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MANAGEMENT
_PERSÖNLICHKEITSPROFILE
personalmagazin 03/17
M
itte Dezember 2016 sorgte
ein Bericht zur Nutzung
von Big Data im US-Wahl-
kampf für Furore. Hin-
tergrund war ein Artikel der Schweizer
Zeitschrift „Das Magazin“. Titel: „Ich habe
nur gezeigt, dass es die Bombe gibt.“ Da-
mit spielen die Autoren auf den Physiker
Robert Oppenheimer an, der gemeinhin
als „Vater der Atombombe“ gilt. Und doch
ging es um einen anderen Wissenschaft-
ler — nämlich um den Psychologen Michal
Kosinski, der hier gewissermaßen als Va-
ter jener Persönlichkeitsprofile vorgestellt
wird, mit denen der US-Wahlkampf gezielt
beeinflusst worden sein soll. Wir wollen
nun einen nüchternen Blick auf die Ar-
beit von Kosinski werfen: Anhand seiner
wissenschaftlichen Veröffentlichungen
wollen wir zeigen, welche Aussagekraft
Persönlichkeitsprofile haben, die auf
Grundlage von Nutzerdaten aus den sozi-
alen Netzwerken entstehen. Dabei geht es
uns allerdings weniger um den US-Wahl-
kampf als vielmehr um die Frage, welchen
Stellenwert Big Data künftig im Personal-
management haben könnte und was in
diesem Feld überhaupt realistisch ist.
Forschung bei Facebook
Die Arbeiten von Michal Kosinski und
seinen Kollegen beruhen auf einer
einmaligen Erhebung von Persönlich-
keitsprofilen bei Facebook-Nutzern.
Für die Studie haben die Teilnehmer
einen Fragebogen beantwortet und der
wissenschaftlichen Verwendung ihrer
Daten zugestimmt. Je nach Auswertung
Von
Heiko Weckmüller
und
Ricardo Büttner
stützt sich die Studie auf Angaben von
bis zu 180.000 Facebook-Nutzern. Ob-
wohl es sich nicht um eine Zufallsstich-
probe handelt, dürfte die Repräsentati-
vität trotzdem nur wenig eingeschränkt
sein. Die verwendeten Fragen stammen
aus dem sogenannten „International
Personality Item Pool“. Damit basiert
der Fragebogen auf dem wissenschaft-
lich etablierten Big-Five-Modell der
Persönlichkeit. Durch die explizite Zu-
stimmung der Nutzer war eine perso-
nenbezogene Verknüpfung mit den in-
dividuellen Facebook-Profilen möglich.
Entzauberung der Algorithmen
Kosinski konzentriert sich auf die
„Likes“: Er versucht, individuelle Va-
riationen in den Persönlichkeitseigen-
schaften gemäß der Selbsteinschätzung
in den Fragebögen mithilfe von Likes
vorherzusagen. Dieser Schritt wird in
den Medien oft mit dem nebulösen
Begriff „Algorithmus“ umschrieben.
Tatsächlich handelt es sich jedoch um
statistische Zusammenhangsmaße in
Form von Korrelationskoeffizienten und
linearen Mehrfachregressionen mit ver-
gleichsweise kleinen Verfeinerungen.
Kosinskis Datengrundlage für diese Aus-
wertung beruht grob geschätzt auf etwa
70 Millionen Datenpunkten. Trotz dieser
scheinbar großen Datenmenge und ent-
gegen der Darstellung in den Medien
spricht Kosinski nicht von Big Data. Das
ist kaum verwunderlich, denn der Daten-
umfang seiner Untersuchung erfordert
keine spezifische Software, die über die
Funktionen handelsüblicher Statistik-
programme hinausgehen würde – eine
Voraussetzung, die zum Teil als Definiti-
onsmerkmal von Big Data gilt.
Zusammenhänge hinterfragen
Kosinski gibt seine Kernergebnisse
meist als Korrelationskoeffizienten an.
Der Korrelationskoeffizient beschreibt
den statistischen Zusammenhang zwi-
schen zwei Merkmalen im Bereich von
-1 (vollständiger negativer Zusammen-
hang) bis +1 (vollständiger positiver Zu-
sammenhang). In einer Studie von 2012
untersuchten Kosinski und seine Kol-
legen Yoram Bachrach, Thore Graepel,
Pushmeet Kohli und David Stillwell zu-
nächst Korrelationen bei abstrakten Me-
tadaten — zum Beispiel, wie die Anzahl
der Likes oder Gruppenzugehörigkeiten
mit der Persönlichkeit zusammenhängt.
Dabei stellten die Forscher nur sehr ge-
ringe Korrelationen mit Persönlichkeits-
eigenschaften fest, wobei diese spezielle
Auswertung aufgrund der geringeren
Verfügbarkeit von Metadaten ohnehin
kaum repräsentativ ist. Gerade bei den
personalwirtschaftlich zentralen Per-
sönlichkeitseigenschaften Gewissenhaf-
tigkeit und Verträglichkeit sind die Zu-
sammenhänge besonders gering — diese
Persönlichkeitseigenschaften sind etwa
im Zusammenhang mit dem Berufserfolg
und der Zusammensetzung von Teams
relevant. Abstrakte Metadaten, wie sie
Kosinski untersucht hat, eignen sich so-
mit kaum zur validen Prognose von Per-
sönlichkeitseigenschaften.
Interesse und Persönlichkeit
Vielversprechender ist die inhaltliche
Auswertung der Likes, also die Frage,
Big Data in der Personalauswahl
FORSCHUNG.
Algorithmen sollen Persönlichkeitsprofile erkannt und damit die
US-Wahl beeinflusst haben. Wie geht das – und was heißt das für die Personalarbeit?