Seite 40 - wirtschaft_und_weiterbildung_10_2011

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fachbeiträge
40
wirtschaft + weiterbildung
10_2011
einen Feind. Einen Feind mit geschliffener
Zunge. Einen Feind, der keine Gelegen-
heit verstreichen lässt, Sie offen oder hin-
ter vorgehaltener Hand fertigzumachen,
und Ihnen damit viel Energie rauben
wird. Versuchen Sie es lieber mit der List
des Odysseus als mit der tumben Kraft
des Achilles. Der kritische Teilnehmer
verschafft Ihnen die Möglichkeit, Ihre
Einwandbehandlung zu perfektionieren.
Erlauben Sie dem Kritiker, kritisch zu
sein, er erfüllt eine für die Gruppe wich-
tige Funktion. Bedanken Sie sich für seine
kritischen Fragen und Anmerkungen.
Zeigen Sie, dass Sie auf Augenhöhe sind
und eine inhaltliche Auseinandersetzung
begrüßen.
Wenn es Ihnen oder der Gruppe zu viel
wird, können Sie zum einen das Muster:
Der Kritiker kritisiert und der Trainer ver-
teidigt, brechen. Eine typische Muster-
brechung, die schon mein Vater in seinen
Seminaren einsetzte, ist das theatralische
Zusammenbrechen vor der Gruppe. Auf
eine in der Form zu heftig vorgebrachte
Kritik hin, griff er sich ans Herz und fiel
rücklings zwischen die Stühle. Das löste
meist Gelächter aus und führte dem Kri-
tiker schmunzelnd vor Augen, dass das
wieder ein Volltreffer war. Bei der Strate-
gie des Umlenkens lenken Sie die kritische
Aussage des Kritikers zurück in die übrige
Gruppe und lassen diese dort behandeln.
Eine paradoxe Aufforderung hilft inso-
fern, als das Spiel aufgedeckt wird, das
der Kritiker mit Ihnen spielt: „Ich bitte
Sie, auch weiterhin sehr, sehr kritisch zu
beleuchten, was hier erarbeitet wird! Sie
erweisen der Gruppe und mir damit einen
großen Gefallen.“
Die Ich-Botschaft gegenüber dieser Ver-
haltenstendenz lautet sinngemäß: „Sie
merken, dass ich angesichts Ihrer kri-
tischen Einwürfe manchmal ordentlich
ins Schwimmen gerate. Auf der einen
Seite fordert mich das heraus, auf der an-
deren Seite merke ich, wie die Form mich
in Rage bringt!“ Sagen Sie das nicht so
ernst, sondern mit einem freundlichen,
heiteren Gesicht, damit der Teilnehmer
merkt, dass Sie ihn trotzdem respektie-
ren. „Ich versuche das sportlich zu neh-
men, würde mir aber wünschen, dass Sie
ein bisschen Schärfe rausnehmen. Dann
kann ich Ihnen gefasster antworten.“ Ver-
trauen Sie einfach auf Ihre Fähigkeit zur
Einwandbehandlung und verfeinern Sie
Ihre Argumentation.
2 Der Besserwisser.
„Ist es nicht eigentlich eher so, dass …“,
sagt der Besserwisser. Er schaltet sich
ständig ein, wenn es darum geht, Dinge
richtigzustellen. Ein für alle Mal. Ein be-
sonders schwieriger Untertypus des Bes-
serwissers ist derjenige, der zudem stets
darauf beharrt, es besser zu wissen, in
Wahrheit jedoch gerade mal auf solides
Halbwissen zurückgreift. Ich nenne ihn
den Halbwisser. Eine sehr spezielle Gat-
tung des Besserwissers ist der Ergänzer.
Zu fast allen Dingen, die Sie oder andere
Teilnehmer sagen, fällt dem Ergänzer
noch ein Quäntchen ein, das außer ihm
selbst niemand anderen interessiert. Sie
erkennen den Ergänzer an seinem Lieb-
lingssatz: „Dazu fällt mir etwas ein!“
Manchmal klären diese Teilnehmer wich-
tige Randinformationen oder stellen Dinge
richtig, die tatsächlich falsch rübergekom-
men sind. Gleichzeitig sind sie sehr inte-
ressierte und genaue Mensch. Sie sind auf
jeden Fall aktiv. Diese Aktivität lässt sich
gut für das Seminar nutzen. Der Besser-
wisser erfordert allerdings viel Zeit und
Aufmerksamkeit von Ihnen. Bei dem Halb-
wisser müssen Sie darüber hinaus ständig
richtigstellen, was falsch oder halb richtig
gesagt wurde. Zudem ist die Gruppe oft
von den schulmeisterlichen Belehrungen
irritiert bis genervt. Ich muss bei diesem
Typus oft an die Schlümpfe und den be-
brillten Schlaumi-Schlumpf denken. In
den Comics nehmen immer alle anderen
Reißaus, wenn sich der ständig besser-
wissende Brillenschlumpf nähert. Warum
weiß der Besserwisser alles besser? Weil
er viel weiß? Warum muss er es dann aber
allen ständig mitteilen? Das Motiv liegt
auf der Hand: Anerkennung und Beach-
tung. Wenn es ihm darum geht, Dinge, die
halb gesagt oder in seinen Augen unwahr
sind, richtigzustellen, kann das an seinem
Metaprogramm liegen.
Wie den Besserwisser behandeln?
Unterbrechen Sie den Besserwisser bei
zu langen Ausführungen mit „Ja!“ und
einer kurzen Spiegelung. Fügen Sie eine
Raffung dessen an, was erwartungsge-
mäß gleich gesagt wird. Beispiel: Der
Teilnehmer sagt: „Da gibt es aber einen
viel besseren Weg, das Gleiche zu errei-
chen. Man kann nämlich genauso gut
erst eine Bedarfsaufnahme machen und
…“ Trainer klinkt sich ein: „… die Ist-
Aufnahme dann anschließen. Das ist in
manchen Fällen durchaus sinnvoll. Eine
solche Ausnahme liegt zum Beispiel vor,
wenn …“.
Machen Sie den Besserwisser satt mit An-
erkennung. Wenn Ihnen dies aufgrund
einer überschwappenden Aversion schon
nicht mehr gelingt, so sagen Sie wenigs-
tens: „Ich sehe, Sie haben einiges zu
diesem Thema auf Lager. Korrigieren Sie
mich ruhig, wenn Sie andere Informatio-
nen hierzu haben“ (paradoxe Auffor-
derung). Irgendwann ist wiederum die
Ich-Botschaft vonnöten: „Seien Sie nicht
böse, dass ich allmählich etwas unter
Zeitdruck gerate, wir haben noch viel vor.
Wir haben jeweils am Ende eines Themas
ausreichend Zeit, um Widersprüchliches
zu klären.“ Das ist gleichzeitig eine Rück-
stellung. Ich habe bei dieser Art eingrei-
R
Jürgen
Schulze-Seeger
ist Geschäftsfüh-
rer der Bridge-
house-Gruppe in
Berlin. Er leitet unter anderem die
Trainerausbildung an der Bridgehouse-
Academy. Der gelernte Bankkauf-
mann studierte Betriebswirtschaft in
Berlin und Paris. Seit seinem ersten
Co-Training im Alter von 16 Jahren
und seiner ersten Ausbildung zum
Trainer ist Jürgen Schulze-Seeger als
ein leidenschaftlicher Sammler von
Methoden, Tools und Techniken rund
um die Erwachsenenbildung bekannt.
Im Herbst 2009 erschien sein Buch
„Schwarzer Gürtel für Trainer“ –
ein Handbuch für den Umgang mit
schwierigen Seminarsituationen“ im
Beltz Verlag.
Bridgehouse GmbH
Husemannstraße 16, 10435 Berlin
Tel. 030 44052660
www.bridgehouse.de
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