Seite 38 - wirtschaft_und_weiterbildung_10_2011

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fachbeiträge
38
wirtschaft + weiterbildung
10_2011
deren schwer eroberte Wertschätzung mir
heute mehr gilt als alles andere und deren
Energie in Seminaren zu tief greifenden
Lernerlebnissen führte. Negativisten, die
aufblühten und optimistisch wurden,
wenn sie nur das richtige Lernumfeld und
die richtigen Stimuli geboten bekommen.
Tragen Sie durch Ihre Projektionen und
sich selbst erfüllenden Prophezeiungen
nicht noch zusätzlich dazu bei, dass der
Kritische in seiner Rolle als Kritiker ver-
stärkt wird. Der negative Teilnehmer mag
ein Problem darstellen. Wenn Sie auf ihn
mit negativer Bewertung reagieren, haben
Sie schon zwei negativ gepolte Menschen
im Seminar. Sie haben dann zwei Pro-
bleme statt eines.
Gleichwohl gibt es unter den Seminar-
teilnehmern hin und wieder echte Que-
rulanten. Trainer tun gut daran, sich auf
den Umgang mit ihnen vorzubereiten.
Die folgenden Stereotype, die nur eine
kleine Auswahl „toxischer“ Teilnehmer
abbilden, können dabei hilfreich sein:
1 Der Wadenbeißer.
„Glauben Sie das eigentlich selbst, was
Sie da erzählen?“, fragt der Wadenbeißer.
Er erfordert vor allem Ihre ständige Auf-
merksamkeit und eine permanente Ein-
wandbehandlung. Mit zusammengeknif-
fenen Augen verfolgt er jede Bewegung
und jedes Wort Ihrer Ausführungen, um
im richtigen Moment kritisch oder zerstö-
rerisch einzugreifen. Ich finde, ein Semi-
nar ohne Kritiker ist ein laues Seminar.
Ein Seminar ohne Widerstände erfordert
zudem keine Profitrainer. Der Kritiker er-
füllt für das Lernen in der Gruppe eine
sehr wichtige Funktion. Sie ersparen
sich als Trainer eine zu einseitige oder
zu optimistische Betrachtung des The-
mas. Der Kritiker ergänzt Ihre positiven
Ausführungen durch die Kehrseite. In
der Kritik stecken darüber hinaus große
Chancen, tiefer zu gehen, an das Eigent-
liche eines Themas zu gelangen. Denken
Sie daran: Sie trainieren, um Menschen
zu mehr Leistung zu befähigen. Wenn
dabei etwa mögliche Transferwiderstände
und Schwierigkeiten im Begreifen nicht
behandelt werden, weil dies aus einem
falschen Harmoniebedürfnis heraus aus-
geklammert wird, wird auch eine Umset-
zung nicht stattfinden. Erlauben Sie dem
Kritiker deshalb, kritisch zu sein.
Er hat nur eine andere Sichtweise der
Welt. Er sucht nach Hindernissen und
Problemen, an denen andere eher vor-
beigehen. Der Wadenbeißer ist aber ein
Teilnehmer, der es auf Sie und Ihre Per-
son abgesehen hat. Deshalb nutzt er oder
sie jede noch so kleine Chance, um Ihnen
persönlich eins auszuwischen oder Sie
bloßzustellen. Er sitzt meist in einer vor-
gebeugten lauernden Haltung und lächelt
hintergründig. Heimtückisch stößt er zu.
Unglücklicherweise ist dieses Verhaltens-
muster meist gepaart mit einer hohen rhe-
torischen Kompetenz. Die trainierte Zunge
des Wadenbeißers ist mitunter so scharf,
dass man damit Geflügel tranchieren
könnte. Die Beweggründe für solcherart
Kritik sind sehr komplex. Zum einen kann
sich der Teilnehmer durch Ihre heraus-
Selbst erfahrene Trainer schrecken in
tiefer Nacht schweißgebadet aus dunklen
Albträumen. Deutlich steht das zur Fratze
entstellte Gesicht eines ganz bestimmten
Teilnehmers vor ihnen. Das Blut stockt
und in entsetzlichen Sentenzen verneh-
men sie widerhallend böse Worte. Eine
längst vergangene Seminarsituation wird
erneut durchlitten. Teilnehmer, die gänz-
lich ablehnend, ungerecht, obszön, in-
trigant, verhöhnend, passiv, kleinkariert
oder verletzend das Trainerhonorar in
Schmerzensgeld wandelten.
In meiner Praxis bildeten sich nach und
nach Namen heraus, die als Stereotype
der Vereinfachung dienen. Stereotype
sind immer etwas unwirklich. Immer
sehr ungerecht. Doch, so hoffe ich, auch
ein bisschen unterhaltsam. Sie und ich
wissen, was gemeint ist, wenn ich etwa
vom „Besserwisser“ spreche. Doch lassen
Sie sich in Ihren Seminaren nicht zu vor-
schnellen und vereinfachenden Urteilen
über die Persönlichkeit Ihrer Teilnehmer
verleiten. Zu komplex ist dieses Wesen
Mensch, und zu leicht öffnen sich Schub-
laden, die sich danach unreflektiert für
immer schließen. Das wird den komple-
xen Zusammenhängen zwischen Kontext,
System und Beweggründen selten gerecht
und führt zu unwirksamen Interventio-
nen. Schauen Sie genauer hin. Erlau-
ben Sie Ihrem Teilnehmer, neben seinen
schwierigen Verhaltensmustern auch
andere Facetten seiner Persönlichkeit
hervorzukehren. Ich habe mittlerweile
tausendfach Wandlungen erlebt: Extrem
kritische und humorlose Teilnehmer –
TRAIN THE TRAINER.
Wenn es im Seminar schwierig wird, liegt das grundsätzlich am
Trainer, der sich oft zu schnell angegriffen fühlt und anfängt, mit einem Teilnehmer
„zu kämpfen“. Das jedenfalls ist die Erfahrung von Jürgen Schulze-Seeger, einem
langjährigen Führungskräftetrainer und Trainerausbilder. Doch manchmal gibt es auch
„toxische“ Teilnehmer, die ein Seminar sprengen, wenn der Trainer sich nicht gegen
ihre Spielchen wehrt.
Mit schwierigen Seminar-
teilnehmern klarkommen