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PERSONALAUSWAHL
TITEL
01 / 12 personalmagazin
personalmagazin:
Was kann ein Perso-
naler tun, um solche Ausnahmen zu
erkennen und Lügen herauszufiltern?
König:
Ich würde zum Beispiel emp-
fehlen, im Bewerbungsgespräch eher
vergangenheitsorientierte Fragen
über bisherige Erfahrungen zu stellen.
Konkrete Situationen kann sich ein
Bewerber nur schwer komplett aus-
denken. Auch Assessment-Center sind
nicht davor gefeit, dass Bewerber schau-
spielern. Aber ein Bewerber hält ein ge-
spieltes Verhalten selten über mehrere
konkrete Übungen hinweg durch.
personalmagazin:
Ein weiteres Instrument
könnten Persönlichkeitstests sein. Kön-
nen diese auch verfälscht werden?
König:
Ja, in solchen Tests können sich
Bewerber auch positiver darstellen.
Manchmal binden Personaler in den
Tests Skalen zur sozialen Erwünscht-
heit ein, um herauszufinden, wie
ehrlich der Kandidat antwortet. Doch
bisher konnte nicht belegt werden, dass
das funktioniert. Meines Erachtens ist
es aber immer noch besser, wenn ein
Kandidat erkennt, welche Persönlich-
keitsmerkmale für einen bestimmten
Job wichtig sind und bei den Fragen
entsprechend positiver antwortet. Wenn
er nicht erkennt, dass zum Beispiel ge-
wissenhaftes Arbeiten immer erwartet
wird, will ihn auch niemand einstellen.
personalmagazin:
Also wieder eine akzep-
tierte Übertreibung ...
König:
Im Prinzip schon. Wenn Per-
sonaler den Test als ersten Auswahl-
schritt nutzen, können sie im weiteren
Auswahlprozess überprüfen, ob die
Angaben tatsächlich stimmen. Gerade
Tests kann man gut zu Beginn des
Auswahlprozesses einsetzen, um die
Bewerberzahl zu reduzieren.
personalmagazin:
Es kommt also auf die
Kombination der Instrumente an?
König:
Das auf jeden Fall. Personaler
sollten immer verschiedene Informati-
onsquellen in die Auswahl einbeziehen
und damit auch verschiedene Instru-
mente. Aber das allein reicht nicht aus
für eine gute Personalauswahl.
personalmagazin:
Was ist noch nötig?
König:
Bewerber können sich heute dank
der umfassenden Ratgeberliteratur
über alle Auswahlinstrumente informie-
ren und entsprechend vorbereiten. Das
hat einerseits zur Folge, dass sie sich
positiver darstellen können und ande-
rerseits – und das ist hier ausschlag-
gebend – zeigen alle ein ähnliches
Verhalten im Bewerbungsprozess.
Dadurch lassen sich nur marginale
Unterschiede zwischen den Bewerbern
feststellen, was Personalern die Aus-
wahl erschwert. Deshalb müssen sie
bestehende Instrumente weiterentwi-
ckeln oder neue Instrumente einsetzen,
die noch nicht bekannt sind.
personalmagazin:
Über kurz oder lang
werden aber auch diese Instrumente
wieder in den Ratgebern auftauchen ...
König:
Genau, dann müssen Personaler
wieder kreativ werden. Dieser Prozess
ist ja auch schon längst im Gang. Frü-
her haben die Personaler zum Beispiel
immer die Standardfrage nach den
Schwächen des Bewerbers gestellt. Die
Ratgeberautoren nahmen das auf und
schlugen vor, darauf mit „Ungeduld“ zu
antworten. Als das die meisten Bewer-
ber beherzigten, bekamen die Perso-
naler eine Standardantwort. Deswegen
brauchten sie wieder neue Fragen.
Dieser Prozess lässt sich anhand der
Theorie des „Signaling Game“ erklären,
wie ich in einer Studie belegt habe.
personalmagazin:
Wo wird dieser interak-
tive Prozess hinführen?
König:
Meine Prophezeiung ist, dass der
Auswahlprozess immer weiter eska-
lieren wird. Die Bewerber können sich
immer besser informieren und vorbe-
reiten, die Personaler müssen immer
weitere Instrumente entwickeln.
personalmagazin:
Wie sieht dann die Zu-
kunft der Auswahlinstrumente aus?
König:
Ich denke, Personaler werden
verstärkt Technologien entwickeln und
einsetzen. Es gibt zum Beispiel derzeit
eine Forschungsarbeit, bei der mithil-
fe eines sogenannten „Eye Tracker“
versucht wird, die Position der Pupillen
zu verfolgen, um so herauszufinden,
ob jemand ehrlich antwortet. Ob das
funktioniert, wird noch getestet. Andere
Wissenschaftler untersuchen gerade, ob
ein neuartiger Bewerbungstest bessere
Erkenntnisse bringen könnte. Dieser
soll auf den ersten Blick so aussehen
wie ein Leistungstest, bei dem es objek-
tiv richtige Antworten gibt. Die Fragen
werden aber so gestellt, dass keine
eindeutige Antwort möglich ist. Anhand
des Antwortverhaltens kann dann die
Persönlichkeit des Bewerbers erfasst
werden.
personalmagazin:
Hat das ständige Aufrü-
sten bei den Auswahlinstrumenten mit
dem Fachkräftemangel ein Ende?
König:
Auf der Bewerberseite schon. Die
werden sich nicht mehr so gut vorberei-
ten und positiv darstellen müssen, um
zu überzeugen. Dann wird der Pro-
zess aber aufseiten der Unternehmen
eskalieren. Die Arbeitgeber werden sich
mit ihrer Eigendarstellung gegenseitig
überbieten.
Die Ratgeberliteratur bietet immer bessere
Informationen, mithilfe derer sich Bewerber
perfekt vorbereiten und dann darstellen können.
Das Interview führte
Kristina Enderle da Silva.