WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 35/2015 - page 2

WI IM GESPRÄCH
Zuwanderern und Flüchtlingen die Nach-
frage nach bezahlbaremWohnraum aktuell
enorm an. Die Neubauzahlen können mit
dieser Entwicklung bei weitem nicht Schritt
halten – imGegenteil. Nach den kürzlich ver-
öffentlichten Zahlen des Statistischen Bun-
desamtes nimmt die Dynamik bei den Bau-
genehmigungen sogar wieder ab. „Bund,
Länder, Kommunen und die Wohnungs-
und Immobilienwirtschaft stehen vor einer
riesigen Herausforderung, die sofort ange-
gangen werden muss“, so Gedaschko. „Um
den Wohnungsneubau in den angespann-
ten Märkten anzukurbeln und dort für eine
Abmilderung der Wohnraum-Engpässe zu
sorgen, ist in dieser Notsituation ein geziel-
tes und zeitlich befristetes Sonder-Investiti-
onsprogramm notwendig. Der Bund und
die vom starken Zuzug betroffenen Län-
der müssten für den Neubau von 100.000
bezahlbaren Wohnungen in Gebieten mit
angespanntem Wohnungsmarkt, verteilt
auf fünf Jahre, jeweils 300 Millionen Euro
jährlich aufbringen.“ Darüber hinaus seien
dringend steuerliche Erleichterungen gebo-
ten, um Investitionen in Gang zu bringen.
Die steuerliche Normalabschreibung sollte
von derzeit zwei auf mindestens drei Pro-
zent erhöht werden. Außerdem sollte der
frühere Paragraph 7k des Einkommensteu-
ergesetzes wieder eingeführt werden. „Wir
brauchen in Deutschlands Ballungsregionen
mehr bezahlbaren Wohnraum für alle“, so
der GdW-Chef.
(burk)
Fortsetzung von Seite 1
Flüchtlingsunterbringung, angespannte
Mietwohnungsmärkte, steigende Bau­
kosten und demografischer Wandel. Das
Jahr 2015 hält große und wichtige The­
men bereit. Der Sprecher für Bau- und
Wohnungspolitik der Bündnis 90/Die
Grünen-Bundestagsfraktion hat der wi-
Redaktion dazu drei Fragen beantwortet.
wi: Der enorme Zustrom von Flücht­
lingen und Zuwanderern nach
Deutschland, insbesondere in die
ohnehin von Wohnungsmangel
betroffenen Ballungsregionen, reißt
nicht ab. Was muss getan werden,
um die Notsituation gerade in
angespannten Wohnungsmärkten
schnell abzumildern?
Kühn:
Wir Grüne haben schon mehr-
fach ein Bauprogramm in Höhe von
100 Millionen Euro für eine dezentrale
Unterbringung von Flüchtlingen gefor-
dert. Leider sind wir mit unseren Anträ-
gen dafür immer an der Großen Koalition
gescheitert. Aber Flüchtlinge brauchen
auch mehr als nur ein Dach über dem
Kopf. Damit die bei uns schutzsuchenden
Menschen wieder ein menschenwürdiges
Leben führen können, müssen wir zudem
ausreichend Sprachkurse und eine gute
Gesundheitsversorgung zur Verfügung
stellen. Ich bin sehr gespannt, wann die
Bundesregierung endlich aufwacht und
das Problem ernsthaft zu lösen versucht.
Dazu gehört auch, die soziale Wohn-
raumförderung aufzustocken. Hier müs-
sen sich der Bund und die Länder viel
stärker engagieren.
Immer weiter steigende Grund­
stückspreise, Baukosten, staatli­
che Auflagen, Steuern und Abga­
ben führen dazu, dass Neubau fast
ausschließlich im hochpreisigen
Segment stattfindet. Was ist zu tun,
damit Bauen und Wohnen wieder
bezahlbar wird?
Kühn:
Leider lässt sich seit einiger Zeit
der Trend beobachten, dass Wohnen
verstärkt zur Ware wird. Die Wohn- und
Immobilienmärkte unterliegen zuneh-
mend der Spekulationslogik profitorien-
tierter Unternehmen, die nicht die Mie-
terinnen und Mieter, sondern nur ihren
Profit im Blick haben. Um Wohnen für
alle bezahlbar zu halten, müsste man die
Ausnahmen und Schlupflöcher bei der
Mietpreisbremse, die auch den Neubau
umfassen, abschaffen. Wir brauchen
eine robuste Mietpreisbremse, die die-
sen Namen auch verdient. Die Moderni-
sierungsumlage muss deutlich abgesenkt
werden, um Verdrängung entgegen zu
wirken. Wir Grüne arbeiten außerdem
gerade intensiv an einem Konzept für
eine neue Wohngemeinnützigkeit.
Der deutsche Wohnungsmarkt
befindet sich zunehmend in einem
Spannungsfeld von Wachstumsre­
gionen mit Wohnungsknappheit
und Schrumpfungsgebieten mit
Leerstand. Welche wohnungspoliti­
schen Maßnahmen sind notwendig,
um diesen gegenteiligen Situatio­
nen gerecht zu werden und in ganz
Deutschland Wohnen mit Zukunft
bieten zu können?
Kühn:
In Gebieten mit Leerstand ste-
hen wir natürlich vor anderen Heraus-
forderungen als in den Ballungszentren.
Häufig sind es ältere Mitmenschen, die
dort wohnen. Wir müssen ihre Woh-
nungen der demographischen Entwick-
lung anpassen, genauso wie das Umfeld
und die Infrastruktur. Außerdem muss
auch über einen entsprechenden Rück-
bau diskutiert werden, um das Überan-
gebot zu reduzieren. Insgesamt müssen
unsere Dorf- und Stadtkerne attraktiv
gehalten werden. Baden-Württemberg
engagiert sich da sehr. Ich halte einen
Demographiefaktor bei der Vergabe
der Strukturfördermittel für sinnvoll.
Außerdem setze ich mich dafür ein,
dass altersgerechte Umbaumaßnahmen
zusätzlich bezuschuss werden. Dafür
muss das KfW-Programm „Altersge-
recht Umbauen“ weiterentwickelt und
um einen „Bewegungsfreiheitsbonus“
ergänzt werden.
Fotoquelle: Bündnis 90/Die Grünen – Bundestagsfraktion / Stefan Kaminski
Chris Kühn (Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen)
Mitglied des Bundestages
und Sprecher für Bau- und
Wohnungspolitik
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