PERSONALquarterly 3/2016 - page 46

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ESSENTIALS
_REZENSIONEN
PERSONALquarterly 03/16
D
ie meisten Mitarbeiter beschäftigen sich auch in
ihrer Freizeit mit der Arbeit. Umfragen zufolge ist
jeder zweite Mitarbeiter in der Freizeit mit arbeits-
relevanten Tätigkeiten beschäftigt oder denkt über
die Arbeit nach. Dies kann kritisch werden, wenn negative
Gedanken an die Arbeit das Wohlbefinden und die Erholung in
der Freizeit beeinträchtigen. Dies legt den Schluss nahe, dass
Mitarbeiter am besten nach der Arbeit „abschalten“ und mög-
lichst wenig an die Arbeit denken sollten. Wie sieht es jedoch
aus, wenn die Gedanken an die eigene Arbeit positiv sind?
Kann das Wohlbefinden dann sogar steigen?
In drei Studien haben Meier und Kollegen diese Frage un-
tersucht. Die Ergebnisse zeigen im Zeitverlauf, dass positives
In der Freizeit gerne an
die Arbeit denken
Laurenz L. Meier
(University of Fribourg),
Eunae Cho
(Nanyang
Technological University) &
Soner Dumani
(University of South
Florida): The effect of positive work reflection during leisure
time on affective well-being: Results from three diary studies.
Journal of Organizational Behavior, 37 (2016), 255-278.
Reflektieren über die eigene Arbeit während der Freizeit das psy-
chische Wohlbefinden von Mitarbeitern fördern kann. Positive
Gedanken an die eigene Arbeit verringerten selbst negative Emo-
tionen. Diese Wirkung hielt dabei jeweils bis zum nächsten Mor-
gen an. Dieser Befund ist bedeutsam, weil in der Folge weitere
positive Gedanken über die Arbeit am nächsten Tag begünstigt
werden, sodass sich positive Aufwärtsspiralen ergeben können.
Eine Intervention, um positive Gedanken an die Arbeit bewusst
zu fördern, zeigte hingegen keine nennenswerte Wirkung auf die
Reflexion und das Wohlbefinden von Mitarbeitern.
Für die Praxis weisen die Ergebnisse auf den Nutzen positiver
Reflexion über die eigene Arbeit zur Steigerung des psychi-
schenWohlbefindens hin. Ein Nachdenken über die Arbeit wäh-
rend der Freizeit ist also nicht unbedingt schädlich; es kommt
allein auf einen positiven Fokus der Gedanken an. Dies ist häu-
fig einfacher umzusetzen als aufwendigere Interventionen wie
Stressbewältigungs- oder Achtsamkeitstrainings. Mitarbeiter
sollten darauf achten, wann und wie sie in ihrer Freizeit über
die eigene Arbeit nachdenken. Wenn negative Gedanken über-
wiegen, ist „Abschalten“ allerdings sicher nach wie vor sinnvoll.
Besprochen von
Dr. Nale Lehmann-Willenbrock
, VU Amster-
dam, Department of Social & Organizational Psychology
W
elchen Einfluss haben Gehaltssteigerungen auf
die Produktivität der Mitarbeiter? Befürworter
von höheren Gehältern argumentieren, dass
Mitarbeiter, die mehr Gehalt erhalten, motiviert
sind, höhere Arbeitsleistung zu erbringen. Um diesen Mecha-
nismus zu untersuchen, führten die Wissenschaftler ein Feld-
experiment durch. Anders als in Laborexperimenten wissen
die Teilnehmer hier nicht, dass sie Teil einer Studie sind. Die
Forscher kooperierten dazu mit einem Verlagsunternehmen,
das für einen begrenzten Zeitraum neue Mitarbeiter einstellte.
Die Aufgabe der Mitarbeiter bestand darin, Exemplare einer
neu erschienenen Zeitung auf öffentlichen Plätzen zu ver-
teilen. Dafür erhielten sie einen Grundlohn von 22 CHF pro
Mehr Gehalt – mehr
Produktivität
Alain Cohn
(University of Zurich),
Ernst Fehr
(University of
Zurich) und
Lorenz Goette
(University of Lausanne): Fair Wages
and Effort Provision: Combining Evidence from a Choice Experi-
ment and a Field Experiment. Management Science, 2015, Vol.
61, No.8, pp 1777-1794.
Stunde. Um zu testen, wie sich eine Gehaltserhöhung auf die
Arbeitsleistung auswirkt, wurde bei einer Gruppe der Stunden-
lohn um 5 CHF auf 27 CHF erhöht, während die Mitarbeiter
der anderen Gruppe weiterhin mit 22 CHF pro Stunde vergütet
wurden. Die Teilnehmer wussten nichts von der unterschied-
lichen Entlohnung der anderen Gruppe. Die Forscher erfassten,
wie viele Zeitungsexemplare die Mitarbeiter verteilten.
Das Ergebnis: Eine Gehaltserhöhung führte im Durchschnitt
zu einer höheren Produktivität der Mitarbeiter. Die Leistungs-
steigerung hing allerdings davon ab, wie fair sich die Mitarbei-
ter bezahlt fühlten. Nur bei denjenigen Mitarbeitern, die sich
unterbezahlt fühlten, zeigte sich im Zuge der Gehaltserhöhung
eine Leistungssteigerung. Die Mitarbeiter, die sich bei 22 CHF
angemessen oder überbezahlt fühlten, reagierten nicht. Die Pro-
duktivitätssteigerung erklären die Autoren so: Der erhöhte Lohn
führe dazu, dass diejenigen, die sich im Grundlohn unfair vergü-
tet fühlten, auf das Leistungsniveau derjenigen aufrückten, die
sich angemessen oder überbezahlt fühlten. Firmen können also
durch eine verständliche Erklärung des Gehaltsniveaus gegen-
über den Mitarbeitern wahrgenommene Fairness bezüglich der
Vergütung erhöhen und somit negative Reziprozität verhindern.
Besprochen von
Katharina Laske
, Seminar für ABWL und
Personalwirtschaftslehre, Universität zu Köln
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