personalmagazin 9/2016 - page 30

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TITEL
_COMPLIANCE UND HR
personalmagazin 09/16
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
triert. Denn ein entscheidender Vorteil
kann die fristaufschiebende Wirkung
der Sachverhaltsaufklärung durch die
Compliance-Abteilung sein. Nach Beur-
teilung der bisherigen Rechtsprechung
ist nämlich davon auszugehen, dass
die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2
BGB erst beginnt, wenn der Sachverhalt
nach der Untersuchung der Compliance-
Abteilung an HR, also dem Kündigungs-
berechtigen, übergeben wurde.
Für diese Sichtweise spricht die Funk-
tion der Compliance-Abteilung. Sie er-
mittelt lediglich den Sachverhalt und
ist weder befugt, eine arbeitsrechtliche
Bewertung durchzuführen, noch eine
Kündigung auszusprechen. Die zur Kün-
digung berechtigte Person erhält also
erst mit Übergabe des Sachverhaltsbe-
richts die notwendigen Kenntnisse für
die Kündigung. Selbstverständlich muss
die Compliance-Abteilung sicherstellen,
dass die Sachverhaltsaufklärung zügig
erfolgt und dies auch nachweisbar ist
(BAG, Urteil vom 20.3.2014, Az. 2 AZR
1037/12).
All dies zeigt, wie wichtig eine grund-
legende Zuständigkeitsabgrenzung
zwischen Personal- und Compliance-
Abteilung ist – auch, um Klarheit in der
Aufgabenteilung zu haben und um auf
beiden Seiten Vertrauen in der Zusam-
menarbeit zu schaffen. Ein enger Aus-
tausch und eine intensive Vernetzung
gerade zwischen der Arbeitsrechts- und
der Compliance-Abteilung ist die unver-
zichtbare Basis, damit ein Compliance-
Programm erfolgreich eingeführt wird
und darüber hinaus Bestand hat. Vor
diesem Hintergrund ist ein Regeltermin
mit einem intensiven, vertrauensvollen
Austausch zu empfehlen.
Der Beitrag von Compliance zur Kultur
Auch, wenn sie für den einzelnen Mitar-
beiter eine große Bedeutung haben kön-
nen: Viele Compliance-Fälle sind für das
Unternehmen aus strategischer oder
juristischer Sicht von geringerer Bedeu-
tung oder führen nicht zu arbeitsrecht-
lichen Konsequenzen. Dennoch können
sie – sofern sie nicht konsequent ange-
gangen werden – fatale Signale senden.
Die Compliance-Abteilung kann da in
der Rolle als neutraler Sachverhaltsauf-
klärer entgegenwirken und das Verspre-
chen des Unternehmens einlösen, eine
Speak-up-Kultur zu leben. Auch hier
kann jedoch ohne die enge Zusammen-
arbeit zwischen der Personal- und der
Compliance-Abteilung keine entspre-
chende Kultur aufgebaut oder erhalten
werden. Es geht nur mit einem gemein-
samen Verständnis.
Am Beispiel des eingangs genannten
Hinweisgebersystems bedeutet dies,
dass Mitarbeiter nur Hinweise geben,
wenn diese auch ernst genommen und
untersucht werden. AmEndemuss daher
immer ein Feedback an den Hinweisge-
ber stehen. Nur so kann die Compliance-
Funktion auch als Mehrwert für die
Mitarbeiter wahrgenommen werden.
Diese können Vorgänge prüfen lassen,
bei denen sie das Gefühl haben, etwas
stimme nicht – ohne Konsequenzen
befürchten zu müssen. Auf diesem We-
ge erhöht sich die Chance, dass uner-
wünschte Skandale vermieden werden
können, bevor sie überhaupt entstehen.
Hinweisen, nicht denunzieren
Eine solche Unternehmenskultur zu
schaffen, benötigt das Vertrauen der
Mitarbeiter in die Funktion der Compli-
ance-Abteilung, welches nur langsam
aufgebaut werden kann. Gerade auf-
grund des geschichtlichen Hintergrunds
der nicht-demokratischen Vergangen-
heit Deutschlands ist der Aufbau eines
funktionierenden Hinweisgebersystems
schwierig. Schnell wird Hinweisgeben
mit Denunzieren verwechselt. Es benö-
tigt daher viel Zeit, bis die Funktion der
Compliance-Abteilung als etwas Selbst-
verständliches angesehen wird. Es ist
allerdings auch die beste Prävention
für ein Unternehmen, das noch keinen
Compliance-Skandal gehabt hat und die-
sen verhindern will.
Hilfe bei originärem HR-Thema
Natürlich ist es originärer Bestandteil
der Personalarbeit, für ein vernünftiges
Arbeitsklima zu sorgen, das dadurch ge-
prägt wird, wie sich Mitarbeiter unter-
einander verhalten und wie Vorgesetzte
Mitarbeiter führen. Dazu muss offen
über Fehlverhalten gesprochen werden
können, Konflikte müssen gelöst und
Fehlverhalten sanktioniert werden.
Gerade HR hat jedoch ein Interesse an
einem Hinweisgebersystem und einer
gesunden Speak-up-Kultur. Denn oft
werden Konflikte erst über das Hinweis-
gebersystem erkannt, weil es neben den
klassischen Wegen – Gespräch mit dem
Vorgesetzten, Personalbetreuer oder Be-
triebsrat – eine weitere Option bietet.
Aufgrund deren Neutralität und Unab-
hängigkeit öffnen sich manche Mitar-
beiter eher gegenüber der Compliance-
Abteilung – gerade, wenn das Problem
in der Person des Vorgesetzten liegt.
Allerdings muss die Compliance-Abtei-
lung aufpassen, dass nicht alle Fälle, die
die Personalabteilung und der Vorgesetz-
te bereits entschieden haben, auf ihrem
Tisch landen – weil Mitarbeiter mit der
Entscheidung nicht einverstanden sind.
Gleiches gilt für klassische Führungspro-
bleme, die üblicherweise von der Perso-
nalabteilung zu klären sind. Auch hier
gilt wieder: Damit es nicht zu Doppel-
arbeit und Missverständnissen kommt,
hilft nur eine gute Zusammenarbeit mit
regelmäßiger Abstimmung.
INGMAR KOCH
ist Compli-
ance Subcontracting Manager
bei der Airbus Operations
GmbH in Hamburg und war
davor mehrere Jahre Manager Labor Law.
Bei Compliance-Unter-
suchungen geht es nicht
zwingend darum, ein
Mitarbeiter-Fehlverhal-
ten aufzudecken, son-
dern riskante Prozess­
lücken zu identifizieren.
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