DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 4/2015 - page 49

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Stromnetz entfallen Netznutzungskosten sowie
dazugehörige Umlagen. Selbst unter Berück-
sichtigung des teuren Zukaufs von Fremdstrom
zur Sicherstellung der Vollversorgung der Mieter
und bei Ansatz der 100%igen EEG-Umlage kann
der Mieterstrom für etwa 17 bis 22 ct/kWh netto
(gleich Endpreis, da Umsatzsteuer entfällt) an-
geboten werden.
Selbst nach dem Abzug von Managementkosten
und Gewinnmargen kann der Mieterstrom etwa
2 bis 3 ct/kWh unter dem aktuellen Marktpreis
angeboten werden. Der Mieter wird damit inkl.
des günstigeren Wärmepreises um bis zu 200 €
p. a. entlastet. Das Wohnungsunternehmen kann
zusätzliche Gewinne für neue Investitionen oder
zur Erhaltung günstiger Mieten generieren.
Chancen und Risiken des Mieterstroms
Günstiger Mieterstrom kann vor allem in Mieter-
märkten Vermietungsargument und deutlicher
Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Ver-
mietern sein. Die Mieterbindung wird erhöht,
zumal man etwas unabhängiger von der all-
gemeinen Strompreisentwicklung wird. Nicht
zuletzt ist die Umsetzung innovativer Projekte
im Klima- und Umweltschutz immer auch ein
Imagegewinn für das Unternehmen sowie das
betreffende Quartier.
Bei allen Vorteilen, die der Betrieb eines BHKW
und der Stromverkauf an die Mieter mit sich brin-
gen, bestehen derzeit jedoch auch Herausforde-
rungen und Risiken. Mieterstrom erfordert um-
fangreiches Know-how im Bereich technischer,
rechtlicher sowie steuerlicher Fragestellungen,
das sukzessive aufgebaut werden muss. Ebenso
müssen entsprechende Organisations- und Ab-
rechnungsstrukturen neu geschaffen werden.
Hier können am Markt etablierte Dienstleister
helfen.
Die derzeit größten Risiken liegen jedoch zum
einen in rechtlichen Unsicherheiten bei der er-
tragssteuerlichen Behandlung von Erlösen aus der
Stromvermarktung und zum anderen in diversen
schwerwiegenden Detailfragen, die energierecht-
lich gegenwärtig nicht klar geregelt sind. So ist
zwischenzeitlich z. B. eine intensive Diskussion
über die Definition des Stromeigenverbrauchs
entbrannt. Sehr viele Energiegenossenschaften,
die Strom produzieren und deren Mitglieder den
Strom verbrauchen, müssen aktuell die volle EEG-
Umlage entrichten. ImHinblick auf die Rechtslage
ist jedoch nicht eindeutig, ob sie nicht doch als Ei-
genverbraucher (mit einer 40%igen EEG-Umlage)
einzustufen sind.
Mit Blick auf die ertragssteuerlichen Kon-
sequenzen des Mieterstroms werden Erlöse
aus dem Stromverkauf derzeit als grundsätzlich
steuerschädlich für die erweiterte Gewerbe­
steuerkürzung eingestuft. Für Vermietungs-
genossenschaften kommt eine mögliche An-
rechnung der Stromerlöse auf die sogenannte
„10-Prozent-Grenze“ in Betracht. Aktuell wird
davon ausgegangen
4
, dass – anders als bei einer
PV-Anlage – ein BHKW eine Gemeinschaftsanla-
ge zur vorrangigen Produktion von Wärme mit
dem Nebenprodukt Strom ist und eine Anrech-
nung auf die 10-Prozent-Grenze damit nicht
erfolgt. Eine klare gesetzliche Regelung fehlt
aber bisher.
Zur Vermeidung steuerlicher Nachteile sollten
die Energieerzeugung bzw. -vermarktung bis zur
abschließenden Klärung der Steuerproblematik
in einer Tochtergesellschaft ausgelagert wer-
den. Eine Betriebsaufspaltung ist dabei jedoch
zu vermeiden.
Die Ausgründung einer Energiegenossenschaft
im Quartier ist nur dann vorteilhaft, wenn ju-
ristisch zweifelsfrei geklärt ist, ob der von den
Mitgliedern der Energiegenossenschaft bezogene
Strom lediglich mit 40% EEG-Umlage im Sinne
des Eigenverbrauchs belastet wird. Andernfalls
sind die Gründung und der Betrieb einer GmbH
aufwandsärmer.
Fazit
Viele der vom Verfasser befragten Unternehmen
würden zum Wohle ihrer Mieter und der Umwelt
Mieterstrom-Projekte realisieren. Aufgrund der
derzeit bestehenden steuerlichen und rechtli-
chen Unsicherheiten überwiegt jedoch häufig
noch die Skepsis. Bereits umgesetzte Projekte in
Wohnungsgesellschaften und -genossenschaften
zeigen jedoch, dass auch diese Risiken beherrsch-
bar sind und nach anfänglichen Schwierigkeiten
die Vorteile der Stromerzeugung deutlich über-
wiegen, so dass nach einem ersten Pilotprojekt
häufig weitere Projekte folgen.
1
Heizkosten: 130 kWh/m
2
a x 65 m
2
/ME x 0,08 €/kWh =
676 €/MEa, Stromkosten: 2.500 kWh/MEa x 0,28 €/kWh
= 700 €/MEa
2
3
Wohnen in Genossenschaften e. V. (Hrsg.): „Wohnungs-
genossenschaften als strategische Partner beim Klima-
schutz und einer nachhaltigen, sozial ausgewogenen
Energiewende“, Münster, 2014
4
Vgl. GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und
Immobilienunternehmen e. V. (Hrsg.), Arbeitshilfe 71:
Wohnungsunternehmen als Energieerzeuger, Berlin,
2013, S. 77 ff.
Fremdbezug
Genossenschaft
erzeugt Strom ct/kWh
Erzeugung
6,96
Netzentgelte
6,30
12,09
Konzessionsabgabe
1,70
KWK-Zuschlag
entfällt
-5,41
KWK-Umlage
0,18
entfällt
EEG-Umlage
6,24
6,24
Stromsteuer
2,05
entfällt
Offshore-Umlage
0,25
entfällt
Abschaltungsumlage
0,10
entfällt
Kosten der fingierten Hin- und Rücklieferung
für USt
entfällt
ca. 1,00
Stromkosten netto
23,78
13,92
Umsatzsteuer
4,52
entfällt
Stromkosten brutto
28,30
13,92
PREISKALKULATION
Preiskalkulation von reinem BHKW-Strom einer Wohnungsgenossenschaft inkl. Abschreibung der Kundenanlage;
bei Zukauf von Drittstrom liegt der Strompreis bei 17 - 22 ct/kWh
Weitere Informationen:
,
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Energie und Technik
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