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RECHT
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RECHTSSICHERHEIT
Liebe Personalexperten,
auf ein Versprechen
seines Chefs muss sich ein Mitarbeiter verlassen
können. Übersetzt in die juristische Sprache be-
deutet dies: Arbeitnehmer genießen arbeitsrecht-
lichen Vertrauensschutz. Dass dieser sogar greifen
kann, wenn gar nichts geregelt ist, weiß jeder,
der sich schon einmal mit dem Problem „betrieb-
liche Übung“ beschäftigen musste. Unklarheiten
gehen hier stets zulasten des Arbeitgebers, denn
Arbeitnehmer sollen, so auch der Gedanke der
AGB-Rechtsprechung, wissen, woran sie sind.
Aber sollte nicht auch ein Arbeitgeber wissen,
woran er ist?
Richtig, und dafür muss der
Gesetzgeber sorgen, denn schließlich gilt der
sogenannte „Vorrang des Gesetzes“. Das heißt,
dass die wesentlichen Rechte und Pflichten aus
einem (geschriebenen) Rechtsbuch klar ablesbar
sein müssen. Genau an dieser Stelle hapert es
aber nach wie vor gewaltig. Da gibt es zunächst
jede Menge Sachverhalte, die überhaupt nicht
gesetzlich geregelt sind und bei deren mühe-
vollen Klärung man vom Richterrecht spricht.
Dieses kann sich bekanntlich ständig ändern, was
kaum dazu beiträgt, dass Arbeitgeber wissen
können, woran sie sind. Hat man dennoch einmal
eine Vorschrift gefunden, die im weitesten Sinne
als Rechtsgrundlage dienen könnte, so wird es
keinen Deut einfacher. Begriffe wie Zumutbarkeit,
Erforderlichkeit oder dringende betriebliche
Gründe sind Leerformeln, die unausweichlich
wieder zum erwähnten Richterrecht führen. Aber,
so mag man einwenden, es bleiben zumindest
noch die Vorschriften, die ausnahmsweise einmal
eindeutige Vorgaben enthalten und an denen es
nichts zu deuteln gibt. Wenn zum Beispiel in
§ 622 BGB eine Kündigungsfrist aufgeführt wird,
dann ist diese doch eindeutig und nicht gegen
den Wortlaut auslegungsfähig, oder?
Weit gefehlt
, denn das Anwendungsverbot klarer
gesetzlicher Regeln ist eine weitere Spezialität
leitet das Ressort Recht im
Personalmagazin.
Thomas Muschiol
KOLUMNE. Wer Vertrauensschutz fordert, sollte
mit klaren Regeln für Rechtssicherheit sorgen. Das
genaue Gegenteil wird vom Gesetzgeber zelebriert.
Nicht nur Arbeitnehmer
sollten wissen, woran sie sind
Es ist kein
Regress wegen
Irreführung des
Rechtsanwenders
möglich
des arbeitsrechtlichen Richterrechts. Und einen
Teil des besagten § 622 BGB hat der Europäische
Gerichtshof schon vor Jahren für unwirksam
erklärt. Bewusst fahrlässig handelt hier der
Gesetzgeber, wenn er solche vermeintlich exakten
Definitionen im Gesetzbuch stehen lässt und
sich einen Teufel darum schert, dass Arbeitgeber
deshalb nicht wissen, woran sie sind. Obendrein
müssen sie dafür noch mit verlorenen Gerichts-
verfahren bezahlen.
Die Regierungsverantwortlichen selbst bleiben
dabei ungeschoren
, denn eine Handhabe, den
Staat für sein Nichtstun wegen Irreführung des
Rechtsanwenders in Regress zu nehmen, gibt es
leider nicht. Geht es dagegen um die Einnah-
meinteressen des Staates selbst, ist dieser aus an-
derem Holz geschnitzt. Soweit es um Änderungen
im Abgabenrecht von Lohnsteuer und Sozialver-
sicherung geht, werden unwirksame Vorschriften
umgehend und notfalls auch mal rückwirkend
ersetzt. Darauf können Sie sich mit Sicherheit
auch 2012 verlassen.
Verlassen können Sie sich aber auch auf die Re-
daktion des Personalmagazins
, die auch im neuen
Jahr nicht müde werden wird, Ihnen bei der Frage,
woran Sie sind, zur Seite zu stehen. Ich wünsche
Ihnen einen erfolgreichen Jahreswechsel.
Bei der
Entgeltabrechnung
setze ich auf ADP.
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