PERSONALquarterly 3/2016 - page 53

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schäftigung“, betont Soziologe und Leiter Kompetenzmanage-
ment Bernd Dworschak. In „Arbeitsmarkt 2030“ untersucht
der Senior Researcher mit Forscherkollegen die Triebkräfte
der Arbeitsmarktentwicklung von technischen Innovationen
über Wissensmanagement und Bildung bis zum wirtschaft-
lichen Umfeld. „Jeder Rationalisierungsschub bringt Gering-
qualifizierte unter Druck“, sagt Dworschak. „Die Würfel fallen
in der Arbeitsorganisation.“ Digitale Assistenzsysteme, der
Grad der Automatisierung und Systeme zur Unterstützung von
Entscheidungen, die der Mensch am Arbeitsplatz trifft, verän-
dern aber sowohl einfache Tätigkeiten als auch die Arbeit von
Facharbeitern und Meistern oder Technikern. Der berufliche
Strukturwandel erfasst Fertigungs- wie Büroberufe in vielen
Branchen. „Das Risiko kommt auf der nächsten Qualifizie-
rungsstufe an“, so der IAO-Forscher. Und: „Lern- und persön-
lichkeitsfördernde Arbeit, in der Kreativität abgefordert wird,
hat eine größere Anpassungschance.“ Für Bernd Dworschak
geht es nicht um die moralische Frage, die hinter Arbeits-
platzverlust oder -erhalt steht, sondern darum, wann es sich
für Unternehmen lohnt, in Veränderungen zu investieren – in
technische, aber auch in Berufsbilder und die Umgestaltung
von Arbeitsplätzen. „Wir wollen Unternehmen sensibilisie-
ren“, so der IAO-Forscher. „Denn Motivation, Engagement und
Kreativität von Mitarbeitern sind Werte, die die Produktivität
mitbestimmen.“
Mit Szenarien dem künftigen Arbeitsmarkt auf der Spur
Auch Professor Enzo Weber nutzt Szenarien für die Zukunfts-
forschung. Der Forschungsbereichsleiter für Prognosen und
Strukturanalysen rund um den Arbeitsmarkt beim Nürn-
berger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)
hält eine rein technologische Betrachtung der Digitalisierung
„nur für die Hälfte der Miete“. Er setzt auf eine gesamtwirt-
schaftliche Perspektive: „Man muss die Technologien und die
V.l.n.r.: Dr. Ulrich Zierahn (ZEW, Mannheim), Bernd Dworschak (IAO, Stuttgart), Prof. Dr. Enzo Weber (IAB, Nürnberg )
Wirtschaft von morgen betrachten.“ In der Studie „Industrie
4.0“ stützt sich sein Forschungsteam auf Szenariorechnungen
im Rahmen der BIBB-IAB-Qualifikations- und Berufsfeldpro-
jektionen. Im Einzelnen werden zunächst die Auswirkungen
erhöhter Investitionen in Ausrüstung und schnelles Internet
auf die Wirtschaft untersucht, in einer weiteren Stufe wird der
Personal- und Materialaufwand für Unternehmen modelliert,
schließlich wird die veränderte Nachfrage nach Qualifikati-
onen und Berufen studiert.
Die Ergebnisse: Der Bedarf entwickelt sich erstens hin zu mehr
akademischen Ausbildungen und zu mehr Dienstleistungen.
Und zweitens wird die Arbeitskräftebewegung zwischen Bran-
chen und Berufen sich stärker verändern als die Zahl der Er-
werbstätigen. Drittens werden die Umwälzungen nicht nur zu
mehr Gewinnen, sondern auch zu einer höheren Lohnsumme
führen. Professor Weber ist sicher: „Die Verschiebungen ge-
hen auf Kosten von Personen ohne Abschluss und mit beruf-
licher Ausbildung. Untersuchungen zeigen, dass Akademiker
die Flexibelsten auf dem Arbeitsmarkt sind.“ Allerdings kann
die Technisierung auch Engpässe beheben, die gerade schon
durch den demografischen Wandel spürbar werden. Um dies
weiter zu untersuchen, verbreitern die Forscher aktuell ihr
Feld – von Industrie 4.0 auf Wirtschaft 4.0. So kann die Digi-
talisierung in der gesamten deutschen Wirtschaft betrachtet
werden.
Im Laufe des Jahres 2016 werden also sowohl die Wissen-
schaftler beim IAB wie auch beim ZEW mit neuen Ergebnis-
sen aufwarten. Und die Teams des IAO wollen beim Thema
digitale Arbeitsplatzgestaltung die Praxistauglichkeit ihrer
Analyse- und Gestaltungsmethoden sowie ihrer Zukunfts-
szenarien in betrieblichen Pilotprojekten prüfen. Das wird
auch Rückschlüsse auf das Digitalisierungstempo und die
ökonomischen Konsequenzen des Technisierungspotenzials
zulassen.
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