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LOHNSTEUERRECHT
D
as Jahr 2012 steht aus Sicht
der Lohnsteuer unter den
Auswirkungen
wichtiger
Entscheidungen des Bundes-
finanzhofs (BFH). Im Bereich der Dienst-
reisen sowie bei der Überlassung von
Warengutscheinen hat sich viel getan,
und Engeltabrechner können durch die
Rechtsprechung des BFH zu kreativen
Gestaltungsmöglichkeiten beitragen.
Dienstreiseabrechnung erleichtert
Der Bundesfinanzhof hat zeitgleich am
9. Juni 2011 in drei Entscheidungen
wesentliche Teile des bisherigen steuer-
lichen Reisekostenrechts korrigiert. Die
wichtigste Folge für die Praxis: Die bis-
herige Definition einer „regelmäßigen
Arbeitsstelle“ wurde auf völlig neue
Grundsätze gestellt.
Aus folgenden zwei Erwägungen
ist die regelmäßige Arbeitsstelle im
Reisekostenrecht von Bedeutung:
Erstens liegen die (günstigen) steuer-
lichen Voraussetzungen für eine Dienst-
reise dann nicht vor, wenn es sich um
eine Fahrt vom Wohnort zu einer regel-
mäßigen Arbeitsstätte handelt. In einem
solchen Fall kann der Arbeitgeber sei-
nen Mitarbeitern keinerlei steuerfreie
Reisekosten erstatten. Ausgeschlossen
sind insoweit Fahrt- und Übernachtungs-
kosten sowie die Tagesspesen (Verpfle-
gungsmehraufwand).
Zweitens besteht eine weitere negative
Folge bei Vorliegen einer regelmäßigen
Arbeitsstätte für Mitarbeiter, die einen
Dienstwagen auch zur privaten Nutzung
Der BFH schafft Fakten
RECHTSPRECHUNG. Neue Urteile des Bundesfinanzhofs zur regelmäßigen Ar-
beitsstätte und zu Warengutscheinen bringen Handlungsbedarf für Abrechner.
Von
Andreas Sprenger
zur Verfügung haben, da in diesen Fäl-
len die Fahrten zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte Privatsache sind und als
geldwerter Vorteil versteuert werden
müssen. Liegt dagegen keine regelmä-
ßige Arbeitsstätte vor, so bleiben diese
Strecken als Dienstreise steuerlich un-
beachtlich.
Pro Mitarbeiter eine Arbeitsstätte
Bisher ging die Finanzverwaltung davon
aus, dass jeder Arbeitnehmer mehrere
regelmäßige Arbeitsstätten haben kann.
Insbesondere galten Einrichtungen des
Arbeitgebers, die der Arbeitnehmer mit
einer gewissen Regelmäßigkeit aufge-
sucht hatte, als regelmäßige Arbeitsstät-
ten. Vor allemgalt: Sobald einMitarbeiter
46 Mal im Jahr in einer Einrichtung des
Arbeitgebers erschienen ist, ging die Fi-
nanzverwaltung von einer regelmäßigen
Arbeitsstätte aus. Auch das nur kurze
Aufsuchen einer Einrichtung hatte steu-
erlich nachteilige Konsequenzen.
Jetzt hat der BFH festgelegt: Jeder
Arbeitnehmer kann maximal nur eine
regelmäßige Arbeitsstätte haben, bei
der es sich um eine arbeitgebereigene
Einrichtung handeln muss. Es bleibt da-
bei, dass Einsätze bei Kunden und Kon-
zerngesellschaften weiterhin generell
als Dienstreisen gelten. Darüber hinaus
geht der BFH davon aus, dass es auch
Fälle gibt, bei denen gar keine regelmä-
ßige Arbeitsstätte vorliegt.
Die (einzige) Arbeitsstätte bestimmen
Ist der Arbeitnehmer an mehreren Ein-
richtungen des Arbeitgebers tätig, muss
eine regelmäßige Arbeitsstätte bestimmt
werden. Es ist die Einrichtung, der der
Arbeitnehmer arbeitsrechtlich zugeord-
net ist, die er regelmäßig aufsucht und
in der er einen wesentlichen Teil seiner
eigentlichen Arbeitsleistung erbringt.
Dabei kommt es nicht auf den zeitlichen
Umfang an, sondern ob dort ein quali-
tativer Schwerpunkt der Tätigkeit liegt.
Eindeutig sind die Ausführungen des
BFH zu den Außendienstmitarbeitern,
die den Arbeitgeber nur zu Kontrollzwe-
cken oder für organisatorische Tätig-
keiten aufsuchen: Sie haben dort keine
regelmäßige Arbeitsstätten. Mitarbeiter,
die mehrere Filialen des Arbeitgebers
betreuen, haben dort ebenfalls keine
regelmäßige Arbeitsstätte, es sei denn,
eine Filiale bildet den Schwerpunkt der
beruflichen Tätigkeit.
Allerdings gilt es, genau und aufmerk-
sam hinzuschauen: Nach den aktuellen
Urteilen des BFH, mit denen er seine
eigene Rechtsprechung aus den Jahren
2004 bis 2010 korrigiert, wird es zukünf-
tig wieder Arbeitnehmer geben, die gar
keine regelmäßige Arbeitsstätte haben.
Bei diesen Personengruppen muss ne-
ben dem geldwerten Vorteil für eine er-
laubte Privatnutzung des Dienstwagens
(regelmäßig in Höhe von einem Prozent
des Bruttolistenpreises) kein Zuschlag
für Fahrten zwischen Wohnung und Ar-
beitsstätte mehr erfolgen.
Ebenfalls zu beachten ist die Tatsache,
dass die Urteile rückwirkend anzuwen-
den sind, da es sich um die Aufgabe der
bisherigen Rechtsprechung handelt. Die
Finanzverwaltung wird die Urteile zwar
akzeptieren. Allerdings wird die Ver-
waltung im Zusammenhang mit einem