DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 6/2015 - page 80

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MARKT UND MANAGEMENT
Wohnprojekte für ältere Homosexuelle
„Ein geschützter Raum,
in dem die sexuelle Orientierung keine Rolle spielt“
Unter den Wohnprojekten für spezielle Zielgruppen sind sie eine besondere Kategorie: Angebote für
ältere Schwule und Lesben. Pläne für solche Wohnformen gibt es viele, realisierte Vorhaben aber nur
wenige. Interessant ist dieser Ansatz auch für Wohnungsunternehmen – doch Erfahrungen aus Köln
und Berlin zeigen, dass die Umsetzung kompliziert ist.
Schwul-Lesbisches Wohnen e. V. heißt ein Kölner
Verein mit ehrgeizigen Zielen. Angestrebt wird
laut Vereinssatzung, „die Einsamkeit älterer
schwuler Männer und lesbischer Frauen aufzu-
brechen“ und „das Bewusstsein für alternative
Wohnformen innerhalb der lesbischen und schwu-
len Szene zu entwickeln“. Das Besondere daran:
Bei der Absichtserklärung des Vereins ist es nicht
geblieben. Seit 2009 gibt es in Köln-Ehrenfeld die
„Villa anders“, ein vom erwähnten Verein getra-
genes Wohnprojekt, das nach eigenen Angaben
„die Vorzüge des gemeinschaftlichen Mehrgene-
rationenwohnens mit einem geschützten Raum
vereint, in dem die sexuelle Orientierung keine
Rolle spielt“. 35 Wohnungen mit einem bis drei
Zimmern gibt es in der Wohnanlage, die von der
GAG Immobilien AG errichtet worden ist.
Eine Generation artikuliert sich
Auch in anderen deutschsprachigen Städten pla-
nen Initiativen Wohnprojekte für ältere Schwule
und Lesben. Diese Generation artikuliert sich an-
ders als früher, wie Christine Schuster und Christa
Edlmayr vom Institut für empirische Sozialfor-
schung (IFES), Wien, festhalten. „Die Generation
der älteren, offen schwul oder lesbisch lebenden
Menschen ist imWachsen begriffen“, schreiben sie
in ihrer 2014 veröffentlichten Studie „Wohnen,
Pflege und Betreuung im Alter bei Homosexuel-
len und Transgender“. „Historisch neu ist, dass
dieseMenschen ihre Lebensphase aktiv planen und
Alternativen zu traditionellen Lebensentwürfen
suchen.“
So ging auch in Köln die Initiative für die „Villa
anders“ von engagierten Schwulen und Lesben
aus. Sie suchten und fanden den Kontakt zur GAG
Immobilien AG, die unter ihremDach noch weite-
re Mehrgenerationenprojekte realisiert hat. „Als
mehrheitlich kommunale Wohnungsbaugesell-
schaft sind wir nicht nur dem Profit verpflichtet,
sondern auch offen für andereWohnformen“, be-
gründet GAG-Pressesprecher Jörg Fleischer das
Engagement seines Unternehmens. Erleichtert
wurde dies dadurch, dass die Stadt Köln vor Jah-
ren einen Zuschusstopf für solche Wohnprojekte
mit 850.000 € füllte. Die Auswahl der Bewohner
trifft der Verein; denMietvertrag schließt die GAG
ab. Eine Besonderheit ist, dass die neuen Mieter
einen so genannten Projektbeitrag von 400 € an
den Verein zahlen müssen, der nach Auszug nicht
zurückerstattet wird.
Schwieriger Weg zum Lebensort Vielfalt
Den Kontakt zu kommunalen Wohnungsbauge-
sellschaften und zu Wohnungsgenossenschaften
suchten auch die Initiatoren des wohl bekann-
testen Wohnprojekts für ältere Homosexuelle:
des 2012 eröffneten Lebensorts Vielfalt in Ber-
lin. Bereit 2003 entstand der Plan, ein auf die
Bedürfnisse älterer Schwuler ausgerichtetes
Wohnprojekt zu schaffen, wie Dr. Marco Pulver
berichtet, der bei der Schwulenberatung Berlin
Christian Hunziker
freier Immobilienjournalist
Berlin
International beachtetes Vorzeigeprojekt in Berlin-Charlottenburg: Der Lebensort Vielfalt
bietet hauptsächlich älteren Schwulen auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Wohnraum
Quelle: Schwulenberatung Berlin
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