personalmagazin 3/2019 - page 3

Liebe Leserinnen und Leser,
für die Organisationsentwicklung gibt es derzeit weder
ein Leitbild noch ein Patentrezept. VW-Personalvorstand
Gunnar Kilian stellt in dieser Ausgabe vor, wie er mit
der „HR-Querdenkerfabrik“ die Mitarbeiter stärken und
mobilisieren will (Seiten 28 ff.). Diese Maßnahme soll den
Automobilkonzern, der nach wie vor stark hierarchisch
geprägt ist, agiler machen. In eine andere Richtung ent-
wickeln sich die Tech-Unternehmen im Silicon Valley: Bei
aller Euphorie über Selbstorganisation und Teamarbeit füh-
ren sie derzeit wieder klassische Führungsinstrumente wie
Teamleitung, Zielvorgaben und Performance-Gespräche
ein, wie Felix Berghöfer, HR-Director bei Visual Meta, von
seiner US-Journey exklusiv für das Personalmagazin be-
richtet. Das passt offenbar zur Situation der Tech-Firmen,
in der das Geschäft härter wird und die Unternehmen mehr
Verantwortung für ihr Handeln übernehmen müssen.
Bei unseren Recherchen zur Organisationsentwicklung
ist uns diese Dualität häufig begegnet: Die einen ent­
decken für sich, wie Modelle der Selbstorganisation und
Agilitätihre Unternehmen mobilisieren können. Die an-
deren experimentieren wieder mit hierarchischen Struktu-
ren. Doch vor einem Missverständnis möchte ich warnen:
Die Tech-Firmen, die Führungsinstrumente in agilen Um-
feldern wie Scrum und OKR einführen, wollen keine Rolle
rückwärts in die alte Welt machen, sondern die neuen
Organisationsmodelle pragmatisch weiterentwickeln. Was
können wir daraus lernen?
Die Frage, wie sich die jeweilige Organisation weiter-
entwickeln soll, ist derzeit offenbar nur individuell zu
beantworten. Für die eine Einheit passt mehr Beteiligung
und Diversifizierung, für die andere mehr Hierarchie und
Zentralisierung. Doch bei allem Fokus auf Veränderungen,
der häufig bei Managementkonferenzen zu beobachten ist,
erinnert Arthur Gregg Sulzberger im Spiegel-Interview an
eine Überlebensstrategie, die Familienunternehmen aus-
zeichnet: „Das Wichtigste ist, ein tiefes Verständnis davon
zu haben, was bleibt ... Erst wenn Sie wissen, was sich
nicht verändern wird, können Sie sich auf Veränderungen
einlassen.“ Diese Sätze sind bemerkenswert, wenn man
weiß, dass der junge Verleger die altehrwürdige New York
Times in den letzten fünf Jahren stärker verändert hat als
alle seine Vorfahren.
Reiner Straub
Herausgeber
Erst wenn Sie
wissen, was sich
nicht verändern
wird, können
Sie Ihre Organi­
sation erfolgreich
verändern.
Titelbild: Carolin Wanitzek; Foto: Peter Granser
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personalmagazin 03.19
Editorial
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