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WEITERBILDUNG
SPEZIAL
PERSONALDIENSTLEISTER
57
peration mit der örtlichen IHK. Wilhelm
Oberste-Beulmann, Vorsitzender der Ge-
schäftsführung der Start Zeitarbeit NRW
GmbH in Duisburg und im Vorstand des
Bundesverbands der Personaldienstlei-
ster (BAP) für Bildung zuständig, schätzt
die Größenordnung des Betrags, den
Zeitarbeitsunternehmen insgesamt in
die Qualifizierung stecken, auf rund ein
Prozent der Bruttolohnsumme.
Die eher mittelständischen und
kleinen Personaldienstleister im
Interessenverband Deutscher Zeitarbeits-
unternehmen (IGZ) haben Ende März auf
ihrem Bundeskongress die Einführung
des IGZ-Kompetenzpasses beschlossen.
Eingetragen werden in diesem einheit-
lichen Dokument Kompetenzen, die im
Arbeitseinsatz erworben wurden, und
qualifizierte Abschlüsse sowie die Teil-
nahme an Weiterbildungen. Der Kom-
petenzpass soll helfen, Fähigkeiten und
Fertigkeiten zu objektivieren. Ob er einen
Anreiz bietet, die Liste der Kompetenzen
zu verlängern, wird die Zukunft zeigen.
Überzeugungsarbeit ist nötig
Was den Weiterbildungsfonds angeht,
wird Marcus Schulz sowohl beim IGZ als
auch bei seinen BAP-Kollegen noch Über-
zeugungsarbeit leisten müssen. „Es ist
schwer vorstellbar, dass Entleihbetriebe
sich in großer Zahl an den Qualifizie-
rungskosten beteiligen“, meint Oberste-
Beuleman. Sein Argument: „Die Kunden
erwarten von uns, dass wir ihnen qualifi-
ziertes Personal zur Verfügung stellen.“
Auch der finanziellen Beteiligung der Be-
schäftigten steht er skeptisch gegenüb-
er. Die Entgelte lägen schließlich unter
denen der Stammbelegschaften.
Weiterbildungsfonds-Initiator Marcus
Schulz gibt sich trotz solcher Einwände
optimistisch. „Künftig wird Qualifizie-
rung noch wichtiger werden“, betont
er. Er wirbt mit dem gelungenen Start:
„Unser Verein mit seinem Weiterbil-
dungsfonds ist offen für alle Zeitarbeits-
unternehmen in Deutschland.“
len einen Trend setzen – und liegen gut
in der Zeit. Rund 900.000 Menschen
stehen in der Zeitarbeitsbranche unter
Vertrag. Laut einer Studie der Bertels-
mann-Stiftung sind die Arbeitnehmer
vorwiegend Männer in mittlerem Alter.
Der Anteil ausländischer Beschäftigter
ist hoch, und im Vergleich zur Gesamt-
wirtschaft arbeiten dort mehr Menschen
ohne Ausbildung: 37 Prozent der Zeit-
arbeitnehmer sind als Hilfsarbeiter be-
schäftigt. Mit dieser Skizze der Branche
weist die Studie indirekt auf den erheb-
lichen Qualifizierungsbedarf hin, denn
die Jobprofile ändern sich mit dem tech-
nischen Fortschritt auch für Ungelernte
und Geringqualifizierte stark.
Hinzu kommt, dass die durchschnitt-
lichen Entgelte selbst bei existierenden
Tarifverträgen deutlich unter denen der
Gesamtwirtschaft liegen, wozu neben
der Branchentradition auch die Berufs-
biografien, fehlende Zertifikate und
Ausbildungsabschlüsse beitragen. Qua-
lifizierung tut also einerseits not, um im
Job zu bleiben. Andererseits steigert der
Anreiz auf ein höheres Entgelt die Mo-
tivation, sich in einem Kurs durch den
theoretischen und praktischen Unter-
richtsstoff zu arbeiten.
Hoffen auf viele Nachahmer
„Wir hoffen, dass viele Personaldienstlei-
ster dem Verein beitreten“, sagt Marcus
Schulz. Denn nur Arbeitnehmer von Mit-
gliedsunternehmen können vom Weiter-
bildungsfonds profitieren. Die Großen
der Branche von Randstad über Manpow-
er bis zur Dis AG haben allerdings bereits
eigene, meist modulare Qualifizierungen
aufgelegt. Auch mittelständische Zeitar-
beitsunternehmen experimentieren mit
Kursen und Abschlüssen – oft in Koo-
Euro, ausmacht. Im Umlageverfahren
zahlen Personaldienstleister und Ent-
leihbetrieb je zwei Fünftel sowie der
Zeitarbeitnehmer ein Fünftel jährlich
ein. Dabei müssen die Technicum-Be-
schäftigten – zumindest in absehbarer
Zeit – von ihrem branchenüblich eher
schmalen Stundenlohn nichts abzwa-
cken. Ihr Anteil wird aus dem Obolus
gespeist, der schon im alten Tarifvertrag
für Weiterbildung angelegt wurde. Bei
künftigen Gehaltsrunden oder bei Zeit-
arbeitsunternehmen, die bisher kein
Gehaltspaket inklusive Weiterbildungs-
anspruch abgeschlossen haben, werden
Verrechnungen mit dem Entgelt der Weg
zum Arbeitnehmeranteil sein.
Ein Signal für die gesamte Branche
Aber das ist Zukunftsmusik. Momentan
greifen erst einmal Technicum-Beschäf-
tigte auf den Weiterbildungsfonds zu. Im
Mai, spätestens Juni, sollen die ersten
Kurse starten. Arbeitnehmer machen
ihren Anspruch direkt beim Weiterbil-
dungsfonds geltend. „Unser Modell“, so
Marcus Schulz, „bietet Qualifizierung
schon vor dem ersten Einsatz.“
Ob Schweißerkurs oder eine Kurzein-
führung in neue Softwaretools, das Er-
langen von IHK-Zertifikaten oder das
Schließen von Fertigkeitslücken in ein bis
zwei Tagen – bei allen Qualifizierungen
wird der Verein mit erfahrenen Weiter-
bildungsdienstleistern wie Provadis und
TÜV Nord Bildung zusammenarbeiten.
Und was jetzt mit der Qualifizierung von
gewerblichen Arbeitnehmern beginnt,
kann jederzeit auf kaufmännische Berufe
ausgedehnt werden.
„Der Weiterbildungsfonds soll ein
Signal in die Branche senden“, sagt
Francesco Grioli. Die Sozialpartner wol-
37 Prozent der Zeitarbeitnehmer sind als
Hilfskräfte tätig. Im Vergleich zur Gesamtwirt-
schaft arbeiten sie öfter ohne Ausbildung.
Ruth Lemmer
ist freie Journalistin in Düsseldorf.