Seite 17 - personalmagazin_2012_01

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kommen nicht infrage. „Wir sind davon
überzeugt, dass ein Partyfoto eher et-
was über das Sozialleben des Bewerbers
aussagt, als über die fachlichen Fähig-
keiten im Job“, sagt Özden. Das Karrie-
reportal dagegen sei kostengünstig für
den Interessenten. „Zudem verringert
es die Bearbeitungszeit pro Bewerbung,
und ein potenzieller Mitarbeiter bleibt
enger mit dem Unternehmen in Kon-
takt.“ Einen grundlegenden Wandel im
Auswahlprozess erkennt Özden zurzeit
nicht. „Schaut man sich die Arbeitsweise
von Personalern im Rekrutierungspro-
zess gestern, heute und morgen an, so
hat sich handwerklich kaum etwas ver-
ändert. Grundsätzlich gilt: Die Eindrü-
cke aus Unterlagen und Arbeitsproben,
technischen Daten und die sozialen oder
persönlichen Fähigkeiten müssen ein
stimmiges Gesamtbild eines Bewerbers
reflektieren. Für die Bewertung müssen
Personaler über eine gewisse (Lebens-)
Erfahrung und Menschenkenntnis ver-
fügen, um Leistung, Potenzial und Team-
fähigkeit einschätzen zu können.“
Mehr Kompetenz im Online-Recruiting
Einen Trend zu Online-Bewerbungen
stellt Volker Westedt von der DB Schen-
ker Rail Deutschland AG fest. „Immer
mehr Bewerber stellen ihre vollständigen
Lebensläufe für alle einsehbar in Online-
Netzwerke ein. Klassische Papierbewer-
bungen sind zugunsten einheitlicher
Online-Bewerbung nahezu ausgestor-
ben.“ Eine Folge: Die Möglichkeit, den
Bewerber anhand eines individualisier-
ten Lebenslaufs einzuschätzen, sei nahe-
zu nicht mehr möglich. Dabei sei gerade
am Anfang des Bewerbungsprozesses
weiterhin der Lebenslauf das wichtigste
Instrument. „Aus ihm lassen sich objek-
tive Informationen (Schul- und Studien-
abschlüsse), aber auch Rückschlüsse auf
persönliche Eigenschaften (etwa durch
Priorisierung von Themen, Verwen-
dung von Schriften und Farben) entneh-
men. Zusätzliche Informationsquellen
im weiteren Bewerbungsprozess sind
Zeugnisse, Referenzen, Arbeitsproben
und bei DB Schenker Rail die gestellten
Tests und Verfahren (etwa Assessment-
Center oder Online-Tests). Insbesondere
bei Führungskräften treten schriftliche
Unterlagen in den Hintergrund, und das
persönliche Bewerbungsgespräch oder
die Auswahltests bilden die hauptsäch-
liche Informationsgrundlage.“
In Zukunft werde es noch mehr darauf
ankommen, frühzeitig im Bewerbungs-
prozess die vom Arbeitgeber geforderten
Kompetenzen mit den vom Bewerber
tatsächlich mitgebrachten Fähigkeiten
abzugleichen, sagt Westedt. „Dies kann
etwa durch speziell für den Arbeitgeber
entwickelte Online-Tests auf Basis des
Kompetenzsystems erfolgen. Jedenfalls
müssen die HR-Verantwortlichen ver-
mehrt Kompetenz im Online-Recruiting
aufbauen. Die HR-Organisation und ih-
re Prozesse sind heute oft noch an der
traditionellen Papierbewerbung aus-
gerichtet.“ Aber sowohl für online wie
für Papier gilt: „Zur Beurteilung eines
Bewerbers ist der persönliche Eindruck
immer noch das Beste.“
Zugeschnittene Lösung nutzen
Auch Anja Schön von Amway vertraut
auf Menschenkenntnis. „Expertise sollte
nicht isoliert vom Menschen bewertet
werden. Einen neuen Kollegen zu finden,
ist ein komplexer Entscheidungsprozess.
Letztendlich ist es nicht zielführend, sich
nur auf ein Instrument festzulegen, um
die Eignung des Bewerbers zu ermitteln“,
sagt Schön. Wichtig ist es vielmehr, eine
auf die gesuchte Funktion zugeschnitte-
ne Lösung zu finden. „Früher haben wir
für Amway einfache, meist lokale Posi-
tionen besetzt und mit standardisierten
Interviews oder Assessment-Centern
gute Ergebnisse erzielt. Mittlerweile
suchen wir für unsere Europazentrale
vor allem Fach- und Führungskräfte,
die dementsprechend spezifische und
komplexe Anforderungen erfüllen und
länderübergreifend agieren.“
Referenzen können beimManagement
durchaus hilfreich sein, meint Schön.
„Hier geht es schließlich nicht nur da-
rum, einen Experten zu finden, sondern
einen Vorgesetzten, der seine Mitarbei-
ter zu ihren Bestleistungen entwickeln,
Verantwortung für sein eigenes Tun
und das seines Teams übernehmen soll
und zugleich Vertrauensperson ist. Füh-
rungsqualität ist ein komplexes Thema,
das leider oft zugunsten fachlicher Ex-
pertise vernachlässigt wird. Hier greifen
wir gerne auf Persönlichkeitstests zur
Untermauerung gewonnener Eindrücke
zurück, um das Risiko einer Fehlein-
schätzung zu minimieren.“
Und wie sieht die Zukunft aus? „Der
Markt ist insgesamt schneller und nicht
zuletzt durch Social Media scheinbar
transparenter geworden. Die Konstan-
te die uns bleibt, ist der Mensch. Wie
auch immer sich die Zeiten ändern, Ex-
pertise und Charakter eines Menschen
bilden ein Zusammenspiel, das nicht
mit einem einzigen Instrument erfasst
werden kann.“
„Zu Beginn des Bewerbungsprozesses
ist der Lebenslauf das Wichtigste.“
Volker Westedt, Leiter Personalmanagement Zentrale, DB Schenker Rail
„Expertise und Charakter kann man mit
einem Instrument allein nicht erfassen.“
Anja Schön, HR Recruitment Specialist, Amway
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PERSONALAUSWAHL
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