WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 34/2015 - page 3

WI IM GESPRÄCH
Wohnungsmarkt im Spannungsfeld von wachsenden und schrumpfenden
Regionen – Neue Studie zeigt Handlungsbedarf auf
Berlin – In vielen Regionen Deutschlands geht die Wohnungsnachfrage in Zukunft stark zurück. Während im Jahr
2015 noch drei Viertel aller Kreise in Deutschland eine wachsende Haushaltszahl aufweisen, sind es bereits 2030 nur
noch knapp 39 Prozent. Die überwiegende Mehrheit verzeichnet dann bereits einen Rückgang der Wohnungsnachfrage.
Das ist ein Ergebnis der am 13. August 2015 vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) präsentier-
ten Zahlen zu Wachstum und Schrumpfung in Deutschland.
Die BBSR-Studie analysiert die Schrump-
fungstendenzen verschiedener Regionen
anhand von verschiedenen Kriterien, wie
der Bevölkerungsentwicklung, der Ent-
wicklung des Arbeitsmarktes und der Wirt-
schaftskraft einer Kommune. „Wir begrü-
ßen es ausdrücklich, dass die BBSR-Studie
die Probleme von schrumpfenden Kommu-
nen – die zukünftig immer mehr Regionen
betreffen – stärker ins öffentliche Bewusst-
sein hebt“, erklärte Axel Gedaschko, Präsi-
dent des Spitzenverbandes der Wohnungs-
wirtschaft GdW, zu den heute vorgestellten
Berechnungen. Jetzt komme es darauf
an, dass aus den Erkenntnissen auch die
richtigen politischen Schlussfolgerungen
gezogen werden: Mehr Stadtrückbau und
mehr Unterstützung für diejenigen, die den
Rückbau schultern müssen.“
„Schon die Ergebnisse der BBSR-Haus-
haltsprognose haben gezeigt: Der Stadt-
umbau wird ein bestimmendes Thema in
immer mehr Regionen sein. Denn auch die
kreisfreien Großstädte bleiben nicht von
den Schrumpfungsprozessen verschont“,
so Gedaschko. Die Anzahl der Haushalte
steigt bis 2035 nur in geringen Umfang.
Regional verstärken sich die Disparitä-
ten. Die Schrumpfung als vorherrschen-
der Trend wird sich in den neuen Ländern
auch in Zukunft fortsetzen. Es gibt jedoch
große deutliche Unterschiede zwischen den
Städten Ostdeutschlands. So können Groß-
städte und Städte in Ballungsräumen in
Halbzeit in der 18. Legislaturperiode des
Deutschen Bundestages. Wie steht es um
das altersgerechte Wohnen in Deutsch-
land? Der Pflegebeauftragte der Bundes-
regierung, Karl-Josef Laumann (CDU),
hat der wi-Redaktion dazu drei Fragen
beantwortet.
wi: Bis zum Jahr 2020 werden in
Deutschland circa drei Millionen
altersgerechte Wohnungen benö-
tigt, in den Quartieren bedarf es
angesichts der immer älter werden-
den Bevölkerung zunehmend an
Betreuungs- und Pflegeangeboten.
Welche Unterstützung kann die
Wohnungswirtschaft hier von der
Politik erwarten?
Laumann:
Mit dem ersten Pflegestär-
kungsgesetz haben wir auf Bundesebene
bereits zum 1. Januar 2015 deutliche
Leistungsverbesserungen eingeführt. So
wurde unter anderem der Zuschuss für
wohnumfeldverbessernde Maßnahmen,
also beispielsweise den Einbau eines barri-
erefreien Bades, von 2.557 Euro auf 4.000
Euro je Maßnahme erhöht. Leben meh-
rere Pflegebedürftige in einer gemeinsa-
men Wohnung, kann es sogar Zuschüsse
von bis zu 16.000 Euro für alle Bewoh-
ner zusammen geben. Vor allem aber ist
es Aufgabe der Kommunen, vor Ort eine
gute Pflegeinfrastruktur zu schaffen. Die
Kommunen müssen sich mit allen Betei-
ligten, natürlich auch der Wohnungswirt-
schaft, an einen Tisch setzen und schauen,
wie möglichst wohnortnahe und bedarfs-
gerechte Angebote zur Pflege geschaffen
werden, die fest in die örtliche Infrastruk-
tur eingebunden sind. Dazu gehört auch
der Ausbau neuer Wohnformen, zum Bei-
spiel von Mehrgenerationenhäusern oder
betreutem Wohnen.
Die allermeisten Menschen möch-
ten möglichst lange und im Alter so
selbstständig wie möglich in ihren
angestammten Wohnungen leben
können. So genannte Ambient
Assisted Living-Modelle bieten hier
geeignete Lösungsmodelle an. Wie
schätzen Sie das Potenzial der Digi-
talisierung im Bereich des altersge-
rechten Wohnens ein?
Laumann:
Wenn altersgerechte Assis-
tenzsysteme den Alltag für den Einzelnen
erleichtern, ist das eine gute Sache. Ich
denke hier etwa an die Vernetzung von
Haushaltsgeräten, die technische Unter-
stützung bei alltäglichen Handgriffen oder
auch telemedizinische Anwendungen.
Ich kann mir allerdings nicht vorstellen,
dass technische Hilfssysteme die Bezugs-
pflege ersetzen. Sie können auch nicht
das direkte Gespräch mit dem Arzt erset-
zen. Der direkte Kontakt mit Menschen
hat zudem einen ganz wichtigen sozia-
len Wert: Er hilft auch gegen die womög-
lich drohende Vereinsamung. Deshalb:
Die Digitalisierung ist kein Allheilmittel.
Aber sie kann die medizinische und pfle-
gerische Versorgung durch Angehörige,
Pflegefachkräfte und Ärzte unterstützen.
Wohnung statt Pflegeheim – bis zu
welchem Ausmaß lässt sich diese
Wunschvorstellung vieler Menschen
aus Ihrer Sicht verwirklichen?
Laumann:
Dank der Pflegeversicherung
haben wir eine Vielzahl von Angeboten,
um eine gute Versorgung der pflegebe-
dürftigen Menschen in den eigenen vier
Wänden zu ermöglichen. Und mit dem
ersten Pflegestärkungsgesetz haben wir
die häusliche Pflege noch einmal deut-
lich gestärkt: Die Beträge für das Pflege-
geld und die Pflegesachleistungen wur-
den angehoben. Die Inanspruchnahme
von Kurzzeit- und Verhinderungspflege
ist deutlich flexibilisiert worden, so dass
diese besser miteinander kombiniert wer-
den können. Die Mittel für die Tages-
und Nachtpflege wurden de facto ver-
doppelt. Zur Wahrheit gehört aber auch:
Gerade bei schweren Erkrankungen kann
es immer wieder Situationen geben, in
denen eine angemessene pflegerische
Versorgung zuhause nicht mehr möglich
ist. Hier sollten wir auch keine Scheuklap-
pen vor den stationären Einrichtungen
haben. Im Gegenteil: In den allermeisten
Heimen wird eine gute Arbeit mit großer
fachlicher und menschlicher Kompetenz
geleistet.
Foto: www.karl-josef-laumann.de
Karl-Josef Laumann (CDU)
Beauftragter der Bundesre-
gierung für die Belange der
Patientinnen und Patienten
und Bevollmächtigter für
Pflege
DREI FRAGEN AN…
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BUNDESPOLITIK
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