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10_2011
wirtschaft + weiterbildung
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so groß wird, dass man ermüdet, gelang-
weilt oder schlichtweg erschlagen wird.
Vielredner schaffen immer Zeitprobleme.
Das häufigste Motiv des Vielredners ist
das Erringen von Aufmerksamkeit, Ver-
ständnis und Anerkennung. Indem Sie
ihm zeigen, dass Sie von seinen Redebei-
trägen genervt sind und kaum noch zu-
hören, verstärkt sich sein Wortdurchfall
noch mehr, da es nicht zu der gewünsch-
ten Bedürfniserfüllung kommt. Bei den
Vielrednern ist es daher wie bei einem
schwierigen Hang beim Skifahren: Je
mehr Sie sich zurücklehnen, desto un-
kontrollierter wird die Fahrt.
Wie den Vielredner behandeln?
Zeigen Sie dem Vielredner zunächst, dass
Sie sehr interessiert und aufmerksam zu-
hören. Mit allem, was dazugehört: Kör-
perliche Zugewandtheit, Blickkontakt, zu-
stimmende Laute wie „Ja!“ oder „Hhm!“.
Nicken Sie ihm mit freundlichem Gesicht
zu. Wenn Sie ihn auf diese Weise ange-
triggert haben, klinken Sie sich in seinen
Buchtipp.
Erfahrene Trainer
erkennt man vor allem daran,
wie erfolgreich sie mit konflikt-
geladenen Seminarsituationen
und Teilnehmerwiderständen
umgehen. Wie Seminarleiter
innere Ruhe und Souveränität
im Umgang mit schwierigen
Situationen erlangen können
beschreibt Jürgen Schulze-See-
ger ausführlich in seinem Buch
„Schwarzer Gürtel für Trainer –
Wie Sie im Seminar nichts und
niemand zu Boden wirft“. Es ist im Jahr 2009 im Beltz
Verlag, Weinheim, erschienen, hat 311 Seiten und kostet
34,95 Euro (ISBN 978-3-407-36475-3). Dieser Ratgeber
durch die Tiefen der Seminarpraxis zeigt, was man bei wel-
cher Sorte von Katastrophen im Seminar tun kann, wie
man die dunklen Tage der Trainerlaufbahn vermeidet und
selbst widrigste Umstände dynamisch für die Lernleistung
der Teilnehmer nutzen kann. Leseproben gibt es auf der
Verlags-Homepage www.beltz.de.
Schwierige Seminare meistern
Redeschwall ein. Am besten durch ein
positives Wort wie „Okay!“. Der Vielred-
ner schreit nach Zustimmung und Bestä-
tigung. Werfen Sie also unmittelbar nach
dem Einklinker eine kurze Spiegelung,
Zusammenfassung oder Raffung ein.
Sprechen Sie seinen angefangenen Satz
mit oder führen Sie ihn auf Ihre Weise
zu Ende. Ihre Stimme ist dabei laut und
klar. Unterbrechen Sie nun den Vielred-
ner durch eine geschlossene Frage. Eine
Frage also, auf die er nur mit Ja oder Nein
antworten kann. Spiegeln Sie erneut und
raffen Sie seine Meinung zusammen auf
eine Kernaussage. Bestätigen Sie noch-
mal, indem Sie „… dann habe ich Sie
richtig verstanden?“ sagen.
Jetzt kommt das Backtracking. Der Begriff
Backtracking bedeutet so viel wie zurück
auf die Spur. Ein Backtracking ist etwa:
„Für unser Thema bedeutet das …“, oder:
„Dann schauen wir uns an, was das für
das bisher Gesagte bedeutet“. Und fahren
Sie nun in Ihrem Thema fort. An dieser
Stelle können Sie auch umlenken, indem
Sie einen anderen Teilnehmer auffordern,
seine Sicht einzubringen. Eine bestimmte
Form des Umlenkens ist besonders trick-
reich: Fragen Sie den Vielredner mitten-
drin: „Darf ich eine Frage stellen?“ Da der
Vielredner denkt, er darf gleich weiter-
reden, und sich über ihr Interesse freut,
gewährt er Ihnen Ihre Frage. Besonders,
wenn Sie ihn durch Ihr Nicken zum Zu-
rücknicken anstiften.
Dann aber kommt das Überraschende:
Sie stellen die Frage nicht an ihn, sondern
an einen anderen Teilnehmer. Verstär-
ken Sie Ihren Einfluss auf den Vielred-
ner durch Körperarbeit. Blocken Sie Ihre
Umlenkungen und Backtrackings durch
den Abbruch des Blickkontakts und eine
nun vom Vielredner abgewandte Körper-
haltung. Sitzt der Vielredner seitlich zu
Ihnen, können Sie ihm mit Ihrem Körper
in Härtefällen sogar die Sicht versperren.
Ihre angehobene Hand, die Handfläche
nach unten gerichtet, kann eine zusätz-
liche Eindämmung bewirken. Sie sehen,
wie aktiv Sie dem Vielredner gegenüber
auftreten müssen, um die Kontrolle zu
behalten. Eine besondere Form des Back-
trackings ist die überraschende Aufforde-
rung der Gruppe, etwas völlig Unerwar-
tetes zu tun (Methodenwechsel). Sagen
Sie mitten im Wortschwall des Vielred-
fender Verhaltensmuster gute Erfahrung
mit einem Pausengespräch gemacht, das
betont, dass wir offenbar unterschiedliche
Haltungen und Informationen zu dem
Thema haben und dass ich ahne, dass wir
diese hier nicht grundsätzlich vereinen
können. Dieses Gespräch endete meist
mit dem Commitment, unsere Auseinan-
dersetzung unter uns und in den Pausen
zu führen. Der Besserwisser wurde damit
zu einer Art geheimen Verbündeten. Ich
glaube, das Wichtigste dabei ist ihm, dass
er von mir respektiert und als Gesprächs-
partner ebenbürtig behandelt wird. Im
Seminar war es sogar manchmal so, dass
ich hernach den Besserwisser vor allem
gefragt habe: „Hast du hierzu noch an-
dere Informationen?“
3 Der Vielredner.
Auch Quasselstrippe oder Talkaholic. Der
Vielredner ist zumeist aktiv am Thema
beteiligt. Das ist angenehm. Nervig wird
es dann, wenn die Dosis seiner Beiträge
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