DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 9/2015 - page 96

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RECHT
des § 123 StGB erfüllen. Nach § 123 StGB macht sich derjenige, der in
die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder
in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr
bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis
darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt,
des Hausfriedensbruchs strafbar. Grundsätzlich ist zwar der unmittelbare
Besitzer „Berechtigter“ im Sinne des § 123 StGB. Es scheidet aber nur
derjenige unmittelbare Besitzer nach Ablauf eines Miet- oder Nutzungs-
verhältnisses als möglicher Täter im Sinne des § 123 StGB aus, der seinen
fortdauernden unmittelbaren Besitz ersichtlich und erkennbar noch auf
den abgelaufenen oder aufgehobenen Mietvertrag bzw. die früheren
vertraglichen Vereinbarungen stützt und stützen will, etwa weil zwischen
den Vertragsparteien Meinungsverschiedenheiten über die Räumung
und die daraus resultierenden gegenseitigen Ansprüche zu klären sind.
Derjenige Mieter indessen, der seinen Besitz erkennbar aufgrund eines
neuen Entschlusses nicht mehr aus einem (früheren) Vertragsverhältnis
ableitet, sondern auf eine angemaßte und nicht schützenswerte ver-
meintliche Rechtsposition stützt, verdient keinen besonderen Schutz. Die
Rechtswidrigkeit im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB wird durch die Schutz-
gesetzverletzung indiziert. Durch den Schutzgesetzverstoß entziehen die
Verfügungsbeklagten dem Verfügungskläger die Nutzungsmöglichkeit der
Mietsache. Die Nutzungsmöglichkeit haben die Verfügungsbeklagten dem
Verfügungskläger im Wege der Naturalrestitution durch Räumung und
Herausgabe einzuräumen, § 249 Abs. 1 BGB.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB §§ 536, 536a, 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 555a Abs. 3
Auswirkungen der unberechtigten Verhinderung einer Mangelbeseitigung
durch den Vermieter
Verhindert der Mieter unberechtigt die Mangelbeseitigung durch den Vermieter, folgt aus den Grundsätzen von Treu und Glauben
gemäß § 242 BGB, dass er sich ab dem Zeitpunkt nicht mehr auf die Minderung berufen kann, ab dem die Mangelbeseitigung ohne sein
verhinderndes Verhalten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge voraussichtlich abgeschlossen gewesen wäre.
BGH, Urteil vom 13.5.2015, XII ZR 65/14
Bedeutung für die Praxis
An dem Mietobjekt traten Mängel auf. Die Klägerin kündigte gegen-
über den Mietern die Mangelbeseitigung an und bat um Bestätigung.
Diese verweigerten die Mieter jedoch und erklärten, das Mietobjekt für
die Sanierungsmaßnahmen nur zur Verfügung zu stellen, wenn vorab
die für eine sechswöchige Schließung des Restaurants zu erwartenden
„Umsatzausfälle sprich Fixkosten, Gewinnverluste etc. pp. geprüft
und finanziert bzw. geregelt“ seien. Eine solche Regelung unterblieb
ebenso wie eine Mangelbeseitigung.
Eine unberechtigte Duldungsverweigerung kann gemäß § 242 BGB
dazu führen, dass der Mieter sich auf die Minderung der Miete nicht
mehr berufen darf. Nach § 536 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB hat der Mieter
für die Zeit, während der die Tauglichkeit der Mietsache durch Mängel
gemindert ist, nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrich-
ten. Verhindert er jedoch unberechtigt die Mangelbeseitigung durch
den Vermieter, folgt aus Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, dass der
Mieter grundsätzlich wieder die ungeminderte Miete zu entrichten
hat. Eine treuwidrige Verhinderung der Mangelbeseitigung durch den
Mieter ist etwa dann anzunehmen, wenn er entgegen seiner Pflicht,
Maßnahmen zur Instandhaltung oder Instandsetzung (Erhaltungsmaß-
nahmen) zu dulden, Einwirkungen auf die Mietsache nicht zulässt oder
ihre Duldung von ungerechtfertigten Forderungen abhängig macht.
Zwar ist zutreffend, dass der Mieter gemäß § 538 BGB Veränderungen
oder Verschlechterungen, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch
herbeigeführt werden, nicht zu vertreten hat. Dies besagt jedoch nur,
dass der Mieter von Gesetzes wegen nicht verpflichtet ist, während
oder bei Beendigung des Mietverhältnisses eine durch den vertrags-
gemäßen Gebrauch notwendigerweise eingetretene Beschädigung der
Mietsache zu beseitigen. Eine gesetzliche Anordnung dahingehend,
dass der Vermieter für Einnahmeausfälle des Mieters während der
Mangelbeseitigungsmaßnahme aufzukommen hätte, ist damit jedoch
nicht verbunden. Diese Frage wird durch § 538 BGB vielmehr nicht
geregelt.
Nichts anderes gilt für § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB, der dem Vermieter die
Pflicht auferlegt, die Mietsache während der Mietzeit in einem zum
vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und zu
erhalten. Dem lässt sich nicht entnehmen, dass der Vermieter im Wege
einer Garantiehaftung immer dann und ohne Hinzutreten weiterer Um-
stände auf Schadensersatz haftet, wenn er dieser Verpflichtung vorü-
bergehend nicht genügen kann. Vielmehr sieht das Gesetz eine solche
Garantiehaftung in § 536 a Abs. 1 Alt. 1 BGB für anfängliche Mängel
vor, was den Umkehrschluss erlaubt, dass sie ansonsten ausscheidet.
Es erscheint auch sachgerecht, durch Erhaltungsmaßnahmen ver-
ursachte Einnahmeeinbußen dann, wenn den Vermieter weder am
Auftreten des Mietmangels noch an Umfang und Dauer der Mangel-
beseitigung ein Verschulden trifft, dem Mieter aufzuerlegen. Seinen
Interessen wird durch die Pflicht des Vermieters, die Erhaltungsmaß-
nahme rechtzeitig anzukündigen, Rechnung getragen, so dass sich
der Mieter nach Möglichkeit darauf einstellen kann. Gerade bei der
Gewerberaummiete kann die besondere Rücksichtnahmepflicht des
Vermieters bei nicht dringlichen Maßnahmen zudem eine zeitliche Ab-
stimmung mit dem Mieter gebieten, die etwa auf saisonale Besonder-
heiten Bedacht nimmt und dem Mieter ermöglicht, seinen Gewinnaus-
fall möglichst gering zu halten, beispielsweise indem er für die Zeit der
Erhaltungsmaßnahme Betriebsurlaub anordnet.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
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