Seite 37 - personalmagazin_2012_01

Basic HTML-Version

37
GUERILLA RECRUITING
MANAGEMENT
01 / 12 personalmagazin
auf originelle Wege, um Konsumenten
auf ein Produkt aufmerksam zu machen
und als Kunden zu gewinnen.
Originell und unkonventionell
Dieser Ansatz lässt sich auch auf das
Recruiting übertragen. Auch hier muss
ein Arbeitgeber sich aus der Masse der
Mitbewerber hervorheben, muss auf
sein Unternehmen aufmerksam machen
und von seinem Angebot überzeugen.
Eine unkonventionelle und überra-
schende Werbemaßnahme verleiht dem
Unternehmen gleichzeitig ein junges,
kreatives und dynamisches Image.
Guerilla-Recruiting ist typischerweise:
unkonventionell und provokativ, bis-
weilen sogar aggressiv
überraschend, flexibel und spektaku-
lär – die individuelle Aufmerksamkeit
wird angesprochen
kostengünstig und effektiv – ein un-
typisch geringer Mitteleinsatz führt
zu einer großen Wirkung
„ansteckend“ – die Verbreitung er-
folgt vielfach vor allem durch Mund-
propaganda.
Obwohl es schon einige Recruiting-Maß-
nahmengibt, diedemGuerilla-Recruiting
zugeordnet werden können, mangelt es
bisher noch an einer Systematisierung.
Gerade angesichts der Unüberschau-
barkeit der Maßnahmen erscheint eine
Einordnung sinnvoll – auch wenn die
Grenzen zwischen einzelnen Kategorien
oft fließend sind.
„Ambient Recruiting“
Vier Varianten des Guerilla-Recruitings
lassen sich unterschieden. Variante eins
ist das „Ambient Recruiting“: Wie imPro-
duktmarketing können auch fürs Recrui-
ting Medienformate genutzt werden, die
im direkten Lebens- und Freizeitumfeld
einer Zielgruppe platziert werden. Post-
karten, Bierdeckel und Posterwände kön-
nen mit provokativen Aufforderungen
zur Bewerbung bedruckt werden. Die
einfachste Umsetzung sind Aufkleber
auf Zügen, auf Lastwagen oder auf Lie-
ferwagen von Handwerksfirmen – mit
dem Verweis „Kollegen gesucht“. Auch
Mitarbeiter, die mit gelben T-Shirts als
lebende Stellenanzeigen auf einer Konfe-
renz zu sehen sind (so geschehen bei der
Lead-Award-Verleihung in den Hambur-
ger Deichtorhallen) betreiben „Ambient
Recruiting“.
Weitere Beispiele: Der Hamburger
Finanz- und Versicherungsdienstleister
Zeus positionierte Fahrräder mit Plakat-
anhängern in der Stadt und brachte groß-
flächige Plakatwerbung und Aufkleber
in S- und U-Bahnen an. Das Technologie-
unternehmen Festo drapierte Banner
an Autobahnbrücken, um so auf sein
Recruiting-Event „Nacht der Bewerber“
aufmerksam zu machen. Die Werbeagen-
tur „Farben + Formen“ entwickelte ein
eigenes Jobportal
d nutzte alle Varianten des „Am-
bient Recruitings“, um darauf hinzuwei-
sen: von Bierdeckeln und Aktionskarten
in angesagten Werbetreffs der Region
über Kfz-Anhänger, die ordnungsgemäß
vor den Büros der Mitbewerber geparkt
wurden, bis hin zu Schriftzügen auf
Bürgersteigen. Provokative Sprüchen
wie „War spät gestern?“ oder „Da geh’
ich lieber putzen!“ sollten wechselwillige
Werber locken.
„Viral Recruiting“
Variante zwei ist das „Viral Recruiting“:
Dieses nutzt die exponentielle Verbrei-
tung einer Werbebotschaft über das In-
ternet, um mit einer ungewöhnlichen
Botschaft für einen Arbeitgeber zu wer-
ben. ImMarketing sind die bekanntesten
Beispiele die „Moorhuhnjagd“ von John-
nie Walker und „Elf Yourself“ des Büro-
artikellieferanten Office Max.
Ein aktuelles Recruiting-Beispiel ist
die Kampagne der Werbeagentur Kem-
per Trautmann. Potenzielle Bewerber
können auf der Agentur-Website in die
Haut von André Kemper und Michael
Trautmann schlüpfen. Per Webcam wird
automatisch eine virtuelle 3D-Maske
über das Gesicht des Bewerbers gelegt,
die dann dessen Bewegungen folgt und
sie auf die Figuren auf dem Bildschirm
überträgt. Eine anderes Beispiel sind die
Filme der Züricher Verkehrsbetriebe,
bei denen der Chef einer Abteilung sich,
sein Unternehmen und den künftigen
Arbeitsplatz samt den Kollegen vorstellt
und aktiv um Bewerbungen bittet. Die
einfachste Form von „Viral Recruiting“
ist ein Werbeslogan am Ende der E-Mails
mit der Aufforderung, sich zu bewerben,
der automatisch verschickt wird.
„Trojan Recruiting“
Variante drei ist das „Trojan Recruiting“:
Es hat seinen Namen vom trojanischen
Pferd der griechischen Mythologie, in
dessen Bauch Soldaten versteckt waren,
um in einen geschützten Bereich einge-
lassen zu werden. Beim „Trojan Recrui-
ting“ spielen moderne Medien oft eine
Schlüsselrolle. So schuf die Hamburger
Agentur Scholz & Friends zusammen mit
einem Pizza-Service die „Pizza Digitale“.
Der Pizza-Service lieferte vier Wochen
lang bei jeder Bestellung seitens einer
anderen Kreativagentur die „Pizza Digi-
tale“ kostenlos mit. Sie war mit Tomaten-
sauce in Formeines QR-Codes belegt war.
Wer den QR-Code mit dem Smartphone
fotografierte, landete auf den Recruiting-
Seiten von Scholz & Friends.
Eine andere originelle Methode nutzte
die Agentur „Jung von Matt“ bei der
Suche nach Art-Direktoren: Dabei wur-
den Spitzenfotografen als „trojanische
Pferde“ eingesetzt. Sie präsentierten
Guerilla-Recruiting ist nicht nur unkonventionell
und provokativ, sondern auch kostengünstig. Die
Verbreitung erfolgt oft durch Mundpropaganda.