WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 20/2017 - page 3

GENOSSENSCHAFTEN
Idee und Praxis der Genossenschaften sind Immaterielles Kulturerbe –
UNESCO-Urkunde an Genossenschaftsvertreter überreicht
Berlin – Die Deutsche Hermann-Schulze-Delitzsch-Gesellschaft und die Deutsche Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft
haben am 11. Mai 2017 von Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt und für Auswärtige Kultur- und Bil-
dungspolitik, die UNESCO-Urkunde zur Auszeichnung der „Idee und Praxis der Organisation von gemeinsamen Inter-
essen in Genossenschaften“ als Immaterielles Kulturerbe erhalten. Die beiden Gesellschaften waren maßgeblich an der
Nominierung Deutschlands für die Repräsentative Liste der UNESCO beteiligt.
„Ich gratuliere allen Genossenschaftlerin-
nen und Genossenschaftlern in Deutsch-
land sehr herzlich zur Auszeichnung ihres
Wirkens als Immaterielles Kulturerbe der
Menschheit“, sagte Staatsministerin
Maria
Böhmer
zu diesem Anlass. „Die Kultur-
form der Genossenschaften verbindet uns
mit Menschen auf der ganzen Welt. Rund
800 Millionen Menschen in über 100 Län-
dern sind genossenschaftlich organisiert
und setzen sich so für die nachhaltige
Entwicklung ihrer Regionen ein. Ich kann
mir deshalb gut vorstellen, dass jetzt die
Genossenschaften in vielen Ländern beflü-
gelt werden, sich der ersten Eintragung
Deutschlands in die UNESCO-Liste des
Immateriellen Kulturerbes anschließen zu
wollen.“
„Die Genossenschaftsidee und -praxis prä-
gen Deutschland. Genossenschaften brin-
gen Menschen mit unterschiedlichsten
Hintergründen und gleichzeitig gemeinsa-
men Interessen zur Erreichung gemeinsa-
mer Ziele zusammen. Das hat eine starke
kulturelle Bedeutung“, so Prof. Dr.
Chris-
toph Wulf
, Vizepräsident der Deutschen
UNESCO-Kommission. „Ich gratuliere allen
Genossenschaften in Deutschland ganz
herzlich zur Auszeichnung als Immateriel-
les Kulturerbe der Menschheit. Sie zeigen,
wie wichtig unser kulturelles Erbe für die
gesellschaftliche Entwicklung ist.“
Genossenschaften in der Bildung ver-
ankern
„In vielen Bildungseinrichtungen wird
heute kaum Wissen über die Genossen-
schaft vermittelt. Daran wollen wir arbei-
ten“, betonte Dr.
Axel Viehweger
,
Vorsitzender der Deutschen Hermann-
Schulze-Delitzsch-Gesellschaft und Ver-
bandsdirektor des Verbandes Sächsischer
Wohnungsgenossenschaften (VSWG).
„Die Genossenschaft muss stärker in der
schulischen und universitären Ausbildung
verankert werden. Die UNESCO-Anerken-
nung wird uns dabei helfen. Helfen wird
sie uns auch in dem wichtigen Bestreben,
bewährte genossenschaftliche Prüfungs-
prinzipien fortzuführen.“
„Für uns ist die UNESCO-Auszeichnung
eine wunderbare Hinführung auf das
große Jubiläumsjahr 2018“, ergänzte
Wer-
ner Böhnke
, Vorsitzender der Deutschen
Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft.
„In diesem Jahr wäre Raiffeisen 200 Jahre
alt geworden. Auch dieses Ereignis wird für
uns Anlass sein, die Bedeutung der Genos-
senschaftsidee für Gegenwart und Zukunft
herauszustellen. Im Übrigen ist die Aner-
kennung durch die UNESCO eine Würdi-
gung all derer, die sich weltweit in Genos-
senschaften engagieren.“
800 Millionen Mitglieder
Genossenschaften sind eine allen offen ste-
hende Form der gesellschaftlichen Selbst-
organisation, ein Modell der kooperativen
Selbsthilfe und Selbstverantwortung. Welt-
weit wirken etwa 800 Millionen Genos-
senschaftsmitglieder in über 100 Ländern,
allein 21 Millionen davon in Deutschland.
Die hohe Anzahl von Genossenschaftsmit-
gliedern in Deutschland und die rechtli-
che Absicherung ihrer Grundsätze durch
ein Genossenschaftsgesetz sind im inter-
nationalen Vergleich Besonderheiten. Am
30. November 2016 wurde die Genossen-
schaftsidee und -praxis in die internationale
Repräsentative Liste des Immateriellen Kul-
turerbes der Menschheit aufgenommen.
Hintergrundinformationen zum
Immateriellen Kulturerbe
Zum Immateriellen Kulturerbe zählen
lebendige Traditionen aus den Bereichen
Tanz, Theater, Musik, mündliche Überliefe-
rungen, Rituale und Bräuche, Naturwissen
und Handwerkstechniken. Formen Imma-
teriellen Kulturerbes sind entscheidend von
menschlichem Wissen und Können getra-
gen. Sie sind Ausdruck von Kreativität
und Erfindergeist, vermitteln Identität und
Kontinuität. Sie werden von Generation zu
Generation weitergegeben und immer wie-
der neu gestaltet.
Seit 2003 unterstützt die UNESCO den
Schutz, die Dokumentation und den
Erhalt dieser Kulturformen. Einzelne Ele-
mente aus den nationalen Verzeichnissen
der Vertragsstaaten können für eine von
drei UNESCO-Listen des Immateriellen Kul-
turerbes vorgeschlagen werden. 429 Bräu-
che, Darstellungskünste, Handwerkstechni-
ken und Naturwissen aus aller Welt werden
derzeit auf diesen Listen geführt, darunter
die Genossenschaftsidee und -praxis aus
Deutschland, die Rumba aus Kuba, die tra-
ditionelle chinesische Medizin und die ita-
lienische Geigenbaukunst. Bis heute sind
172 Staaten dem UNESCO-Übereinkom-
men zur Erhaltung des Immateriellen Kul-
turerbes beigetreten. Deutschland ist seit
2013 Vertragsstaat.
(röm/schi)
Weitere Infos und Fotos finden Sie unter
diesem Kurz-Link:
Bei der Urkundenübergabe
in Berlin: Vertreter der
deutschen Genossen-
schaftsverbände, darunter
Dr. Axel Viehweger (2. v.
l.), mit Staatsministerin
Maria Böhmer (2. v. r.)
Foto: David Ausserhofer
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