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RECHT
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WERTGUTHABEN
oder der Verringerung der vertraglich
vereinbarten Arbeitszeit zu entnehmen.
Besonders wichtig ist die Vereinbarung
der Freistellungszwecke. Zu den gesetz-
lichen Freistellungsansprüchen des Mit-
arbeiters zählen
Pflegezeiten im Sinne des § 3 Pflege-
zeitgesetz sowie des neuen Familienpfle-
gezeitgesetzes,
Betreuungs- und Erziehungszeiten
nach § 15 des Bundeselterngeld- und El-
ternzeitgesetzes,
Verringerung der Arbeitszeit nach § 8
Teilzeit- und Befristungsgesetz.
Drittens: Negatives Wertguthaben
Das aus dem Wertguthaben fällige Ar-
beitsentgelt kann durch Arbeitsleistung
vor aber auch nach der Freistellung fi-
nanziert werden.
Viertens: Grenze von 400 Euro
Das monatliche Arbeitsentgelt muss
während der Freistellung 400 Euro über-
steigen. Es sei denn, die Beschäftigung
wurde bereits vor der Freistellung nur
als geringfügigeBeschäftigung ausgeübt.
Gestaltungsspielräume nutzen
Die gesetzlichen Freistellungsansprüche
gelten jedoch nur dann, wenn sie in der
zugrunde liegenden Wertkontenverein-
barung nicht ausdrücklich ausgeschlos-
sen wurden. Der Ausschluss betrifft
jedoch nur die Möglichkeit, diese Zeiten
aus dem Wertguthaben zu finanzieren,
ohne dass die gesetzlichen Ansprüche
der Arbeitnehmer auf Pflege-, Eltern-
zeit oder Teilzeitbeschäftigung generell
beschnitten werden. Die gesetzlichen
Freistellungsansprüche können aber
vor allem auch durch vertragliche Rege-
lungen erweitert werden.
Exemplarisch werden in § 7c Abs.
1 SGB IV Freistellungen unmittelbar
vor der gesetzlichen Altersrente (ruhe-
standsnahe Freistellung) und Freistel-
lungen zur Teilnahme an beruflichen
Qualifizierungsmaßnahmen aufgeführt.
Im Fall von Kurzarbeit müssen Wertgut-
haben nicht nach § 170 Abs. 4 Satz 3 Nr.
2 SGB III aufgelöst werden, wenn sie aus-
schließlich für die in § 7c Abs. 1 SGB IV
genannten Zwecke verwendet werden.
Inwieweit dies auch für die nicht aus-
drücklich im Gesetz genannten vertrag-
lichen Freistellungszwecke gilt (etwa ein
Sabbatical), ist strittig. Unabhängig vom
Zweck ist es wichtig, klare Spielregeln
bei der Inanspruchnahme einer Freistel-
lung zu vereinbaren. Eine entsprechend
der Freistellungsdauer angemessene An-
kündigungsfrist des Arbeitnehmers und
ein auf dringende betriebliche Gründe
begrenztes Ablehnungsrecht des Arbeit-
gebers gewährleisten Planungssicher-
heit. Außerdem sollte der Umgang mit
Sonderzahlungen und Sozialleistungen
des Arbeitgebers während der Freistel-
lungsphase geregelt werden. Gleiches
gilt fürUrlaubsansprücheundKrankheit.
Störfallabrechnung
Kann das Wertguthaben planwidrig
nicht für Freistellungszeiten verwendet
werden, bestehen im Folgenden aufge-
zeigte Handlungsalternativen.
Wird das Wertguthaben nicht für
Freistellungen verwendet, kommt es
zu einer Störfallabrechnung nach § 23b
Abs. 2 und 2a SGB IV. Dabei handelt
es sich um ein besonderes Beitragsbe-
rechnungsverfahren, bei dem das voll-
ständige Entgeltguthaben, höchstens
jedoch der Differenzbetrag zwischen
beitragspf lichtigem Arbeitsentgelt
und jeweiliger Beitragsbemessungs-
grenze während der Einbringungs-
phase (SV-Luft) abgerechnet wird.
Endet die Beschäftigung, erfolgt unter
den Voraussetzungen des § 7f SGB VI
die Übertragung des Wertguthabens auf
einen Folgearbeitgeber oder die Deut-
sche Rentenversicherung Bund, die wie
ein Folgearbeitgeber für die Abwicklung
des Wertguthabens Sorge trägt.
Eine sozialversicherungsfreie Verwen-
dung der Wertguthaben für eine betrieb-
liche Altersversorgung ist nicht mehr
möglich. Inwieweit Umwandlungen aus
Wertguthaben der Besteuerung unter-
liegen, richtet sich nach dem jeweiligen
Durchführungsweg.
Verwaltung von Wertkonten
Wertguthaben sind als Arbeitsentgelt-
guthaben einschließlich des darauf
entfallenden Arbeitgeberanteils am Ge-
samtsozialversicherungsbeitrag zu füh-
ren. Die Einbringung von Arbeitsentgelt
in das Wertguthaben erfolgt zunächst
steuer- und sozialversicherungsfrei. Die
Fälligkeit der Sozialversicherungsbei-
träge wird abweichend vom ansonsten
geltenden Entstehungsprinzip auf den
Entnahmezeitpunkt verschoben. Über
die Entwicklung der Wertguthaben
müssen Arbeitgeber die Beschäftigten
mindestens einmal jährlich in Textform
unterrichten. Dies ist nach § 126b BGB
auch per E-Mail möglich.
Wie beschrieben, wird die Fälligkeit
der Sozialversicherungsbeiträge für die
gebildeten Wertguthaben auf die Frei-
stellungszeiträume verschoben, § 23b
Abs. 1 SGB IV. Dazu ist der Arbeitge-
ber nach § 8 Abs. 1 Nr. 7 Beitragsver-
fahrensverordnung Änderungen des
Wertguthabens (Zu- und Abgänge), den
Abrechnungsmonat der ersten Gut-
schrift sowie den Abrechnungsmonat
für jede Änderung und einen Nachweis
über die getroffenen Vorkehrungen zum
Insolvenzschutz in den Entgeltunterla-
gen aufzuzeichnen.
Administriert werden Zeitwertkonten-
systeme in aller Regel durch ein exter-
nes System. Als datenführendes System
sollte das HR-System des Arbeitgebers
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