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2|2019
WEG §§ 18 Abs. 1, 18 Abs. 2 Nr. 1, 19 Abs. 2
Entziehungsklage bei Wohnungseigentum
in Bruchteilseigentum
1. Wohnungseigentum in Bruchteilseigentum kann insgesamt entzo-
gen werden, wenn auch nur einer der Miteigentümer einen Entzie-
hungstatbestand nach § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 WEG verwirklicht.
2. Der nicht störende Miteigentümer ist aber entsprechend
§ 19 Abs. 2 WEG berechtigt, die Wirkungen des Entziehungsurteils
bis zur Erteilung des Zuschlags dadurch abzuwenden, dass er den
Miteigentumsanteil des störenden Miteigentümers selbst erwirbt,
den störenden Miteigentümer dauerhaft und einschränkungslos
aus der Wohnanlage entfernt und dass er der Wohnungseigentü-
mergemeinschaft alle Kosten ersetzt, die dieser durch die Führung
des Entziehungsrechtsstreits und die Durchführung eines Zwangs-
versteigerungsverfahrens zur Durchsetzung des Entziehungsan-
spruchs entstanden sind.
BGH, Urteil vom 14.9.2018, V ZR 138/17
Bedeutung für die Praxis
Der Fall zeigt, dass es auch im Entziehungsverfahren kaum einen Unter-
schied macht, ob Eheleute als in Teilbereichen rechtsfähige Außen-GbR
oder als Bruchteilsmiteigentümer zu je ½ das Sondereigentum erwerben.
Auch das Bruchteilseigentum kann nach BGH insgesamt entzogen werden,
wenn nur ein Bruchteilseigentümer sich nach Abmahnung weiter grob
gemeinschaftswidrig verhält. Allein die kreative Abwendungsbefugnis
„entsprechend § 19 Abs. 2 WEG“ dürfte bei der GbR nicht greifen. Auch
beim Bruchteilseigentum wird sie kaum praktisch werden.
RiAG Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 28, 43 Nr. 4
Forderungen aus dem Wirtschaftsplan
und der Jahresabrechnung
Soll mit der Jahresabrechnung eine (weitere) Anspruchsgrund-
lage für die im Wirtschaftsplan beschlossenen Hausgelder
geschaffen werden, ist der entsprechende Beschluss mangels
Beschlusskompetenz nichtig. Dies ist bei einer Abrechnung,
die nur tatsächliche Zahlungen und Ausgaben enthält und ein
Ergebnis als „Nachzahlung/Summe“ vorsieht, der Fall.
Forderungen aus dem Wirtschaftsplan und der Jahresabrech-
nung (Abrechnungsspitze) stellen unterschiedliche Streitge-
genstände dar, sodass eine Anspruchsänderung nur im Wege der
Klageänderung möglich ist.
LG Frankfurt a. M., Urteil vom 25.10.2018, 2-13 S 68/18
Bedeutung für die Praxis
Wer einen „Abrechnungssaldo“ aus dem Beschluss über die Jah-
resabrechnung einklagt, darf nicht darauf vertrauen, mehr als die
„Abrechnungsspitze“ als Differenz zwischen dem Hausgeld-Soll nach
dem Wirtschaftsplan und dem Abrechnungsergebnis der Einzelab-
rechnung zu erhalten.
Rückstände aus dem Wirtschaftsplan sind daneben zu verlangen bzw.
einzuklagen und können nur auf den Wirtschaftsplan gestützt wer-
den. Diese verjähren ein Jahr früher als die dasselbe Wirtschaftsjahr
betreffende Abrechnungsspitze.
RiAG Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 28, 43 Nr. 4
Fortgeltung beim Wirtschaftsplan; Jahresabrechnung mit negativer
Abrechnungsspitze
Für eine Fortgeltungsklausel in einem Wirtschaftsplan bis zur Beschlussfassung über den nächsten Wirtschaftsplan besteht eine Beschluss-
kompetenz (a. A. LG Itzehoe ZMR 2014, 144).
Nach dem Beschluss über die Jahresabrechnung begrenzt sich der Anspruch auf Forderungen aus dem Wirtschaftsplan auf den in der Jahres-
abrechnung ausgewiesenen Betrag.
Hat der Wohnungseigentümer keine Vorauszahlungen auf den Wirtschaftsplan erbracht, stellt eine „negative Abrechnungsspitze“ keine
Forderung des Wohnungseigentümers dar, gegen welche die WEG die Aufrechnung erklären kann. Wenn die Jahresabrechnung die Funktion
der Anpassung der Vorschüsse an die tatsächlichen Kosten hat, muss auch diese „Anpassung“ in denselben Zeitintervallen erfolgen, in denen
die Vorauszahlungen geschuldet sind.
LG Frankfurt a. M., Urteil vom 13.9.2018, 2-13 S 92/17
Bedeutung für die Praxis
Trotzdem ist eine Fortgeltungsklausel für einen konkreten Wirtschaftsplan,
die diesemWirkung verschaffen soll „bis zur Beschlussfassung über den
nächsten Wirtschaftsplan“, nicht der sicherste Weg zur Sicherstellung künf-
tiger Hausgeldzahlungen nach Ablauf des Wirtschaftsjahres. Besser ist es,
eine Fortgeltung für die beiden Folgejahre zu beschließen, längstens bis zur
Beschlussfassung über den nächsten Wirtschaftsplan. Hierdurch wird klar,
dass eine Fortgeltung nie bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag gelten soll.
Die Wohnungseigentümer können sich auch einfach dazu durchringen,
den Wirtschaftsplan bereits im Vorjahr zu beschließen (vgl. Casser ZWE
2016, 242).
RiAG Dr. Olaf Riecke, Hamburg