DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 9/2015 - page 97

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9|2015
WEG § 14 Nr. 1
Bodenbelag in einer Eigentumswohnung:
Ersetzen von Teppichboden durch
Parkett; Schallschutz
Wird der in einer Eigentumswohnung vorhandene Bodenbelag (hier:
Teppichboden) durch einen anderen (hier: Parkett) ersetzt, richtet
sich der zu gewährende Schallschutz grundsätzlich nach der zur Zeit
der Errichtung des Gebäudes geltenden Ausgabe der DIN 4109; ein
höheres einzuhaltendes Schallschutzniveau kann sich zwar aus der
Gemeinschaftsordnung ergeben, nicht aber aus einem besonderen
Gepräge der Wohnanlage.
BGH, Urteil vom 27.2.2015, V ZR 73/14
Bedeutung für die Praxis
Der BGH stellt hier nahezu allein auf das nach Änderung des Bodenbe-
lags noch gerade DIN-gerechte Schallschutzniveau – bezogen auf den
Zeitpunkt der Erstellung des Gebäudes – ab. Sehr begrenzt sind demnach
bei älteren Gebäuden die Abwehransprüche bei Austausch des Oberbelags
eines Fußbodens durch den hiervon betroffenen Wohnungseigentümer.
Baubeschreibungen haben ebenso wenig Bedeutung wie Erklärungen in
Erwerbsverträgen. Im Einzelfall kommen Unterlassungsansprüche wegen
Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot in Betracht, wenn dem das
Trittschallniveau verschlechternden Eigentümer die Hellhörigkeit bekannt
ist. Beweisschwierigkeiten sind vorprogrammiert.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 10 Abs. 2 und 3, 21 Abs. 3
Vereinbarungen über Entscheidungs-
befugnisse und Entscheidungsumsetzung
Weicht die Gemeinschaftsordnung (oder eine spätere Vereinbarung
der Wohnungseigentümer) von der gesetzlichen Regelung der Ver-
waltung ab, ist dies für die Entscheidungsbefugnisse möglich; nicht
hingegen für die Entscheidungsumsetzung.
AG Halle/Saale, Urteil vom 24.3.2015, 120 C 3378/14
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung differenziert zwischen Entscheidungsbefugnissen
und Entscheidungsumsetzung, ohne die Verwaltungszuständigkeit zu
erörtern.
Zum Streitstand: Wird der Sondereigentümer durch Vereinbarung auch
zur Instandsetzung selbst verpflichtet, so müsste er selbst diese organi-
sieren; der Verband könnte allerdings, um ein koordiniertes Vorgehen zu
organisieren, die Aufgabe an sich ziehen, wenn die Wohnungseigentümer
eine sachgerechte Koordinierung nicht zustande bringen (so Schmidt-
Räntsch ZfIR 2014, 507, zweifelhaft).
Nach einer verbreiteten umstrittenen Meinung verliert die Gemeinschaft
dann sogar die Beschlusskompetenz, wenn nicht nur die Kostenlast dem
Einzelnen überbürdet wurde (vgl. LG München I ZMR 2014, 399; LG
Koblenz ZMR 2015, 57; LG Hamburg, ZMR 2014, 661).
Nach Vogel, ZMR 2010, 653, 654, hat im Zweifel die Gemeinschaft ihre
Verwaltungszuständigkeit und damit die Beschlusskompetenz.
Nach LG Berlin, Urt. v. 28.5.2013, 55 S 73/12, ZMR 2013, 918 = ZWE
2014, 222 ist es eine Frage der Auslegung, ob eine konkurrierende oder
verdrängende Kompetenzverlagerung vorliegt.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 43 Nr. 4; 46
Anfechtungsklage gegen die „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“
Ist die Anfechtungsklage hinsichtlich eines Entlastungsbeschlusses der Wohnungseigentümerversammlung gegen die „Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer“ gerichtet, so ist der nicht passivlegitimierte Verband als Beklagter hier Prozesspartei, auch wenn nach Anforderung
des Gerichts eine Eigentümerliste kommentarlos vorgelegt wurde. Eine subjektive Parteiänderung in der Berufungsinstanz ist nur mit Zu-
stimmung der neuen Beklagten zulässig; anderenfalls ist die Berufung zu verwerfen.
LG Frankfurt/M., Beschluss vom 14.4.2015, 2-13 S 164/14
Bedeutung für die Praxis
Endlich mal eine klare Absage an die klägerfreundliche Auslegung unzu-
reichender und falscher Klaganträge. Wer zu Unrecht den in Teilbereichen
rechtsfähigen Verband verklagte, sollte nicht auf die „übrigen Eigentü-
mer“ umschwenken dürfen.
Nach Ansicht des BGH dagegen (vgl. Urteil vom 12.12.2014, V ZR 53/14)
gehen verbleibende Unklarheiten zu Lasten des Klägers nur dann, wenn sich
das Rechtsschutzziel des Klägers auch durch die gebotene Auslegung unter
Einbeziehung der gesamten Klageschrift nicht eindeutig ermitteln lässt.
Bei der Fristwahrung trotz falscher Beklagtenbezeichnung ist der BGH
(vgl. Urteil vom 21.1.2011, V ZR 140/10, ZMR 2011, 483) noch groß-
zügiger. Die in § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG geregelte Klagefrist soll auch
durch eine innerhalb dieser Frist - verfehlt - gegen die Wohnungseigentü-
mergemeinschaft erhobene Klage gewahrt sein, sofern der Übergang zu
einer Klage gegen die - allein zu verklagenden - übrigen Mitglieder der
Wohnungseigentümergemeinschaft vor Schluss der mündlichen Verhand-
lung erfolgt.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG-RECHT
1...,87,88,89,90,91,92,93,94,95,96 98,99,100
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