WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 24/2019 - page 4

AUS DEN VERBÄNDEN
LebensRäume nachhaltig gestalten –
Verbandstag 2019 der baden-württembergischen Wohnungswirtschaft
Heilbronn – Wie wollen und werden wir künftig wohnen und leben? Dieser Frage stellten sich die Referenten und Disku-
tanten beim Verbandstag des Verbandes baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen (vbw) Ende
Mai 2019 in Heilbronn. Der Verbandsvorsitzende Peter Bresinski setzte sich bei der Begrüßung der rund 300 Teilnehmer mit
der derzeitigen Wohnungs- und Klimapolitik der Landesregierung in Baden-Württemberg auseinander. „Wer das Klima ret-
ten will, muss die Menschen mitnehmen. Er muss damit aber auch klar unangenehme Wahrheiten aussprechen“, so Bresin-
ski und zielte dabei auf die Kosten ab, die die Mieter von energieeffizienten oder passiven Gebäuden zu tragen haben.
Im Moment mangele es in Baden-Würt-
temberg am Neubau. „Für den Neubau
braucht es vor allen Dingen mehr Flä-
chen, um mehr bauen zu können. Des-
halb ist insbesondere bei den Kommunen
der politische Wille zu mehr Wohnungs-
bau gefragt“, so Peter Bresinski. Wichtig
sei eine Stadtentwicklung, die nicht an der
Ortsgrenze halt macht, sondern bei der sich
die Kernstädte mit den Umlandgemeinden
intensiv abstimmen. „Wir brauchen eine
Regionalplanung, bei der die Infrastruktur
beachtet und bei der Innen- und Außen-
entwicklung einbezogen wird“, sagte Bre-
sinski. Er plädierte für Konzeptvergaben,
Deregulierungen und eine Priorisierung
beim Wohnungsbau, insbesondere beim
Geschosswohnungsbau.
Mehr Dichte und Nähe beim Wohnen
Dass mehr Dichte und Nähe das Wohnen
der Zukunft bestimmen werden, machten
auch
Oliver Toellner
von der Bundesgar-
tenschau (BUGA) Heilbronn und
Andreas
Hofer
, Intendant der Internationalen Bau-
ausstellung (IBA) 2027 StadtRegion Stutt-
gart, deutlich. Beide betonten, dass dies
nur im Zusammenhang mit einer beson-
ders gelungenen Gestaltung des öffentli-
chen Raumes, mit Grünflächen und Begeg-
nungsräumen umsetzbar sei. Heilbronn
hat auf dem Gelände der BUGA 30 Hektar
Stadtentwicklungsfläche, die zentrumsnah
und am Flussufer gelegen Platz für ‚Blühen-
des Leben in Heilbronn‘ und 800 Menschen
eine Heimat bietet. Heilbronn profitiere
von der nachhaltigen Planung, bei der bei-
spielsweise die Gebäude auf dem BUGA-
Gelände unter anderem aus Holz oder mit
Begrünung errichtet wurden, beispiels-
weise das höchste Holzhochhaus, dem die
Stadtsiedlung Heilbronn den Namen Skaio
gegeben hat. Nach der BUGA sollen auf
dem Gelände am Neckarbogen weitere
Wohngebiete entstehen.
Bezahlbar, hochqualitativ, flexibel,
vernetzt
Bei der Podiumsdiskussion zum Thema
„LebensRäume nachhaltig gestalten“
betonte Dr.
Magdalena Szablewska
,
Geschäftsführerin der Freiburger Stadtbau
GmbH (FSB), die Aspekte der sozialräum-
lichen Durchmischung, den Mix zwischen
gebautem Raum und Freiräumen, die Infra-
struktur sowie Dichte und Ressourcenscho-
nung in den Quartieren. Die drei Dimensio-
nen der ökonomischen, ökologischen und
sozialen Nachhaltigkeit hätten eine hohe
Bedeutung für das individuelle Wohlgefühl
der Menschen vor Ort. Gelungene Quartiere
zeichnen sich durch Bezahlbarkeit, Quali-
tät, flexible Nutzung, gute Infrastruktur und
hohe Ansprüche an die öffentlichen Räume
aus. „Wir haben gelernt, dass Begegnungs-
räume und Vernetzung für die Bewohner
wichtig sind“, sagte Toellner mit Verweis
auf gemeinschaftlich genutzte Dachterras-
sen. Hofer äußerte in Bezug auf neue Bau-
materialien: „Wir müssen weggehen von
der Betrachtung der Erstellungskosten und
uns auf die Lebenszykluskosten konzentrie-
ren“. Er sprach sich in diesem Kontext für
leicht reparierbare und flexibel anpassbare
Bauweisen aus. Zudem werde die Digitali-
sierung und Robotik einen ganz neuen Ein-
fluss auf den Wohnungsbau nehmen.
Ein anderes Denken forderte Bresinski in
Bezug auf die Klimawende. „Immer mehr
Polystyrol auf den Außenwänden bringt
uns nicht mehr weiter, mehr dämmen kön-
nen wir nicht. Wir müssen künftig über
CO
2
-Vermeidung in den Quartieren nach-
denken“. Auch Hofer blickt diesbezüglich
positiv in die Zukunft: „Wenn die Automo-
bilwirtschaft bis zum Jahr 2040 CO
2
-Neu-
tralität erreichen will, müsste die Immobi-
lienwirtschaft dies doch schneller schaffen
können, oder?“, fragt er provozierend.
Toellner sieht bei der Primärenergieeinspa-
rung hohes Potenzial, das beispielsweise
auch durch eine Forschungsförderung der
Politik gehoben werden könnte.
„Was ist uns das Wohnen wert?“
Die politische Dimension beleuchtete
Axel
Gedaschko
, Präsident des GdW. Als Leit-
planken für eine CO
2
-Bepreisung fordere
die Wohnungswirtschaft von der Politik,
dass sie das Ordnungsrecht entschlacke
und auf CO
2
umstelle, dass sie die Förde-
rung ändere in Bezug auf eine CO
2
-Minde-
rung und dass sie die dezentrale Energieer-
zeugung ermögliche. „Das Grundproblem
des Kosten-Nutzen-Verhältnisses muss
gelöst werden“, sagte er. Doch das nur am
Rande. Unter dem Titel ‚Was ist uns das
Wohnen wert?‘ setzte Gedaschko die der-
zeitigen interessengeleiteten Diskussionen
um Enteignungen von Wohnungsunter-
nehmen, um Mietendeckel und die Umla-
gefähigkeit der Grundsteuer in den Fokus.
„Diese Diskussionen sind gefährlich für
den Wirtschafts- und Investitionsstandort
Deutschland“, warnte er. Die Wohnungs-
wirtschaft stünde zudem vor vielfältigen
weiteren Herausforderungen. Dazu zählen
neben dem bezahlbaren Wohnungsneu-
bau, die Instandsetzung und Sanierung des
Wohnungsbestandes, die Energiewende,
der altersgerechte Umbau, die Digitalisie-
rung und der Stadtumbau. „Bis 2030 wer-
den all diese Maßnahmen summa sum-
marum Investitionen von mindestens 566
Milliarden Euro erfordern. Dafür bedarf es
eines gesamtgesellschaftlichen Konsens“,
betonte er. Darauf gelte es hinzuwirken.
(schu/schi)
Dr. Iris Beuerle, Verbandsdirektorin der Woh-
nungswirtschaft in Baden-Württemberg
Peter Bresinski (vbw), Oliver Toellner (BUGA), Moderatorin Martina Meisenber, Dr. Magdalena
Szablewska (FSB) und Andreas Hofer (IBA) (v. l.) diskutierten über die Wohn- und Bauzukunft.
Fotos: Nikola Neven Haubner
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