wirtschaft und weiterbildung 10/2018 - page 64

grundls grundgesetz
Boris Grundl
64
wirtschaft + weiterbildung
10_2018
Verantworten Sie Sieg und Niederlage lieber alleine
oder schätzen Sie es mehr, wenn Verantwortungen
geteilt und Herausforderungen gemeinsam gemeis­
tert werden? Drei hilfreiche Unterscheidungen
liefern Orientierung: In einem Dreieck steht an der
einen Ecke der, der alles allein erarbeiten und ver­
antworten möchte – der Einzelkämpfer. Sein Extrem
gegenüber geht ganz in seiner Arbeitsgruppe auf
und möchte alle Verantwortung teilen – der Team­
player. An der dritten Ecke steht der Mischtyp – der
klassische Manager.
Die beiden mentalen Pole dieses Spektrums lauten
unabhängiger und kooperativer Arbeitsstil. Beteili­
gung liegt dazwischen. Auf der einen Seite steht der
Wille, alleine zu arbeiten und Verantwortung zu tra­
gen. Diese Menschen regenerieren am schnellsten
in der Stille. Es sind Meeting-Hasser. Wer so tickt,
verliert schnell den Faden und damit Produktivität,
wenn zu viele Köche den Brei verderben. Er vergisst
auch, andere um Rat zu fragen oder zu informieren,
wenn es an der Zeit ist. In der Unabhängigkeit reprä­
sentiert sich das Ich.
Auf der anderen Seite steht der Wille, sich mit ande­
ren auszutauschen und Verantwortung zu teilen.
Hier leidet die Produktivität durchs Alleinsein. In
Meetings blühen diese Menschen auf, Gesellschaft
schenkt ihnen Energie. Sie wollen alle Aufgaben
mit anderen zusammen erledigen und fühlen sich
erdrückt, wenn sie alleine Verantwortung tragen
sollen. Im kooperativen Stil erwacht das Wir zum
Leben. In der Beteiligung fühlen sich Menschen
wohl, die in einer Mannschaft eine tragende Rolle
einnehmen können, wie Spielmacher beim Fuß­
ball etwa oder der Fahrer im Motorsportteam. Sie
brauchen andere, die in ihrer Nähe mitarbeiten und
klare Verantwortlichkeiten, um produktiv und moti­
viert zu sein. Tragen sie alles allein oder komplett
geteilt, verlieren sie Produktivität. Diese Menschen
eignen sich besonders für Führung und Manage­
ment. Bei ihnen wissen alle Mitarbeiter, wofür sie
verantwortlich sind.
Ein Urteil, welcher Typ besser ist, wäre falsch. Wün­
schenswert wäre der geniale Erfinder im Stillen
(Einzelkämpfer), der seine Ideen zur Umsetzung
von Herzen mit einem Team teilt (Teamplayer), um
dieses zugleich klug und besonnen zu führen (Betei­
ligung) – also Transformation auf höchster Ebene.
Das sind seltene, hoch entwickelte Verantwortungs­
umgangsexemplare. Klüger ist es, zu verstehen,
welcher Verantwortungsstil einen Menschen im
Kern inspiriert, um ihn möglichst oft so einzusetzen.
Wie bei allen Differenzierungen nutzt uns im Alltag
kein Richtig oder Falsch. Jeder Mensch hat seinen
Mix, und die meisten liefern gute Ergebnisse, wenn
sie ihren Stil erkennen und bewusst leben.
Wer jedoch einen deutlichen Entwick­
lungssprung machen will, sollte alle Ecken
des Dreiecks beherrschen lernen.
Ein langer Weg. Die scheinbaren Gegen­
sätze lösen sich auf. Hohe geistige Fle­
xibilität erzeugt ein höheres Niveau an Wirkung.
Wie das funktioniert? Wieder beginnt es mit der
Einsicht, der Erkenntnis, hoffentlich gefolgt von der
nötigen Reflexion, dem Üben, Tun und Leisten auf
höherem Niveau und dann wieder von vorn. Das
kann richtig Freude machen – jenen Menschen,
die Lernen, Wachstum und Entwicklung glücklicher
machen als Selbstbestätigung und Dominanz. Wel­
cher Verantwortungstyp sind Sie, und wie können
Sie selbst noch klüger mit Verantwortung umgehen?
Paragraf 69
Achte auf die Art
der Verantwortung
Boris Grundl ist Managementtrainer und Inhaber der Grundl Leadership Akademie, die Unternehmen befähigt, ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden.
Er gilt bei Managern und Medien als „der Menschenentwickler“ (Süddeutsche Zeitung). Sein jüngstes Buch heißt „Verstehen heißt nicht einverstanden sein“ (Econ
Verlag, Oktober 2017). Boris Grundl zeigt, wie wir uns von oberflächlichem Schwarz-Weiß-Denken verabschieden. Wie wir lernen, klug hinzuhören, differenzierter
zu bewerten, die Perspektiven zu wechseln und unsere Sicht zu erweitern.
Wünschenswert wäre der geniale
Erfinder im Stillen, der seine Ideen zur
Umsetzung mit einem Team teilt.
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