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fachbeiträge
42
wirtschaft + weiterbildung
10_2011
ners etwa: „Prima, warte mal, hierzu gibt
es eine Übung.“ Und an alle: „Nehmt ein
Blatt Papier und einen Stift zur Hand!“,
und in die nun erwartungsvollen Ge-
sichter: „Schnappt euch einen Partner
und fasst unser letztes Modul in zehn
goldene Regeln zusammen!“ Haben Sie
immer eine überraschende Mini-Übung
oder Demonstration zur Hand, um sie
als Backtracking-Verstärker für den Viel-
redner oder entgleitende Diskussionen
einzusetzen. Meiner Erfahrung nach sind
diese Methodenwechsel besonders wirk-
sam, wenn sie mit einer körperlichen Ak-
tivität beginnen. Stifte suchen, aufstehen,
Partner suchen – immer wird eine fest-
gebissene Diskussion gesprengt, indem
die Teilnehmer aus ihren eingesessenen
Körperhaltungen herauskommen.
Besonders witzig finde ich in Stimmungs-
und Meinungsabfragen beispielsweise das
„Redestreichholz“. Der Teilnehmer, der
an der Reihe ist, entzündet ein (Kamin-)
Streichholz und muss zum Ende gekom-
men sein, bevor das Streichholz zu Ende
gebrannt ist – und er sich schmerzhaft
die Finger ansengt. Erinnern Sie Vielred-
ner an die Spielregel. Wie immer nicht
strafend, sondern schmunzelnd. Wenn
gar nichts mehr hilft, setzen Sie Ich-Bot-
schaft, Appell und Feedback ein. „Sei so
gut und achte ein bisschen auf die Dosis
deiner Wortbeiträge. Mir fällt es manch-
mal schwer, dir noch zu folgen, weil mir
das zu lange dauert, und ich befürchte,
am Ende in Zeitnot zu kommen.“
Eine besondere Form des Vielredners ist
die Klette. Sie heftet sich immer dann an
Sie, wenn Sie gerade einen Moment Kon-
zentration und Stille brauchen. Sie wollen
sich als Trainer beispielsweise in der Se-
minarpause auf Ihr nächstes Seminarmo-
dul vorbereiten oder beim Aufhängen der
Charts Ihre Moduleröffnung nochmals
durchgehen. Allein, Sie können keinen
Gedanken fassen, da die Klette ungefähr
zehn Zentimeter neben Ihnen steht und
Ihnen eine Bulette ans Bein quatscht. Bei
allem Einsatz und aller Liebe: Manchmal
müssen Sie Ihre Teilnehmer darauf hin-
weisen, dass Sie sich konzentrieren und
vorbereiten müssen. Hierzu eine einfache
Ich-Botschaft: „Ich hab gerade Schwierig-
keiten, dir zu folgen, weil ich mich kurz
sammeln muss für das nächste Thema.
Können wir nachher sprechen?“
R
4 Der dominante Herrscher.
Diese Teilnehmer dominieren die Semi-
nargruppe auf unterschiedliche Art und
Weise. Harmlose Varianten sind Domi-
nanzen durch zu viele oder zu lange
Redebeiträge, Zwischenfragen, Vor-
schläge zum Seminarverlauf, zu starkes
Engagement in Gruppenübungen oder
bei den Seminarspielen. Sobald sich die
Dominanz auf den gewünschten Lernef-
fekt auswirkt, gilt es für den Trainer, zu
intervenieren. Es soll ja nicht nur einer
oder eine lernen, sondern möglichst alle
Teilnehmer.
Gelingt es Ihnen, den Dominanten auf
Ihrer Seite zu haben, gewinnen Sie an
Macht über die Gruppe und den Semi-
narverlauf. Das ist sehr bequem. Es sind
nicht nur die formellen Führer, die eine
Gruppe in der Hand haben. Dies ist bei-
spielsweise der Fall, wenn Sie hierarchisch
heterogene Gruppen vor sich haben. Die
Führungskraft mit dem jeweils höchsten
Dienstgrad hat dann das Sagen. Es gibt
in Gruppen jedoch häufig informelle Füh-
rer. Aus unterschiedlichsten Gründen hört
die Gruppe auf die Wünsche und Anmer-
kungen dieser Person und folgt ebenso
häufig deren Haltung zum jeweiligen Se-
minarthema.
Die informelle Führerin ist damit nicht
zwangsläufig schwierig in ihren Verhal-
tenstendenzen. Sie ist es nur dann, wenn
sie die übrigen Teilnehmer so weit beein-
flusst, dass eigenständiges Lernen und
Einbringen behindert werden. Sie erleben
das in Seminaren, in denen Ihnen Teil-
nehmer nicht direkt auf Ihre Frage ant-
worten, sondern zuvor einen winzigen
Seitenblick auf den informellen Führer
werfen, der dann gnädig nickt oder eine
offene Antwort per angedeutetes Kopf-
schütteln verhindert.
Wie den Dominanten behandeln?
Nehmen Sie den Dominanten beiseite
und decken Sie per Feedback seinen Ein-
fluss auf die Gruppe auf. Machen Sie ihn
zum Verbündeten, ohne sich anzubiedern
(geheimer Bund). Wenn es genug Über-
einstimmung zwischen Ihnen und dem
Herrschertypen gibt, haben Sie ohnehin
gewonnen. Jetzt müssen Sie nur noch bit-
ten, den anderen Teilnehmern ein wenig
mehr Raum zu lassen. Sagen Sie per Ich-
Botschaft, was Sie befürchten. Eine au-
genzwinkernde Übereinkunft. Dies ist
keine Flucht. Es ist eine List ähnlich dem
Trojanischen Pferd, um die Lernleistung
der Gruppe zu erhöhen. „Ich brauche
deine Hilfe. Ich merke, dass du in der
Gruppe eine Menge Anerkennung ge-
nießt und eine große Autorität innehast.
Ich befürchte allerdings, dass sich einige
Teilnehmer dadurch zu sehr mit ihren ei-
genen Beiträgen zurückhalten. Wundere
dich deshalb bitte nicht, dass ich dich bei
den nächsten Gruppenübungen ein biss-
chen raushalte, um die anderen mehr zu
fordern. Ist das okay für dich?“
Meist ist das dem Dominanten recht, weil
er selbst sich gerne mal ein bisschen zu-
rücklehnen möchte. Übt der Dominante
seine Macht überwiegend durch die
Länge seiner Beiträge aus, bitten Sie ihn
unter vier Augen, sich kürzer zu fassen,
um den Übrigen mehr Raum zu lassen.
Ansonsten halten Sie die üblichen Inter-
ventionen für Vielredner bereit, denn die
helfen auch hier.
5 Der Extremist.
Ob Macho, Verschwörungstheoretiker,
Ausländerhasser, Hardcore-Emanze oder
esoterischer Geisterbeschwörer – manch-
mal haben Sie als Trainer mit extremen
Haltungen und Weltbildern zu kämpfen.
Schwierig ist dieser Kampf, da durch
deren Filter alles, was Sie sagen, verzerrt
und in das eigene Weltbild eingefügt
wird. Sie kämpfen gegen Verallgemeine-
rung, Tilgung, Verzerrung und Blindheit.
Extremisten bringen Teilnehmer – und Sie
– gegen sich auf, sodass die Lernleistung
sinkt.
Ich erinnere mich an einen Fall, da eine
Teilnehmerin erzürnt drohte, mein Semi-
nar zu verlassen, wenn ich auf meinen
Seminarplakaten weiterhin nur männliche
Figuren malte. Ich versicherte ihr, keiner-
lei diskriminierende Absichten damit zu
verfolgen. Und dass ich Männchen ein-
fach besser zeichnen könne. Dennoch
bemühte ich mich anschließend um eine
größere Zahl weiblicher Figuren auf den
Charts. Was gänzlich nach hinten losging.
Im Abschluss-Feedback erfuhr ich dann
nämlich, dass deren mangels Übung
überwiegend zu groß oder zu unförmig
geskribbelte Busen auf mein „schwer ge-