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personalmagazin 01 / 12
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COMPLIANCE
gelegt werden müsse (BVerfG, Beschluss
vom 23.6.2010, Az. 2 BvR 2559/08). Im
Nachgang hierzu hat auch der BGH in
dem die Siemens AG betreffenden Ver-
fahren (Beschluss vom 13.9.2010, Az. 1
StR 220/09) Zurückhaltung geübt: Die
verdeckte Finanzierung der „Aktionsge-
meinschaft unabhängiger Betriebsange-
höriger” auf Veranlassung des damaligen
Bereichsvorstands von Siemens wertete
er zwar als strafbare Betriebsratsbegüns-
tigung, nicht aber als Untreue. Der BGH
stellte klar, dass eine Untreue nur vorlie-
ge, wenn die verletzte Norm des BetrVG
vermögensschützende Wirkung habe.
Dies sei bei § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG
nicht der Fall, weil er allein die Integrität
der Wahl des Betriebsrats schütze, nicht
aber das Vermögen des Arbeitgebers.
Für eine Entwarnung ist es jedoch
zu früh, wie etwa eine Entscheidung
des BGH vom 13. April 2011 zeigt (Az.
1 StR 94/10). Nach wie vor kann nicht
ausgeschlossen werden, dass ein Ge-
richt zu der Überzeugung gelangt, ein
Personalvorstand oder Geschäftsführer
oder auch der Leiter Personal oder Lei-
ter Recht verletze seine gegenüber dem
Unternehmen bestehende Vermögensbe-
treuungspflicht, wenn er ohne wirksame
Rechtsgrundlage Zuwendungen aus dem
Unternehmensvermögen an Betriebs-
ratsmitglieder veranlasst oder billigt.
Die Verantwortlichen aufseiten des Ar-
beitgebers sollten hier daher keinesfalls
leichtfertig agieren.
Risiko drei:
Schadenersatzpflicht
Vorstände und Geschäftsführer haften
gegenüber dem Unternehmen auf Scha-
densersatz, wenn sie ihre Pflicht zur
sorgfältigen Unternehmensleitung ver-
letzen. Aber auch Mitarbeiter der nach-
geordneten Führungsebenen können bei
gravierenden Pflichtverletzungen auf
Schadenersatz in Anspruch genommen
werden.
Risiko vier:
Begünstigung als Steuerdelikt
Schließlich bedarf die mögliche Straf-
barkeit wegen Steuerhinterziehung nach
§ 370 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung
besonderer Aufmerksamkeit, wenn die
Begünstigung des Betriebsrats in der
Steuererklärung als Betriebsausgabe
deklariert wird (§ 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG).
Regress beim Betriebsrat?
Der Arbeitgeber kann und muss unzu-
lässige Begünstigungen nicht nur für die
Zukunft einstellen. Er kann rechtswid-
rig erbrachte Leistungen grundsätzlich
auch vom begünstigten Betriebsratsmit-
glied zurückfordern. Er muss dies häufig
sogar tun, wollen die Verantwortlichen
nicht selbst das Risiko der persönlichen
Haftung oder sogar Strafbarkeit einge-
hen.
Ein Regressanspruch in Form eines so-
genannten deliktischen Schadensersatz-
anspruchs wird in der Praxis jedoch nur
schwer durchsetzbar sein. Dem Arbeit-
geber wird es nur selten gelingen, dem
begünstigtenBetriebsratsmitglied (zumin-
dest bedingten) Vorsatz nachzuweisen.
Vielmehr wird das Betriebsratsmitglied
typischerweise geltend machen, von den
gesetzlichen Grundlagen der Betriebs-
ratsvergütung nichts gewusst, sich viel-
mehr darauf verlassen zu haben, dass
das Vorgehen des Arbeitgebers schon
„seine Ordnung habe“ – ohne dass der
Arbeitgeber das Gegenteil beweisen
könnte. Abgesehen davon, muss sich
der Arbeitgeber in der Regel ein Mitver-
schulden seiner (ehemaligen) Mitarbei-
ter, gegebenenfalls auch des zuständigen
Vorstandsmitglieds oder Geschäftsfüh-
rers zurechnen lassen, sodass sich der
Umfang des Schadensersatzanspruchs
verringert. In der Regel wird es aber
möglich sein, einen Regressanspruch
gegen das Betriebsratsmitglied auf den
sogenannten Bereicherungsanspruch
zu stützen. Nach herrschender Meinung
ist dieser Bereicherungsanspruch nicht
durch einen zugleich vorliegenden Ge-
setzesverstoß aufseiten des Arbeitgebers
ausgeschlossen.
Bösgläubigkeit verhindert Verjährung
Der Rückforderungsanspruch wird im
Ergebnis auch nicht verjährt sein. In der
Regel werden zwar die beteiligten Mit-
arbeiter der Personalabteilung zumin-
dest grob fahrlässige Unkenntnis von
den überhöhten Leistungen an das Be-
triebsratsmitglied haben. Der Arbeitge-
ber muss sich diese Kenntnis allerdings
nicht zurechnen lassen, wenn ihm der
Nachweis gelingt, dass das begünstigte
Betriebsratsmitglied bösgläubig war.
Gleichwohl sollten Sie das Verjäh-
rungsrisiko im Blick haben. Insbeson-
dere bei fortlaufenden Zahlungen wie
etwa einer monatlichen „Funktionszula-
ge“ oder ungerechtfertigten Rentenzah-
lungen sollten Sie daher gegebenenfalls
so frühwiemöglich IhreRückforderungs-
ansprüche gegenüber dem (ehemaligen)
Betriebsratsmitglied dem Grunde nach
geltend machen, um die Verjährung zu
unterbrechen.
Auch Mitarbeiter der Führungsebenen können bei
gravierenden Pflichtverletzungen auf
Schadenersatz in Anspruch genommen werden.
Fachanwältin für
Arbeitsrecht bei CMS
Hasche Sigle, Düsseldorf
Dr. Barbara Bittmann
Rechtsanwältin bei CMS
Hasche Sigle, Düsseldorf
Dr. Susanne Mujan