WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 34/2015 - page 2

EUROPAPOLITIK
stehen – davon sind die aktuellen Zah-
len noch weit entfernt. Im mittleren und
unteren Preissegment, das ausschließ-
lich vom Mietwohnungsbereich bedient
wird, werden die allermeisten Wohnun-
gen benötigt“, erklärte der GdW-Chef.
„Zuerst muss das Bauen wieder bezahl-
bar werden. Statt politischer Sonntags-
reden brauchen wir deshalb endlich eine
handfeste Wohnungsbau-Strategie.“ Die
Steuerpreisspirale, insbesondere bei der
Grunderwerbsteuer, muss gestoppt wer-
den. Außerdem müssen zügig Ergeb-
nisse der Baukostensenkungskommis-
sion umgesetzt werden. Um den Neubau
bezahlbarer Wohnungen in den deut-
schen Ballungsregionen effektiv anzu-
kurbeln, sind aus Sicht der Wohnungs-
wirtschaft darüber hinaus drei konkrete
politische Maßnahmen notwendig:
Steuerliche Voraussetzungen beim
Wohnungsneubau verbessern
Dazu sollte die steuerliche Normalabschrei-
bung von derzeit zwei auf mindestens drei
Prozent erhöht werden. Die Abschreibung
liegt schon seit 1964 bei zwei Prozent.
Gebäude, die vor mehr als 50 Jahren fer-
tiggestellt wurden, sind technisch komplett
andere als die, die heute gebaut werden.
Infolge des gestiegenen Kostenanteils von
kurzlebigeren Ausbaubestandteilen beim
Wohnungsbau ist die gesamte Nutzungs-
dauer von Wohngebäuden auf 36 Jahre
abgesunken und spiegelt sich heute abso-
lut nicht mehr in den derzeit geltenden
steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten
wider. Das Steuerrecht muss daher drin-
gend an die heute geltenden Bedingungen
beim Wohnungsbau angepasst werden,
damit sich auch private Investoren wieder
verstärkt im Mietwohnungsneubau enga-
gieren.
Mehr preisgebundene Wohnungen
benötigt
Der Bedarf an preisgebundenemWohnraum
ist ungebrochen. Deshalb wird neben einer
Erhöhung und Verstetigung der Bundesmit-
tel für den sozialen Wohnungsbau flankie-
rend eine sehr fokussierte Sonderabschrei-
bung oder Investitionszulagenregelung
benötigt. Dazu sollte der frühere Paragraph
7k des Einkommensteuergesetzes wieder
eingeführt werden. Die Regelung sollte aus-
schließlich in bestimmten Ballungsräumen
mit offensichtlichemWohnungsmangel gel-
ten und auf fünf Jahre befristet sein. Vor-
aussetzung für eine Inanspruchnahme einer
solchen Sonderabschreibung wäre eine frei-
willige Verpflichtung des Investors, die Neu-
bauten für einen bestimmten Zeitraum zum
Mietpreis für öffentlich geförderten Neubau
und nur an den förderberechtigten Perso-
nenkreis zu vermieten.
Gezieltes, zeitlich befristetes Sonder-
Investitionsprogramm
Infolge des starken Zuzugs von Zuwande-
rern und Flüchtlingen in Ballungsregionen
mit ohnehin bereits angespannten Woh-
nungsmärkten steigt die Nachfrage nach
bezahlbaremWohnraum aktuell enorm an.
Um in dieser Notsituation für eine Abmil-
derung der Wohnraum-Engpässe zu sor-
gen, ist ein gezieltes und zeitlich befristetes
Sonder-Investitionsprogramm notwendig.
Der Bund und die vom starken Zuzug
betroffenen Länder sollten für den Neubau
von 100.000 bezahlbaren Wohnungen in
Gebieten mit angespanntem Wohnungs-
markt, verteilt auf fünf Jahre, jeweils 300
Millionen Euro jährlich aufbringen. Die
Finanzhilfen sollten ausschließlich in Län-
dern mit extrem angespannten Wohnungs-
märkten und dort nur in von hohem Zuzug
betroffenen Gebieten eingesetzt werden,
die vorher durch Rechtsverordnung festge-
legt werden. Außerdem dürfen die Mittel
nur für Wohnungsneubau zu angemesse-
nen Mieten eingesetzt werden.
Durch den zusätzlichen Neubau von
100.000 bezahlbaren Wohnungen in den
angespanntesten Märkten wird es durch
das Freiwerden meist preisgünstigerer
Bestandswohnungen einen Sickereffekt
zugunsten einkommensschwächerer Haus-
halte geben.
(schi)
Fortsetzung von Seite 1
EU-Vergleich:
Strom- und Gaspreisentwicklung, Siedlungsabfälle, Wasserversorgung
Preise für Strom und Gas
Alljährlich ermittelt das Europäische Sta-
tistikamt Eurostat die Preise für Strom und
Gas. Deutsche Haushalte zahlten 2014 im
Ergebnis 1,8 Prozent mehr als im Vorjahr.
Der Preis für 100 Kilowattstunden stieg
somit auf 29,70 Euro, wobei beachtliche
52 Prozent dieses Betrags auf Steuern und
Abgaben zurückzuführen sind. Im Durch-
schnitt stieg für die gesamte Europäische
Union (EU) der Strompreis mit 2,9 Prozent
stärker an, jedoch auf einen niedrigeren
Durchschnittspreis von 20,80 Euro je 100
Kilowattstunden. Gas wurde im EU-Schnitt
ebenfalls teurer, jedoch nicht in der Bun-
desrepublik. Hier sank der Preis in 2014
den Angaben zufolge um 1,2 Prozent auf
6,80 Euro pro 100 Kilowattstunden.
Siedlungsabfälle
Die Bundesrepublik führt das europäische
Feld im Bereich der Wiederverwertung
von Siedlungsabfällen an. Während EU-
weit noch 31 Prozent aller Abfälle depo-
niert werden, sticht Deutschland als einzi-
ges Land ohne Deponieabfälle hervor. Die
Menge der Abfälle, die EU-weit recycelt
oder kompostiert wird, steigt stetig, wäh-
rend gleichzeitig die Pro-Kopf-Menge der
Abfallgenerierung sinkt. Darüber hinaus
ermittelte Eurostat auf Basis von Daten
aus 2013, dass eine deutsche Person sta-
tistisch mit 617 Kilogramm überdurch-
schnittlich viel Abfall produziert (EU: 481
Kilogramm.), jedoch 47 Prozent davon
recycelt werden (EU: 28 Prozent). Wei-
tere 17 Prozent werden kompostiert
(EU: 15 Prozent). Die restlichen 35 Pro-
zent der Abfälle werden verbrannt (EU:
26 Prozent), wobei hier für Deutschland
auch die Behandlung zwecks Entsorgung
inkludiert wird.
Wasserversorgung
In einer Studie zu europäischen Was-
ser- und Abwasserpreisen vergleicht der
Bundesverband der Energie- und Wasser-
wirtschaft (bdew) Preise und Leistungs-
standards der sechs EU- Mitgliedstaaten
Deutschland, England/Wales, Frankreich,
Niederlande, Österreich und Polen. Die
Studie findet große Unterschiede im
Pro-Kopf-Wasserverbrauch. Auch die
Subventionierung der Wasserwirtschaft
unterscheidet sich in den betrachteten
Staaten ebenso wie die Ver- und Ent-
sorgungsqualität. Deutschland setzt die
europäischen Vorgaben zu Trinkwasser
und Abwasser um: niedrige Wasserver-
luste, hohe Trinkwasserqualität, eine kon-
tinuierliche Netzerneuerung und einen
Anschlussgrad von 99 Prozent an das
öffentliche Trinkwassernetz, Qualität der
Abwasserbehandlung, Anschlussgrade
an das Kanalnetz (97 Prozent) und die
Kläranlagen (96 Prozent).
(öne/schi)
Weitere Infos finden Sie unter ec.europa.
eu/eurostat sowie unter
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