WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 38/2015 - page 4

AUS DEN VERBÄNDEN
gen lagen. Die Rahmenbedingungen für
den Wohnungsbau sind seither nicht besser
geworden. Nun hat der Bund zur Jahres­
mitte schon knapp 220.000 Asylanträge
registriert – die meisten kommen aber erst
in der zweiten Jahreshälfte. Offiziell wird
nun mit bis zu 800.000 Flüchtlingen bis
Dezember gerechnet. In Anbetracht der
schieren Zahl stehen wir vor der momen­
tan vielleicht größten Herausforderung.
Menschen, die sich zu uns flüchten, müs­
sen angemessen untergebracht, versorgt
und betreut werden. Ebenso werden wir
weiterhin die Menschen, die bereits hier
sind, mit Wohnraum versorgen.
„Leistbar ist das, doch verhindern Regeln
und zu viel Bürokratie dringend gebrauchte
schnelle Lösungen. Hier müssen wir anset­
zen. Wann, wenn nicht jetzt? Nur dann
kann die Wohnungswirtschaft schnell und
effektiv handeln“, erklärte VNW-Verbands­
direktor
Andreas Breitner
. „Wir fordern
daher veränderte Rahmenbedingungen.
Alle Vorschriften des Natur- und Denkmal­
schutzes, des Vergaberechtes, Stellplatz­
vorgaben und Brandschutzes sollten quasi
unter Flüchtlingsvorbehalt und auf den
Prüfstand gestellt werden. Wer schnelle
Ergebnisse will, muss der Flüchtlingsun­
terbringung die Vorfahrt einräumen.“ Der
VNW bietet zusammen mit der Arbeits­
gemeinschaft für zeitgemäßes Bauen an,
einen Runden Tisch für „Einfaches Bauen“
ins Leben zu rufen. Gemeinsam mit dem
Baugewerbe, dem Bauindustrieverband,
der Architektenkammer, dem Innenminis­
terium und der Investitionsbank Schleswig-
Holstein könnten zeitnah Lösungen gefun­
den werden, um jetzt bauen und morgen
einziehen zu können. Vorbild kann das
„Kieler Modell“ sein. Der VNW fordert in
Sachen Wohnungsbau und Wohnungs­
bereitstellung: Die Wohnungsversorgung
muss in Bund, Ländern und Gemeinden zur
Chefsache werden. Energetische und bau­
technische Vorgaben müssen flexibilisiert
und begrenzt werden. Entscheidungspro­
zesse und Genehmigungsverfahren sind
lösungsorientiert zu vereinfachen und zu
beschleunigen. Fördermittel sind bedarfs­
gerecht und planbar zur Verfügung zu stel­
len. Zudem ist eine spezielle Information­
soffensive von Politik und Verwaltung für
alle Wohnungsanbieter zu Hintergründen,
Fakten, Hilfsmöglichkeiten, Förderung et
cetera notwendig.
„In Zeiten, in denen sofort gehandelt wer­
den muss, ist vor allem eins gefragt: Prag­
matismus. Dies gilt aktuell – und gerade
– für den Wohnungsbau“, erklärte
Rai-
mund Dankowski
, Vorsitzender des VNW
Landesverbandes Schleswig-Holstein. „Die
Wohnungswirtschaft hat das Wissen, die
Erfahrung, die Kontakte. Wir können
schnell bauen – wenn man uns lässt. Dafür
benötigen wir auf der Seite der Politik drin­
gend veränderte Rahmenbedingungen und
auf der Seite des Baugewerbes Verbün­
dete. Lassen Sie uns jetzt reden, damit wir
schnell handeln können.“
Integration ist für die Verbandsunternehmen
kein neues Thema. Auch hier ist von Seiten
der Städte und Kommunen noch Potenzial
vorhanden. „Integration gelingt nur, wenn
soziale Betreuungsangebote bereitgestellt
und Quartiere nicht überlastet werden“, so
VNW-Verbandsdirektor Breitner. „Wohnen
allein reicht nicht. Die Verbandsunterneh­
men sind langjährige Akteure vor Ort. Sie
wissen, wie sie funktionierende Quartiere
schaffen können und sorgen bereits mit
zahlreichen Angeboten für gute Nachbar­
schaften. Doch in Sachen Betreuung von
Flüchtlingen und Asylbewerbern müssen
die Städte und Kommunen aktiver werden.
Das können die Wohnungswirtschaft und
das Ehrenamt nicht allein leisten.“ Daher
fordert der VNW in Sachen Integration:
eine dauerhafte intensive Betreuung der
Hilfesuchenden, eine Implementierung von
„Flüchtlings-Lotsen“ in den Quartieren, eine
frühzeitige Integrationshilfe – insbesondere
Spracherwerb sowie die Installierung eines
„Flüchtlings-Koordinators“ analog dem
„Wohnungsbau-Koordinator“.
(frit/schi)
Fortsetzung von Seite 3
Flüchtlingsunterbringung in Brandenburg: „Wohnungen sind nicht alles“
Potsdam – Derzeit mehren sich die Stimmen, Flüchtlinge über den vom „Königsteiner Schlüssel“ vorgesehenen Anteil
verstärkt auch in den neuen Bundesländern unterzubringen. „Ein solcher Schritt mag angesichts des in weiten Teilen
Ostdeutschlands überdurchschnittlich hohen Leerstands auf den ersten Blick plausibel erscheinen. Leer stehende Woh-
nungen sind aber längst nicht alles. Ebenso wichtig ist eine Verkehrs-, Gesundheits- und Bildungsinfrastruktur als Grund-
lage für Integration“, erklärte Maren Kern, Vorstand beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen
(BBU). „Gerade in Gebieten mit hohem Leerstand ist die aber oft in Vorbereitung für weiteren Abriss bereits zurückge-
baut worden. Deshalb muss sehr genau geprüft werden, wo eine Unterbringung wirklich langfristig Sinn macht.“
Das gelte auch für den Vorschlag der LIN­
KEN, im Rahmen des Stadtumbaus Ost für
Abrissförderung vorgesehene Gelder für
die Aufwertung von leer stehenden Woh­
nungen zu verwenden. „Der Stadtumbau
Ost ist wegen der Blockadehaltung des
Bundes ins Stocken geraten. Deshalb steigt
die Zahl leer stehender Wohnungen derzeit
ohnehin. Hier jetzt eigens Mittel umzuwid­
men, macht wenig Sinn“, sagte Kern. Eine
weitere wichtige Voraussetzung für Integ­
ration sei auch das Vorhandensein sozialer
Trägerstrukturen zur Betreuung der Flücht­
linge vor Ort. Auch die seien nicht über­
all vorhanden. Kern wies ebenfalls darauf
hin: „Ob Flüchtlinge in Wohnungen unter­
gebracht werden können, hängt auch von
ihrem Aufenthaltsstatus ab. Solange der
nicht geklärt ist, ist eine Unterbringung in
Sammelunterkünften Vorschrift.“ Die so
genannte „Schutzquote“ der Menschen,
die als Flüchtlinge nach Deutschland kom­
men und einen Bleibestatus bekommen,
liegt derzeit nach Angaben des Asylbun­
desamtes bei rund 32 Prozent.
Nachbarschaften vorbereiten
Wichtig sei auch, die Flüchtlinge auf das
Wohnen in den neuen Nachbarschaften
vorzubereiten. Dazu müssten ihnen Grund­
kenntnisse in Sprache, Gebräuchen und
mietrechtlichen Rahmen vermittelt wer­
den. Außerdem müssten die Anwohner
möglichst frühzeitig in das Verfahren ein­
gebunden und umfassend informiert wer­
den. „Integrationslotsen könnten dabei
helfen, zwischen den Menschen Brücken
zu bauen und beim guten Zusammenleben
zu unterstützen“, so Kern.
Zuwanderung als Chance
Dass derzeit so viele junge und vielfach
auch gut ausgebildete Menschen nach
Deutschland kämen, müsse auch als
Chance genutzt werden. Integration sei
deshalb eine gesamtgesellschaftliche Auf­
gabe, für die sich alle verantwortlich fühlen
sollten. „Gerade auch Brandenburg kann
die Zuwanderung von Fachkräften gut
gebrauchen“, unterstrich Kern.
(ebe/schi)
„Gerade auch Bran-
denburg kann die
Zuwanderung von
Fachkräften gut ge-
brauchen“, erklärte
BBU-Vorstand
Maren Kern.
Foto: BBU
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