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RECHT
71
COMPLIANCE
Haftungsfalle Betriebsratslohn
ÜBERBLICK. Wer die Grenzen einer gebotenen Vergütung des Betriebsrats
überschreitet, setzt sich einem nicht unerheblichen Risiko aus.
Auch in einer zusätzlichen Freistellung
kann eine unzulässige Belohnung ver-
steckt sein. Sie ist nur zulässig, soweit
sie zur ordnungsgemäßen Erfüllung der
Betriebsratsaufgaben erforderlich ist.
Unzulässig ist jede darüber hinausge-
hende Freistellung – insbesondere jede
vollständige Freistellung abweichend
von den gesetzlichen Vorgaben. Sonstige
Nebenleistungen, wie günstigere Kondi-
tionen bei der Gewährung von Urlaub,
Dienstwagen, Arbeitgeberdarlehen und
Werkswohnungen, sind ebenfalls unzu-
lässig. Auch Besserstellungen bei Reise-
kostenabrechnungen sind verboten.
Pflicht zum Gegensteuern
Was häufig verkannt wird: Wenn der Ar-
beitgeber, etwa im Zusammenhang mit
internen Ermittlungen, auf unzulässige
Begünstigungen von gegenwärtigen oder
ehemaligen Betriebsratsmitgliedern auf-
merksam wird, muss er dagegen aktiv
angehen. Denn werden die Betriebsrats-
mitglieder weiterhin unzulässig begün-
stigt, so erfüllt dies, sofern zumindest
bedingter Vorsatz vorliegt, den Straftat-
bestand der Betriebsratsbegünstigung,
der mit Freiheitsstrafe von bis zu einem
Jahr oder Geldstrafe bedroht ist.
Das gilt auch für die Begünstigung
eines nicht mehr aktiven, ehemaligen
Betriebsratsmitglieds, sofern der Grund
in einer unzulässigen Zusage des Ar-
beitgebers während der Amtszeit liegt.
Beispiele hierfür sind Aktienoptionen,
die während der Betriebsratstätigkeit
eingeräumt, aber erst nach Ausscheiden
aus dem Betriebsrat gezogen werden,
und betriebliche Altersversorgungs-
leistungen auf Basis früherer unzuläs-
siger Gehaltserhöhungen.
Risiko eins: Betriebsratsbegünstigung
als Antragsdelikt
Die Betriebsratsbegünstigung ist in
§ 119 Abs. 1 Nr. 3 Betriebsverfassungs-
gesetz (BetrVG) als Antragsdelikt aus-
gestaltet. Antragsberechtigt ist der
Betriebsrat, der Gesamtbetriebsrat,
der Konzernbetriebsrat, eine sonstige
Arbeitnehmervertretung im Sinne von
§ 3 Abs. 1 BetrVG, der Wahlvorstand
oder eine im Betrieb vertretene Gewerk-
schaft. Einzelne Arbeitnehmer haben
dagegen kein Antragsrecht. Aufgrund
dieser Antragsbeschränkungen hat
§ 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bislang selten
praktische Bedeutung erlangt.
Risiko zwei:
Untreue als Amtsdelikt
Praktisch relevant und erheblich risiko-
behafteter ist aber die Strafbarkeit we-
gen Untreue (§ 266 StGB). Denn sie wird
von Amts wegen verfolgt. Es bedarf also
keines Strafantrags. Auch anonyme Hin-
weise können ein Ermittlungsverfahren
auslösen. Bis zum Sommer 2010 war es
einhellige Ansicht, dass die betriebsver-
fassungswidrige Begünstigung von Be-
triebsratsmitgliedern überwiegend auch
eine zur Untreue führende Pflichtver-
letzung darstellt (BGH, Beschluss vom
17.9.2009, Az. 5 StR 521/08 – Volkswa-
gen). Hieran könnten künftig Zweifel be-
stehen: Das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) fordert seit dem vergangenen
Sommer verstärkt, dass der Straftatbe-
stand der Untreue einschränkend aus-
Von
Barbara Bittmann
und
Susanne Mujan
W
enn Arbeitgeber die
Vergütung für Betriebs-
ratsmitglieder großzü-
gig bemessen, geschieht
dies nicht zwangsläufig in der Absicht,
Arbeitnehmervertreter gewogen zu
halten. Vielmehr will man mitunter
einfach der Tatsache Rechnung tragen,
dass Betriebsräte häufig mit komplexen
Fragestellungen befasst sind, die weit-
reichende Bedeutung für die Belegschaft
haben und einen hohen persönlichen
und zeitlichen Einsatz erfordern. Es
erscheint daher für manchen Arbeitge-
ber legitim, diese Verantwortung in der
Vergütung zu spiegeln, sei es durch Ge-
haltszulagen, einen Dienstwagen oder
eine aufgebesserte betriebliche Alters-
versorgung. Auch wenn dies mit den
zwielichtigen Zuwendungen aus den be-
kannten Affären rund um Volkswagen
und Siemens nichts zu tun hat, ist doch
der dabei zu beachtende Grundsatz der-
selbe: Begünstigungen sind nicht nur ar-
beitsrechtlich unzulässig, sondern auch
strafbar.
Direkte und indirekte Unzulässigkeit
Offensichtlich unzulässig ist es, eine di-
rekte Vergütung ausdrücklich für die Be-
triebsratstätigkeit zu vereinbaren oder
zu bezahlen. Dies gilt insbesondere dann,
wenn Funktionszulagen oder Sitzungs-
gelder gewährt werden. Aber auch eine
Gehaltserhöhung mit Blick auf die als
Betriebsratsmitglied erworbenen Kennt-
nisse oder die besondere Verantwortung
etwa des Vorsitzenden ist unzulässig.