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VERGÜTUNG
personalmagazin 05 / 12
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
der Ort bestimmt ist, an dem die Arbeits-
zeit beginnt.
Gestaltungsmöglichkeiten
Insbesondere die vorstehenden Ausfüh-
rungen zu den Wege- und Reisezeiten
zeigen, dass die Rechtsprechung bislang
leider keine echte Klarheit geschaffen
hat. Letztlich bestehen viele Unsicher-
heiten, ab welchem Zeitpunkt die Tätig-
keit des Mitarbeiters tatsächlich vergütet
werden muss. Es ist daher ratsam, eine
Regelung zu treffen, aus der genau er-
sichtlich ist, an welchem konkreten Ort
die vergütungspflichtige Arbeitszeit be-
ginnt und welche Tätigkeit vergütet wird.
Entsprechende Formulierungsvorschlä-
ge und weitere Erläuterungen sind dem
Kasten auf dieser Seite zu entnehmen.
Entscheiden sich die Arbeitsvertrags-
oder Betriebsparteien zu einer solchen
Regelung, gilt es Folgendes zu beachten:
Sofern ein Betriebsrat imBetrieb gebil-
det ist, steht diesemnach § 87 Abs.1 Nr. 2
BetrVG bei einer betrieblichen Regelung
über den Beginn und das Ende der täg-
lichen Arbeitszeit sowie über die Vertei-
lung der Arbeitszeit auf die Wochentage
ein Mitbestimmungsrecht zu. Dieses
Mitbestimmungsrecht ist nach einem
Beschluss des BAG vom 10. November
2009, (Az. 1 ABR 54/08) bei Rüstzeiten
gegeben, wenn das Umkleiden einem
besonderen Bedürfnis des Arbeitsgebers
dient und nicht zugleich dem Bedürfnis
des Arbeitnehmers. Kann die Firmen-
kleidung zu Hause angelegt werden und
kann der Arbeitnehmer sich in der Öf-
fentlichkeit bewegen, ohne dass er mit
der besonders Firmenkleidung auffällt
(abhängig von den Farben oder davon,
ob der Firmenname abgedeckt werden
kann), dann dient die Firmenkleidung
nicht nur dem besonderen Bedürfnis
des Arbeitgebers. Im umgekehrten Fall
ist der Betriebsrat zu beteiligen.
Die unter Mitwirkung des Betriebsrats
vereinbarte Klausel zur vergütungs-
pflichtigen Arbeitszeit darf nicht gegen
höherrangiges Recht verstoßen, also
weder gegen eine eventuell bestehende
gegenteilige tarifliche Regelung noch
gegen eine gesetzliche Vorschrift (etwa
gesetzlich vorgeschriebene Schutzklei-
dung). Im Übrigen muss sie eine Billig-
keitsprüfung bestehen.
AGB-Schlusskontrolle darf nicht fehlen
Eine individualvertragliche Klausel im
Arbeitsvertrag muss neben der Wahrung
des höherrangigen Rechts und etwaiger
tarifvertraglicher Regelungen zusätzlich
einer Kontrolle anhand des AGB-Rechts
standhalten. Dazu muss sie klar und ver-
ständlich formuliert sein, und sie darf
den Mitarbeiter nicht unangemessen
benachteiligen. Eine unangemessene Be-
nachteiligung wird unwahrscheinlicher,
je höher die Stellung des Mitarbeiters im
Betrieb ist oder kompensierende Effekte
vorliegen.
Sozius und Fachanwalt
für Arbeitsrecht, Salans
LLP, Frankfurt am Main
Dr. Veit Voßberg
Rechtsanwältin,
Salans LLP, Frankfurt
am Main
Cigdem Bayrak
Durch Vertragsgestaltung für Klarheit sorgen
Wenn für Rüst- und Umkleidezeiten keine Vergütung gezahlt werden soll, dann sollte
dies möglichst eindeutig im Arbeitsvertrag geregelt sein. Andererseits ist es schwierig,
dem jeweiligen Einzelfall ohne eine gründliche Prüfung und Interessenabwägung gerecht
zu werden. Gerade eine Musterklausel birgt im Hinblick auf den Einzelfall immer die
Gefahr, dass sie ein Gericht im Streitfalle unwirksam erklärt. Gleichwohl sollte im Zweifel
nicht darauf verzichtet werden, da solche Klauseln bei Gericht zumindest eine Indizwir-
kung für den Parteiwillen entfalten.
Formulierungsvorschlag für Rüst- und Wegezeiten
Nicht zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehören das An- und Auskleiden sowie die
körperliche Säuberung vor und/oder nach der regulären Arbeitszeit. Dies gilt auch für
Wegezeiten innerhalb des Betriebsgeländes, wie der Weg vom Werkstor oder vom
Betriebsparkplatz zum Arbeitsplatz. Arbeitsplatz im Sinne des Vertrages ist der Platz, an
dem der Mitarbeiter die vertraglich vereinbarte oder zugewiesene Tätigkeit leistet.
Formulierungsvorschlag für Reisezeiten außerhalb der Arbeitszeiten*
Reisezeiten, welche über die reguläre Arbeitszeit hinaus anfallen, werden nicht geson-
dert vergütet. Reisezeiten im Sinne dieses Vertrages liegen vor, wenn der Arbeitnehmer
zur Erledigung von Dienstgeschäften an einen Ort außerhalb des Dienstortes reist.
* Die Formulierung lehnt sich an § 2 des Bundesreisekostengesetzes an. Die Gefahr der
Unwirksamkeit kann zusätzlich eingeschränkt werden, wenn Ausgleichregelungen wie
zum Beispiel Freizeitausgleich vorgesehen werden. Arbeitet der Beschäftigte während
der Reise, also hat er sich in der Bahn mit Arbeit zu befassen und muss beispielsweise
nicht selbst ein Auto steuern, so sollte dies berücksichtigt werden.
Generell kann gesagt werden: Je gehobener die Funktion und Position des Arbeitnehmers
im Unternehmen ist, desto eher wird eine Reiseklausel, ähnlich der hier vorgeschlagene,
wirksam sein. Dies gilt zudem, wenn man das Berufsbild einbezieht und wenn derartige
Reisezeiten typisch für die jeweilige Berufsgruppe sind.
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