WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 15/2015 - page 4

AUS DEN VERBÄNDEN
rechnen, sondern spiegelt in ers-
ter Instanz lediglich die typischen
Praxisszenarien und Kostenströme
wider. In zweiter Instanz erfolgte
die volkswirtschaftliche Hochrech-
nung und Betrachtung in Form
einer Querschnittsanalyse: Der Sta-
tus Quo gegenüber dem Szena-
rio in 2030/2050 – bezogen auf
die einzelnen Versorgungsformen.
Ausgehend von den dargestellten
Einzelfallszenarien wurde ein typi-
sches Haushaltsszenario abgeleitet
und das „Einkommen“ als variable
Determinante dargestellt. Damit
lässt sich ein Zukunftshaushalts-
szenario im Sinne der Entwicklung
eines makroökonomischen Szena-
rios heute und wie es 2030/2050
in der jeweiligen Versorgungsform
aussehen würde, abbilden.
Studienergebnisse
Als kostenintensivste Faktoren stel-
len sich die Betreuung von Personen
mit eingeschränkter Alltagskompe-
tenz und die Berücksichtigung der
Kosten für Leistungen der häus-
lichen Krankenpflege nach SGB
V dar. Bleiben die HKP-Ausgaben
(Aufwendungen für Leistungen der häus-
lichen Krankenpflege) unberücksichtigt,
da der Schwerpunkt auf den Leistungen
des SGB XI liegt und die HKP-Leistungen
in der Regel nur zeitlich begrenzt auftre-
ten, ist eine stationäre Unterbringung nur
in den Fällen um 14 beziehungsweise 25
Euro monatlich kostengünstiger, in denen
die betreffenden Personen Pflegestufe Zwei
mit eingeschränkter Alltagskompetenz
haben und in einem Ein-Personen-Haus-
halt leben, unabhängig vom Anspruch auf
Grundsicherung. „Alle anderen Pflegestu-
fen und Haushaltsformen zeigen eine vor-
teilhaftere häusliche Versorgung“, so Prof.
Dr.
Alexander Karmann
, Seniorprofessor
des Gesundheitsökonomischen Zentrums.
Hierbei wurde bereits mit einem durch-
schnittlichen Mietpreis von sieben Euro pro
Quadratmeter kalkuliert, um barrierearme
Wohnungen mit technischen Assistenz-
systemen auszustatten. Bei entsprechend
niedrigeren Mieten ergäbe sich eine noch
vorteilhaftere häusliche Versorgungssitua-
tion.
Der heutige Mindestgesamtbedarf an bar-
rierearmen Wohnungen in Sachsen kann
damit – allein aus den Zahlen für pflege-
bedürftige Personen – mit rund 93.000
Wohnungen angegeben werden. Die For-
derung nach einem weiteren Sofortaus-
bau zur Schaffung von etwa insgesamt
100.000 barrierearmen Wohnungen in
Sachsen scheint angesichts des Interesses
auch jüngerer, noch nicht pflegebedürfti-
ger Personen realistisch. Langfristig ist mit
einem weiter steigenden Bedarf an barrie-
rearmen Wohnungen zu rechnen. Denn bis
2050 wird gemäß Status-Quo-Szenario die
Anzahl der Personen, die pflegebedürftig
sind und nicht stationär untergebracht wer-
den können, um über 50 Prozent steigen.
Darüber hinaus haben auch Personen, die
älter als 65 Jahre sind und keine Pflege-
bedürftigkeit aufweisen, den Wunsch, in
einer barrierearmen Wohnung zu leben.
Perspektivisch wird damit ein möglichst
langer Verbleib in der eigenen Häuslich-
keit auch bei Pflegebedürftigkeit gesichert,
ohne dass ein Umzug nötig wird. „Wir
nehmen an, dass der tatsächliche Bedarf
an barrierearmem Wohnraum den darge-
stellten Minimalbedarf noch übersteigt“,
so Dr.-Ing.
Michael Uhlmann
, Geschäfts-
führer der ATB Chemnitz.
Der Ausbau der stationären Versorgung
von 2011 mit 45.815 Betten bis 2050 wird
dabei wie bisher mit einer Schaffung von
987 zusätzlichen Betten pro Jahr veran-
schlagt, was einer Kapazitätszunahme der
stationären Versorgung von 2011 auf 2050
um rund 90 Prozent auf 85.000 Betten
bedeutet. Sollte der Ausbau der stationä-
ren Versorgung jedoch geringer ausfallen,
würde sich dementsprechend der Bedarf an
ambulanten barrierearmen Wohnformen
noch weiter erhöhen.
Die Schaffung barrierearmen Wohnraums
und der Einsatz technischer Assistenzsys-
teme innerhalb der Quartierskon-
zepte ermöglichen entsprechend
den Zielen des Quartiersansatzes
eine Optimierung der professionellen
Pflege durch die regionalen ambulan-
ten Anbieter von Pflegeleistungen,
die Unterstützung der Pflegebedürfti-
gen innerhalb des Quartiers und eine
bessere Nutzung der Infrastruktur.
„Gleichzeitig steht Pflegebedürf-
tigen ab diesem Jahr für Verbesse-
rungen ihres Wohnumfeldes deut-
lich mehr Geld zur Verfügung. Statt
bislang rund 2.500 Euro sind es
aktuell bis zu 4.000 Euro Zuschuss
je Umbaumaßnahme. Das bedeutet
für die Betroffenen eine erhebliche
finanzielle Entlastung. Bedarfsge-
rechte Umbaumaßnahmen ermög-
lichen das Führen eines selbstbe-
stimmten Lebens in den eigenen
vier Wänden, so lange wie möglich.
Das ist ein weiterer Schritt in die rich-
tige Richtung“, sagte
Paul Friedrich
Loose
, Landesgeschäftsführer der
BARMER GEK in Sachsen.
Eine veränderte Strategie für den
Städtebau der Zukunft ist erforder-
lich, um diesen Herausforderungen
begegnen zu können. Die Schaffung von
mehr barrierefreiem/-armem, bezahlbarem
Wohnraum mit integrierten Versorgungs-
settings für eine wachsende Zahl von
älteren Menschen mit unterschiedlichen
Wohnwünschen wird nicht durch einzelne
Maßnahmen zu bewerkstelligen sein.
Weder mit einzelnen Fördermaßnahmen,
noch mit der Erprobung einzelner Modell-
maßnahmen wird man diese zukünftigen
Anforderungen bewältigen können. Auch
kann diese Aufgabe nicht allein von der
Wohnungswirtschaft umgesetzt werden.
„Beim Thema Wohnen kulminiert sehr vie-
les. Die Wohnung soll das Klima retten,
Gesundheitsstandort sein, Pflegeheime
ersetzen und dies alles bei möglichst sin-
kenden Mieten. Um diese komplexe Proble-
matik zu lösen, ist eine stärkere Vernetzung
der einzelnen Ressorts nötig, um ressort-
übergreifend Kompromisse zu finden, die
nicht zwingend zusätzliches Geld erfor-
dern, sondern lediglich ein Wollen. Nur
mit Ehrlichkeit im Umgang, dezentralen
Lösungen im ländlichen Raum sowie der
ganzheitlichen Betrachtung von Quartieren
können die Weichen für die nächsten Jahre
gestellt werden, denn die Wohnungswirt-
schaft ist eine Branche, die für 10 bis 15
Jahre im Voraus plant und immobil ist“, so
Dr.
Axel Viehweger
, Vorstand des VSWG.
(jak/schi)
Die Studie sowie weitere Infos finden Sie
unter
Fortsetzung von Seite 3
4
15/2015
1,2,3 5,6
Powered by FlippingBook