editorial
wirtschaft + weiterbildung
10_2016
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Lucy Kellaway, Kolumnistin der britischen „Financial Times“ (FT),
berichtete in der FT-Wochenendausgabe vom 10. September 2016, dass
sie sehr überrascht gewesen sei, welcher FT-Artikel kürzlich für die
größte Leserresonanz seit Langem gesorgt habe. Es war ein Text, in dem
es um die Frage ging, ob britische Investmentbanker während der Arbeit
braune Schuhe tragen dürfen. Die Antwort: In jedem anderen
europäischen Land sei das in Ordnung, aber in London sei das völlig
undenkbar, ein „Big No-No“ eben.
Die Investmentbanker in der Londoner City sind ein elitärer Zirkel.
Offenbar gehen die Personaler, die dort arbeiten, davon aus, dass ein
Bewerber, der über eine erstklassige Herkunft verfügt, es eher schafft,
den Kunden der Bank etwas zu verkaufen. Um die Bewerber aus der
Unter- und Mittelschicht auszubremsen, ist die Schuhfarbenregel sehr
nützlich. Weitere statusbezogene Auswahlkriterien sind eine
überzeugende Ausdrucksweise, spezifische Verhaltensmuster und das
richtige Modebewusstsein (Anzüge dürfen nie zu groß sein, der
Haarschnitt nie zu lang und es gilt, immer die im konservativen Sinn
passende Krawatte zu Hemd und Anzug zu wählen). „Mode ist auch
immer ein Statement“, meinte einmal eine bekannte Lifestyle-
Journalistin. Anders ausgedrückt: „Arroganz ist, wenn jemand das Brett
vor seinem Kopf für chic hält.“
Es gebe kaum Gründe zur Annahme, dass sich an diesem
Auswahlverfahren bald etwas ändern werde, meint eine Studie der
britischen „Social Mobility Commission“, die gerade veröffentlicht
wurde. Auf der „Zukunft Personal“ in Köln könnten die Personaler der
britischen Investmentbanken ziemlich schnell lernen, wie man die ganze
Breite der zur Verfügung stehenden Talente ausschöpft. Nur so können
in einem Unternehmen Innovation und Unternehmergeist sichergestellt
werden.
Big No-No
Viele Inspirationen durch
unser neues Heft
wünscht
Martin Pichler, Chefredakteur