editorial
wirtschaft + weiterbildung
01_2018
3
Janina Kugel ist „Chief Human Resources Officer“ der Siemens AG und
das „junge Gesicht” (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung) von
Siemens. Sie ist für die Medien die „Vorzeigefrau im Vorstand“, deren
Botschaft laute: „Ihr glaubt ja gar nicht, wie hip wir bei Siemens
unterwegs sind.“
Neulich trat Kugel als Rednerin auf dem „Talent Management Gipfel
2017“ in Berlin auf (ab Seite 22) und kam darauf zu sprechen, dass
Siemens weltweit flexible Arbeitszeitmodelle eingeführt habe und dass
das einigen Führungskräften in der Produktion grundsätzlich nicht in
den Kram gepasst habe. So habe sie per Mail einen Hilferuf von einem
Facharbeiter erhalten, der als alleinerziehender Vater sein Kind „erst“ um
6.00 Uhr im werkseigenen Kindergarten abliefern könne und dann
Probleme bekäme, weil er zehn Minuten zu spät zu seiner Schicht
erscheine. „Seine Führungskraft ist ein bisschen flexibler geworden, weil
ich sie angerufen und gefragt habe: Sagen Sie mal, geht‘s noch?“,
berichtete Kugel einem fasziniert zuhörenden Publikum von ihrer
Fähigkeit, Werksleiter strammstehen zu lassen.
Kugel zeigte damit beispielhaft: In Change-Prozessen wird Macht nicht
wegpartizipiert, sondern knallhart eingesetzt, wenn die Kraft der
Vernunft nicht ausreicht. Wer Macht besitzt, muss Blockaden
aufbrechen. Haben wir autoritär geführte Unternehmen früher etwa zu
unrecht beschimpft, wenn sie „motivieren“ mit „die Hammelbeine
langziehen“ übersetzten?
Alle Holacracy-Fans sollten bedenken: Durch eine breit angelegte
Partizipation setzt sich ein vernünftiges Argument leider nicht immer
durch. Machtkämpfe sind trotz modernster Führungskultur nicht zu
vermeiden. Die Mächtigen müssen allerdings höllisch aufpassen, dass sie
nicht beginnen, an so etwas wie die eigene Unfehlbarkeit zu glauben.
„Sagen Sie mal, geht‘s noch?“
Viele Inspirationen mit
unserem neuen Heft
wünscht
Martin Pichler, Chefredakteur