PM_spezial_Trends_im_Recruiting 06/2016 - page 66

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SPEZIAL RECRUITING
_ABSAGESCHREIBEN
spezial Recruiting 06/16
Rossa:
Ein Beispiel: Bei Juristen haben
die beiden Examina eine große Aussa-
gekraft, sodass Sie eine erste Auswahl
schon über die Gesamtpunktzahl aus
beiden Examina machen können. Ähn-
lich funktioniert das in vielen anderen
Berufszweigen. Auch dort können Sie al-
leine von der Papierform her, beispiels-
weise eben über Zeugnisse, qualitative
Unterschiede feststellen, die überhaupt
nichts mit Alter, Geschlecht oder ähnli-
chen Merkmalen zu tun haben.
personalmagazin:
Und Berufserfahrung?
Rossa:
Auch da kommt es auf das Anfor-
derungsprofil an. Wenn Sie jemanden
suchen, der ein Team von Mitarbeitern
führen soll, ist Berufserfahrung viel-
leicht der falsche Begriff. Vielmehr
brauchen Sie Führungserfahrung, die
regelmäßig nur mit Berufserfahrung ge-
geben ist. Oder: Sie suchen einen Mar-
keting-Spezialisten für die Vermarktung
von Werbung im Kino – mit einschlägi-
ger Berufserfahrung. Das können Sie so
verlangen. Sie können aufgabenbezoge-
ne Anforderungen aufstellen, die sach-
lich gerechtfertigt sind. Bei sachlicher
Rechtfertigung dürfen Sie sogar Diskri-
minierungsmerkmale bei der Auswahl
erfüllen. Es ist jedoch empfehlenswert,
diese im Absageschreiben nicht zu be-
nennen, um einer Auseinandersetzung
den Nährboden zu entziehen. Daher
hilft eine an den Fähigkeiten und Quali-
fikationen orientierte Auswahlentschei-
dung. Denn: Leistungskriterien sind kei-
ne Diskriminierungsmerkmale.
„Fachbezogene Gründe nennen“
INTERVIEW.
Wie Personalern der Spagat zwischen persönlicher Kommunikation und
rechtssicherer Absage gelingt, erklärt der Arbeitsrechtler Jan-Marcus Rossa.
personalmagazin:
Bei Absagen neigen Per-
sonaler zu knappen Schreiben. Lässt das
Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz,
das AGG, nicht mehr zu?
Jan-Marcus Rossa:
Doch. Es gibt aber Ab-
sagegründe, die man vermeiden sollte.
Alle Absagegründe, die nach dem AGG
ein Indiz begründen können, dass zum
Beispiel Alter, Geschlecht, Rasse, sexu-
elle Orientierung oder Behinderung eine
Rolle spielen, bergen eine Gefahr: Sie
können einen Hinweis für eine diskrimi-
nierende Auswahlentscheidung liefern
mit der Folge, dass Entschädigungs- und
Schadensersatzansprüche
entstehen
können. Dabei reicht eine mittelbare
Diskriminierung aus. Wenn Personal-
verantwortliche also Gründe mitteilen
und diese nicht ganz eindeutig sind,
könnte es ein abgelehnter Bewerber zu-
mindest mit einer Entschädigungsklage
versuchen. Auch wenn es grundsätzlich
laut BAG keinen Anspruch auf Mittei-
lung der Ablehnungsgründe gibt, ist
aber auch klar: Neutrale Absageschrei-
ben tun weh. Denn als Bewerber hat
man sich offenbart und knappe, formel-
hafte Absagen ohne Gründe sind dann
wenig hilfreich. Ich weiß, dass viele Per-
sonaler das Bedürfnis haben, Feedback
zu geben. Grundsätzlich kann man das
machen, auch wenn das Risiko existiert,
dass abgelehnte Bewerber ein Schreiben
oder das gesprochene Wort am Telefon
negativ auslegen.
personalmagazin:
Wie können Personaler
diesen Spagat meistern?
Rossa:
Indem sie dem Bewerber fach- und
eignungsbezogene Kriterien mitteilen,
die ursächlich für die Ablehnung waren.
Das ist nicht zu beanstanden. Daher ra-
ten wir, das Auswahlverfahren optimal
vorzubereiten und sich klarzumachen:
Welche, gerade fachlichen Anforderun-
gen stelle ich an Bewerber? Kann ich so-
dann die Auswahl unter rein fachlichen
Gesichtspunkten treffen und begrün-
den, setze ich auch keine Diskriminie-
rungsindizien. Es ist also wichtig, sich
im Vorfeld das Anforderungsprofil klar-
zumachen und sich im Auswahlprozess
selbst daran zu orientieren. Dann bin
ich als Personalverantwortlicher auch
in der Lage, die Absage zu begründen.
personalmagazin:
Was wären solche fachli-
chen Gesichtspunkte?
Das Interview führte
Michael Miller.
JAN-MARCUS ROSSA
ist Rechtsanwalt
und Partner der Kanzlei Esche Schümann
Commichau.
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