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WEG §§ 16 Abs. 2, 27 Abs. 1 Nr. 4, 28 Abs. 2; BGB §§ 387 ff.
Aufrechnung gegen
Hausgeldforderungen
1. Gegen Beitragsforderungen der Wohnungseigentümerge-
meinschaft kann ein Wohnungseigentümer grundsätzlich nur
mit Forderungen aufrechnen, die anerkannt oder rechtskräf-
tig festgestellt sind (Fortführung des Urteils des Senats vom
1.6.2012, V ZR 171/11, NJW 2012, 2797).
2. Ein Verwalter kann eine mit einem Wohnungseigentümer ver-
einbarte Lastschriftabrede kündigen, wenn dieser an seiner
Ansicht festhält, mit einer streitigen Forderung gegen eine
Beitragsforderung der Wohnungseigentümergemeinschaft
aufrechnen zu können, und daraus weitere Konflikte drohen.
BGH, Urteil vom 29.1.2016, V ZR 97/15
Bedeutung für die Praxis
Nur durch ein solches Aufrechnungsverbot ist dauerhaft die Liqui-
dität der Gemeinschaft gesichert. Wer streitige Ansprüche gegen
den Verband zu haben meint, muss diese ggf. im justizförmigen
Verfahren nach § 43 WEG geltend machen. Wehrt sich ein Eigentü-
mer gegen einen Lastschrifteinzug des Wohngelds in voller Höhe und
erhebt obendrein noch zu Unrecht Vorwürfe gegen den Verwalter
wegen vermeintlich strafbaren Vorgehens, dann kann der Verwalter
den Eigentümer auf eigene Zahlungsvermittlung verweisen.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG § 12; GKG § 49a
Streitwert für Klage wegen Verwalter
zustimmung zur Veräußerung
Die Klage auf Zustimmung zur Veräußerung seines Wohnungsei-
gentums hat nicht nur einen Streitwert von 10% des Kaufpreises;
richtigerweise ist der volle Kaufpreis anzusetzen.
LG Frankfurt, Beschluss vom 4.4.2016, 2-09 T 592/15 (weitere
Beschwerde zugelassen)
Bedeutung für die Praxis
Wirtschaftlich hat die Entscheidung bei der Beurteilung des Prozessrisikos
große Bedeutung. Obwohl die Verweigerung der Zustimmung seitens des
Verwalters kein absolutes Veräußerungshindernis darstellt – eine Veräu-
ßerung an einen anderen Erwerber ist ja noch möglich –, wird der Gegen-
ansicht (vgl. Hügel/Elzer, WEG, 2015, vor § 43 Rn. 91), die den Streitwert
nur auf 10 bis 20% des Verkaufspreises festsetzt, eine Absage erteilt.
Das Interesse des Klägers bestehe gerade in dem Verkauf an den bereits
ausgewählten Käufer zum vereinbarten Kaufpreis. Ebenfalls für 100%
des Kaufpreises: OLG München NZM 2014, 589: Dies gelte auch, wenn
es letztlich nur darum ging, ob an einen bestimmten Erwerber veräußert
werden kann, da nicht feststehe, ob andere Kaufbewerber, bezüglich derer
kein wichtiger Grund zur Verweigerung der Zustimmung besteht, zur
Verfügung stehen.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 15 Abs. 2, 46
Noch Miete oder schon Sondernutzung?
Eine langfristige Vermietung eines Kellerraums stellt in der Regel
keine Umgehung der für die Einräumung eines Sondernutzungs-
rechts erforderlichen Vereinbarung dar. Ein einfacher Mehrheitsbe-
schluss genügt insoweit. Der Mietzins für den Kellerraum kann nicht
an der ortsüblichen Taxe für Kfz-Stellplätze ausgerichtet werden.
LG Hamburg, Urteil vom 28.10.2015 – 318 S 9/15
Bedeutung für die Praxis
Nach OLG Hamburg (ZMR 2003, 444) ist eine Vermietung - auch auf
längere Zeit - generell als Gebrauchsregelung qua Mehrheitsbeschluss
zulässig; andererseits bedarf es zur Begründung selbst eines nur schuld-
rechtlichen Sondernutzungsrechts einer (allstimmigen) Vereinbarung.
Schon das BayObLG (NZM 2003, 807, Rn. 39 ff.) hat dies für eine
Vermietung von Gemeinschaftsflächen für 30 Jahre nach gescheiterter
Einräumung eines Sondernutzungsrechts wegen fehlender Einstimmigkeit
zugelassen. Damit ist die Hürde der Beschlusskompetenz genommen;
der Beschluss muss dann bei weitem Verwaltungsermessen nur noch
ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen oder mangels Anfechtung
bestandskräftig werden.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 14, 15, 22; BGB § 1004; ZPO § 265
Rückbau- bzw. Unterlassungsanspruch
wegen Nutzung eines Kaminzugs
Die Verjährung von Rückbauansprüchen führte lediglich dazu, dass
die übrigen Eigentümer insoweit eine – faktische – Duldungspflicht
trifft. Dies gibt den betreffenden Eigentümern nicht die Befugnis,
den geschaffenen Zustand später zu verändern, zu modernisieren
und instand zu setzen. Es erfolgt gerade keine Legalisierung der
ursprünglichen rechtswidrigen baulichen Maßnahme durch die Ver-
jährung des Beseitigungsanspruches.
LG Frankfurt/M., Urteil vom 17.12.2015, 2-09 S 45/11
Bedeutung für die Praxis
Eine Nutzung, die von der Teilungserklärung nicht gedeckt ist und über
die übliche Nutzung des § 15 WEG deutlich hinausgeht, rechtfertigt einen
individuellen Beseitigungsanspruch. Selbst die Verjährung führt nur
zur fehlenden Durchsetzbarkeit dieses Anspruchs auf Beseitigung einer
baulichen Veränderung durch und auf Kosten des Handlungsstörers. Mit
Ablauf der Verjährungsfrist bleibt der von ihm geschaffene Zustand aber
weiterhin rechtswidrig; er ist nicht wie bei einer Zustimmung rechtmäßig.
So kann die Gemeinschaft etwa beschließen auf Kosten aller den störenden
Zustand zu beseitigen.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg