
derung, die heißt: Wir müssen den gravierenden
Veränderungen der Wohnungswirtschaft mit
strukturiertem Wandel begegnen. Dabei hilft
uns ein von CalCon auch mit epiqr unterstützter
Maßnahmenplanungs- und Budgetierungspro-
zess. Denn wir möchten, dass wir unsere Kunden
mit Topleistungen überraschen können und unser
Geld wert sind!
Herr Kaiser, vielen Dank für das Interview!
Die Fragen stellte Jan Volker.
Interview mit Martin Kaiser
Für strategische Entscheidungen sind
Grobeinschätzungen ausreichend.
Das Sozial-Wirtschafts-Werk des Landkreises Oberallgäu Wohnungsbau GmbH
(SWW Oberallgäu) wurde 1947 gegründet und hat heute gut 3.600 eigene
Mietwohnungen im Bestand. Für die Bestandsentwicklung und strategische
Entscheidungsprozesse werden Daten benötigt. Der Geschäftsführer des
SWW Oberallgäu erklärt, um welche es hier geht.
und ständigwachsende Datenbasis zurück, die aus
diversen Untersuchungen, Forschungsprojekten
und angewandten Systemen zur Verfügung steht.
Diese kann durch unternehmensindividuelle Da-
tenquellen des Kunden ergänzt werden. Dieses
Vorgehen liefert ausreichend genaue Ergebnisse
für eine erste Priorisierung. Darauf aufbauend
kann das Modell in einem fortlaufenden, dyna-
mischen Prozess mit zusätzlichen Daten weiter
ausdifferenziert werden; für jedes Unternehmen
individuell und situationsspezifisch.
Handlungsempfehlungen nach Maß
Mit Hilfe einer multidimensionalen Entschei-
dungsmatrix werden die gewählten Faktoren
so verdichtet, dass für jedes Gebäude eine klare
Bewertung abgeleitet werden kann.
Das Ergebnis kann je nach Komplexität für den
gesamten Bestand in einem Diagramm an-
schaulich visualisiert werden. Darin lässt sich
mühelos ablesen, wie die einzelnen Immobilien
abgeschnitten haben und welche Strategie ver-
folgt werden sollte. Die detaillierte Auflistung
der einzelnen Indikatoren ermöglicht es dann,
konkret nachzuvollziehen, warum ein Gebäude
z. B. als nicht barrierefrei oder energieeffizi-
ent eingestuft worden ist und welche weiteren
Schritte somit sinnvoll sind.
Diese Methode verschafft Unternehmen die not-
wendige Transparenz über ihren Bestand, um zu
erkennen, wieman – etwa bezüglich der Zukunfts-
themen – bisher aufgestellt ist, inwiefern Hand-
lungsbedarf hinsichtlich der Unternehmensziele
besteht und wo genau angesetzt werden muss,
um diese zu erreichen.
Auch hinsichtlich der strategischen Planung
lassen sich mit diesem Wissen komplexe Ent-
scheidungen vergleichsweise einfach ableiten,
beispielsweise ob bei einem Gebäude, das die
Anforderungen bisher nicht erfüllt, Investition
oder Desinvestition die wirtschaftlichere Alter-
native darstellt. So gelingt es, den richtigen Weg
einzuschlagen und Immobilien derart zu entwi-
ckeln, dass sie zukünftigen Herausforderungen
gewachsen sind.
1...,59,60,61,62,63,64,65,66,67,68 70,71,72,73,74,75,76,77,78,79,...92
Powered by FlippingBook