DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 2/2018 - page 65

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WEG §§ 10 Abs. 4, 21 Abs. 3-5, 22 Abs. 1
Bestimmtheitsgrundsatz; Beauftragung
von Gärtnerarbeiten
Die Formulierungen „lt. Gartenfachbetrieb geeigneten Pflanzen“,
„Ergänzung des Fahrrad-Abstellplatzes bis zum Haus“ und „mit den
Arbeiten wird die Fa. … beauftragt“ sind zu unbestimmt.
Im Beschluss müssen geregelt werden: Umfang der Maßnahme,
Finanzierung, Ablauf, Kostenvoranschläge.
Die Aufgaben der Eigentümerversammlung dürfen – insbesondere
durch unbestimmte Formulierungen – nicht auf Dritte (Verwalter,
Unternehmer) verlagert werden.
Eine Budgetierung ist nicht ausreichend, wenn es an einer Bezugnah-
me auf ein konkretes Angebot fehlt.
AG München, Urteil vom 6.9.2017, 481 C 7764/17
Bedeutung für die Praxis
Selbst ein Beschluss über eine „Montage einer Fahrradlaufschiene“ muss
auch deren Gestaltung, Größe und Befestigung regeln, sonst ist er zu
unbestimmt (AG Schwerin, Urteil vom 15.7.2016, 14 C 436/15, ZMR
2016, 916; vgl. auch zum Mindestinhalt eines Beschlusses LG Bremen,
Urteil vom 7.10.2016, 4 S 250/15, ZMR 2017, 83). Auch für nach der
Beschlussfassung neu hinzutretende Wohnungseigentümer muss klar
erkennbar sein, welche konkreten Arbeiten beschlossen wurden. For-
mulierungen wie „Der Verwalter wird ein weiteres Kostenangebot eines
Fachunternehmens einholen. Die Auftragsvergabe erfolgt in Abstimmung
mit dem Beirat“ sind sogar nichtig. Die Verweisungstechnik im Beschluss
entspricht auch nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn der
Bezugstext (Angebot o. Ä.) selbst bestimmt genug formuliert ist (vgl.
AG Hamburg-Blankenese, ZMR 2017, 765).
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 14, 15, 22 Abs. 1
Aufstellen eines nicht einbetonierten
3 m hohen Trampolins
Zu einem geordneten Zusammenleben von Miteigentümern gehört,
dass spielende Kinder anderer Miteigentümer bzw. deren Mieter und
dazugehörige auch größere Spielgeräte, soweit sie nicht übermäßig
stören, hingenommen werden müssen. Das nicht einbetonierte oder
sonst fest in dem Boden verankerte Trampolin stellt keine bauliche
Veränderung i.S.d. § 22 Abs. 1 WEG dar.
AG München, Urteil vom 8.11.2017, 485 C 12677/17
Bedeutung für die Praxis
Zum Trampolin entschied abweichend und zutreffend das LG Hamburg
(ZMR 2016, 562): „Wenn es nicht um die erstmalige Herstellung eines
teilungserklärungsgemäßen Zustands oder die Erneuerung eines qua Be-
schluss früher bereits genehmigten abgängigen Spielgeräts geht, liegt im
Aufstellen eines Trampolins eine bauliche Veränderung, die der Einstim-
migkeit bedarf.“
Man sollte sich von dem Gedanken lösen, dass „bauliche Veränderungen“
im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG immer mit Eingriffen in die Bausubstanz
verbunden sein müssen. Ob ein Trampolin nun einbetoniert wurde oder
sonst fest in dem Boden verankert ist, hat rechtlich keine entscheidende
Bedeutung. Dasselbe gilt für den Aufstellungsort im Bereich einer Son-
dernutzungsfläche. Eine bauliche Veränderung beinhaltet die dauerhafte
Umgestaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, und zwar nicht nur
durch Eingriff in die Substanz, sondern auch durch die bloße Veränderung
des Erscheinungsbildes des gemeinschaftlichen Eigentumes ohne Sub-
stanzeingriff, sofern diese über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder
Instandsetzung hinausgeht.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3, 22; BGB §§ 280, 823, 1004
Wahlrecht der Gemeinschaft beim Schadensersatz
1. Tritt ein Beseitigungsanspruch gem. § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB (hier: Anspruch auf Rückbau eigenmächtig eingebauter
Dachflächenfenster) konkurrierend neben die sich aus § 14 Nr. 1 WEG i.V.m. § 280 BGB und § 823 Abs. 1 BGB ergebenden Schadenser-
satzansprüche wegen Verletzung des gemeinschaftlichen Eigentums, so ist der einzelne Wohnungseigentümer nicht dazu berechtigt,
den Beseitigungsanspruch ohne Ermächtigung durch die übrigen Anspruchsinhaber geltend zu machen.
2. Bei einer Störung des Eigentums durch Umgestaltung (hier: eigenmächtig eingebaute Dachflächenfenster) findet die Beseitigung der
Störung bzw. der Störungsquelle gem. § 1004 Abs. 1 BGB nur durch komplette Rückgestaltung statt.
LG München I, Urteil vom 15.11.2017, 1 S 1978/16 (Revision zugelassen)
Bedeutung für die Praxis
Die Gemeinschaft hat bei Beschädigung des gemeinschaftlichen Eigen-
tums trotz bestehender Individualansprüche (auf Unterlassung bzw.
Beseitigung) das Wahlrecht, ob sie Geldersatz oder Wiederherstellen des
ursprünglichen Zustands vom Schädiger begehren will. Dieses Wahl-
recht würde den übrigen Eigentümern genommen, wenn ein Einzelner
den Gesamtanspruch ohne ihre Ermächtigung selbständig geltend
machen könnte. Solche auf die Wiederherstellung gerichteten Scha-
densersatzansprüche sind im Interesse einer geordneten Verwaltung
einheitlich, d. h. aufgrund einer gemeinschaftlichen Entscheidung der
Berechtigten, geltend zu machen. Ob es eines Vergemeinschaftungs-
beschlusses bedurfte, um den Klägern die Prozessführungsbefugnis zu
nehmen, ist streitig. Die Frage wird vom LG München I hier verneint.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
1...,55,56,57,58,59,60,61,62,63,64 66,67,68
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